19. Türchen

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Ich atme tief ein und wieder aus. Man sollte meinen ich habe mich in den Jahren schon daran gewöhnt, über rote Teppiche zu gehen, aber manches ändert sich wohl doch nie. Ich bin nervös, ziemlich sogar; selbst nach acht Jahren Erfahrung. Ich habe mittlerweile eben nur gelernt, wie ich dieses Aufgeregt-sein am Klügsten verstecke. Mir wird die Tür geöffnet und ich steige aus. Sofort empfängt mich ein Blitzlichtgewitter. Es ist blöd gesagt, aber damit ist alles wie immer.

Ich lasse hier und da Fotos von mir machen, ehe ich rein gehe. Es ist die Nacht der Grammys und ich bin dieses Jahr mit dabei. Ich bin für zwei Kategorien sogar selbst nominiert worden, aber nachdem ich mir die Konkurrenz angesehen habe, bezweifle ich doch, dass ich wirklich gewinne.

Ich verstehe mich mit den Leuten an meinem Tisch zwar ganz gut, aber dennoch freue ich mich mehr auf die Aftershowparty, als auf die eigentliche Veranstaltung.

Und ich gewinne leider nicht. Schade, aber ist nun einmal so. Aber dafür gewinnt jemand, der mir doch nicht ganz unbekannt ist. Harry gewinnt einen Grammy. Wir waren in einer Kategorie beide nominiert. Genau deswegen bin ich nicht traurig darüber, dass ich es nicht geschafft habe. Ich gönne es ihm von ganzem Herzen und ich kann es kaum abwarten, bis wir uns nachher sehen.

Wir haben uns jetzt schon wochenlang nicht mehr gesehen. Er war in London, dann in LA. Ich war in New York, dann in London. Wir haben beide unfassbar viel um die Ohren. Umso glücklicher bin ich, dass wir wirklich heute Abend hier sind. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir sogar am gleichen Tisch platziert werden, aber ich schätze, da hatte das Management wieder seine Finger im Spiel.

Wir sind seit mehreren Jahren ein Paar. In unserer One Direction-Zeit war das überhaupt kein Problem. Wir haben uns fast tagtäglich gesehen. Oh Gott, wie ich das vermisse. Wir sehen uns so unfassbar selten. Wir versuchen es irgendwie zwischendurch zu schaffen, aber mittlerweile ist es nun einmal so, dass wir froh sind, wenn nur ein paar Wochen zwischen unseren Treffen liegen. Das letzte Mal, dass ich ihn sehen durfte, ist jetzt drei Monate her. Drei endlose Monate habe ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen; jedenfalls nicht persönlich.

Über Facetime telefonieren wir eigentlich zwei oder drei Mal die Woche, je nach dem, wie es unser Terminkalender zulässt. Noch dazu hindert uns die Zeitverschiebung immer wieder daran, miteinander sprechen zu können.

Aber wir bekommen es irgendwie hin. Es ist schwer und mein Herz blutet jedes Mal, wenn wir uns wieder voneinander verabschieden müssen, aber es geht. Ich nehme es hin, denn dann darf ich ihn auch weiterhin mein nennen. Ein Kuss von ihm, ein Blick oder nur eine hauchzarte Berührung und der ganze Schmerz der letzten Wochen, ist weg. Und dann bleibt das Glück, das ich habe, ihn zu lieben und dieses Gefühl erwidert zu bekommen.

Die Zeit zieht und zieht sich. Dann endlich ist es vorbei. Ich stehe auf und gehe aus der Halle. Und es dauert wieder eine Ewigkeit, bis ich bei der Aftershowparty ankomme. Natürlich bin ich ungeduldig. Zu groß die Ungeduld, Harry gleich wieder zu sehen. Es ist in Star-Kreisen allgemein bekannt, dass wir zusammen sind. Nur an die Öffentlichkeit darf nichts geraten. Eigentlich hasse ich es, dass wir uns immer noch nicht outen können, aber im Augenblick ist es mir egal. Meine Gedanken kreisen nur um Harry. Harry Harry Harry.

Ich nehme mir am Empfang einen Sekt und suche mir den Weg durch die Menge. Aber ich werde immer wieder angesprochen. Gott, ist das nervig. Ich sehe Harry schließlich. Er blickt nicht zu mir. Ich seufze leise. Ich komme gerade nicht zu ihm durch. Wieso schaut er nicht her?

Da spricht mich plötzlich wieder jemand an. Es ist Dalton. Er durfte heute Abend singen. Er hat XFactor wirklich gewonnen und ja, ich bin stolz auf ihn! Er hat es einfach verdient! „Hast du ihn gefunden?" fragt er mich. Wir stehen an der Bar und kurzerhand setze ich mich. Ich komme gerade leider sowieso nicht zu ihm durch. „Was?" - „Du suchst doch nach Harry, oder nicht?" fragt er mich lachend. Ich nicke nur und sehe kurz weg. „Er ist dort vorne." meine ich. Dalton folgt meinem Blick. „Das sind... viele Leute um ihn herum." Ich nicke und spanne mich an. „Leider ja."

Adventskalender 2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt