8. Türchen

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„Du hast es mir versprochen!" schreie ich ihn an. Ich bin gerade einfach unglaublich enttäuscht von ihm. Seit Wochen freue ich mich auf diesen Abend und jetzt heißt es, dass er doch nicht kommen kann. „Versteh das doch, Louis! Ich will einfach mal etwa mit meinen Freunden machen!" Ich schlucke. „Du hast es mir vor Wochen schon versprochen, Harry." Er stöhnt genervt. „Was ich denn so schlimm daran, dass ich mit wem anders raus gehe?!" will er lautstark wissen. Ich schüttle den Kopf und verschränke die Arme vor der Brust. „Es geht darum, dass du mir zugesagt hast! Nicht, dass du mit anderen Zeit verbringst."

„Jetzt sei doch nicht so spießig!" fährt er mich an. „Ich nehme Versprechen einfach ernst! Da ist nichts spießiges dran!" antworte ich ihm wütend. Dann geht die Tür auf. Wir verstummen. Ein Junge aus der Unterstufe betritt den Toilettenraum. „Zisch ab!" faucht Harry und sofort macht der Junge auf dem Absatz kehrt. Ich verdrehe die Augen. „Das musste jetzt aber wirklich nicht sein, Harry." Er sieht mich genervt an. „Willst du mir jetzt auch noch vorschreiben, was ich zu sagen habe?" Ich schüttle den Kopf. „Natürlich nicht."

„Louis, es ist nur ein Abend. Stell dich also bitte nicht so an und reg dich dermaßen darüber auf." - „Es ist Weihnachten, Harry!" widerspreche ich ihm. Seine Freunde wollen an Heiligabend alle rausgehen. Er hat mir vor Wochen schon versprochen, dass er bei mir sein wird. Harrys Mum wird über die Ferien in Amerika sein, weil seine große Schwester Gemma in New York studiert. Abgesprochen war, dass Harry Weihnachten mit mir und meiner Familie verbringt. Jetzt hat er mir eröffnet, dass er doch lieber rausgehen will, um mit Freunden zu feiern. Das bedeutet in seinem Fall nur leider, dass er sich betrinken wird, bis er schließlich kotzend über der Kloschüssel hängt.

„Kaufst du mir wenigsten den Alkohol?" fragt Harry dann. Ich schüttle entgeistert den Kopf. „Vergiss es!" Er stöhnt genervt. „Ich werde in ein einhalb Monaten achtzehn, du wirst neunzehn, wieso denn nicht?" Ich schlucke. „Ich mag es einfach nicht, wenn du dich dermaßen abschießt." Er schüttelt den Kopf. „Ich bin am 25. doch bei euch. Wo ist dein Problem, Louis?" Ich schlucke und schüttle den Kopf. „Vergiss es einfach." Ich verlasse den Raum und gehe den Schulflur entlang. Harry läuft mir nicht hinterher. Er geht zu seinen Freunden und ich sehe, dass er unfassbar genervt ist.

Ich hasse es, wenn wir uns streiten. Harry und ich seit einem Jahr zusammen. Ich bin sitzengeblieben und so haben wir uns kennengelernt. Es hat nur wenige Wochen gedauert, bis ich wusste, dass ich ihm verfallen bin. Umso enttäuschter bin ich, dass Harry nicht bei mir sein wird. Er weiß natürlich, dass ich Geburtstag habe. Er weiß aber auch, dass ich meinen Geburtstag mit meiner Familie feiern möchte und erst ein paar Tage später, nach Weihnachten, mit meinen Freunden rausgehen werde.

Er meinte, sie haben sonst fast nie die Gelegenheit, alle gemeinsam rauszugehen und dass es dieses Jahr die Möglichkeit gibt und dass er dabei sein möchte. Er war der festen Überzeugung, dass ich es verstehen würde. Ich habe versucht, ruhig zu bleiben, aber als ich gemerkt habe, dass er es wirklich ernst meint und dass er nicht bei mir sein wird, um sich betrinken zu können, kam die Enttäuschung. Er hat mir versichert, dass er bei mir sein wird. Man kann natürlich jetzt sagen, dass es nur ein Geburtstag ist, nicht einmal mein 18., aber trotzdem nagt dieses Gefühl an mir.

Ich sehe zu Harry, der bei seinen Freunden steht. Er ist unglaublich beliebt; bei allen hier. Ich war früher laut und aufsässig. Mittlerweile bin ich nur noch bei meinen Freunden so. Mich interessiert nicht mehr, was alle anderen von mir denken. Meine Freunde wissen, dass ich ab und an spreche, bevor ich darüber nachgedacht habe. Sie wissen, dass ich frech sein kann; so bin ich eben. Aber hier in der Schule sehe ich keinen Grund, diese Seite von mir preiszugeben. Hier bin ich lieber ruhig und lese ein Buch, anstatt über irgendwen zu lästern. Denn so bin ich nun einmal auch; bedacht. Harry hingegen wird von alles gemocht. Ich glaube, viele wissen nicht einmal, dass wir zusammen sind. Leider haben wir nur zwei Kurse gemeinsam und die Freistunden liegen meines auch unterschiedlich. Aber unsere Freunde wissen davon, unsere Familien sowieso und eigentlich geht es uns ganz gut damit. Jetzt ist aber wieder ein Punkt gekommen, an dem ich mir nicht mehr sicher bin, ob wir alles wirklich so richtig gemacht haben.

Die Leute, mit denen Harry hier abhängt, wissen nichts von uns beiden. Außerdem werde ich nicht zu ihnen und Harry gehen. Das weiß er ganz genau. Ich bin glücklich darüber, dass man mich hier einfach in Ruhe lässt und aus den ganzen Lästereien und den Gerüchten raus hält.

Es sind noch zwei tage Schule. Dann sind Weihnachtsferien. Harry und ich haben die letzten zwei tage praktisch überhaupt nicht miteinander gesprochen. Kaum Nachrichten, keine Anrufe und auch gesehen haben wir uns lediglich in Sport. In der umkleide, hätte ich ihn so anspringen und küssen können. Harry hat sich extra zu mir gedreht, damit ich seine Muskeln und das Schwalbentattoo sehe. Er weiß genau, wie er mich reizt und provoziert. Aber ich habe so getan, als wäre es mir egal. Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich, dass es nicht stimmt und ich bin sicher, er hat es mitbekommen. Sehr sicher.

Harry und ich lassen das Thema, dass er am 24. feiern gehen möchte vollkommen ruhen. Aber am letzten Tag vor den Ferien, reicht es mir und ich gehe zu ihm. „Können wir kurz reden?" frage ich ihn. Er sieht mich überrascht an. Seine Freunde stehen alle um ihn herum und sind durch die Reihe weg verwirrt. „Was gibts?" fragt er mich verwundert. Ich verdrehe die Augen. Er lässt mal wieder den Macker raus hängen. Das hat er am Anfang ab und an getan, aber ziemlich schnell habe ich begriffen, dass er so eigentlich nicht ist. Er ist liebenswert, hat Humor und ziemlich süß noch dazu.

„ich wollte dir nur eben sagen, dass du machen kannst, was du willst. Lass dich von mir nicht aufhalten." erwidere ich so neutral, wie möglich. Es schmerzt mich, diese Worte auszusprechen, aber ich möchte ihm auch Heiligabend nicht vermiesen. Ich will ihn nicht zwingen. „Wieso solltest du ihn aufhalten." fragt Jack lachend. Ich verdrehe nur die Augen, ignoriere seine Aussage aber ansonsten. Ich sehe Harry an. Er weiß worum es geht. „Harry, was will jemand wie der von dir?" fragt Jason nun genervt. Ich sehe Harry an. Dieser sieht nur kurz zu seinen Freunden und dann wieder zu mir. Dann nimmt er mich am Arm und zieht mich einige Meter weiter. Meine Augen werden groß. Er will nicht, dass sie wissen, das wir ein Paar sind. Mir war es bis dato egal, ich hatte nur nichts dagegen, dass er es nicht sagt, wenn es nicht zur Sprache kommt. Und mal ehrlich, wieso hätte das das sollen?

„Was wird das?" frage ich ihn perplex. Er seufzt. „Das könnte ich dich auch fragen." Ich schüttle den Kopf. „Ich wollte dir nur sagen, dass du dich ruhig betrinken gehen kannst, anstatt bei meinem Geburtstag bei mir zu sein, wie du es mir über Wochen versprochen hast." sage ich zynisch. „Hättest du mir das nicht einfach schreiben können?" fragt er mich und ich glaube, ich höre nicht richtig. „ja natürlich. Wieso sollte ich dich auch ansprechen." sage ich sarkastisch. „Ich bin ja nur dein Freund." - „Louis..." Ich unterbreche ihn. „Du hättest auch vorher sagen können, dass du nicht willst, dass sie wissen, dass du dich mit jemandem wie mir abgibst."

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