17. Türchen

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„Fuck." flucht der Junge Mann und greift nach einem Wattestäbchen, dass mit dem unschön riechenden Nagellackentferner getränkt ist. Er versucht den Nagellack von dem Rand seiner Haut zu entfernen. Das verursacht aber nur, dass zwei feine Fäden der Watte am Nagellack auf dem nagen gelben bleiben und somit zwei Striemen hinterlassen. Er stöhnt genervt. Das kann doch jetzt nicht sein.

Eigentlich bekommt er es mittlerweile hin, sich die Nägel zu lackieren. Anfangs hatte er ziemliche Probleme damit, dass die rechte Hand genauso gut aussieht, wie die linke. Als Rechtshänder ist es auch einfach schwer, mit links zu lackieren. Er hat es das erste mal an Halloween vor zwei Jahren ausprobiert. Dann hatte er immer mal wieder Klarlack auf den Nägeln. Er hat sich eingeredet, dass es ja dafür ist, dass die Nägel stabiler werden und damit sie nicht so schell abbrechen. Dann wurde es mal ein helles Nude, dass er aufgetragen hat, als er wusste, dass er die Nacht alleine ist. Er saß auf dem Sofa, hat einen Film gesehen und sich dabei die Nägel lackiert.

Zwei Wochen später wurde er experimentierfreudiger und hat sich seinen ersten knallroten Lack gekauft. Das ist mittlerweile fast ein Jahr her.

Seine Sammlung hat sich um einiges erweitert. Er besitzt viele Farben, verschiedene Nuancen und eine ansehnliche Aufstellung an Klarlack, Nagelhärtern, er besitzt zwei Überlacke, die die Farbe scheinen lassen, drei, die die Farbe matt werden lassen und auch einige Nagellacke mit Glitzerpartikeln sind nun Teil seiner Kollektion. Heute morgen hat er sich auf dem Weg zur Arbeit einen neuen, karminroten Nagellack gekauft. Eigentlich war er nur in dem Drogerieladen, weil er neues Shampoo kaufen wollte. Dann hat er die Farbe gesehen und konnte einfach nicht widerstehen.

Zum Glück hatte er heute früh Schluss. Sein Freund Louis kommt erst heute Abend nach Hause und so hat er genug Zeit, um den Nagellack aufzutragen und einige Stunden die neue Farbe zu bewundern, sich schön zu fühlen und ein paar wenige Fotos zu machen, bis er sich die Fingernägel wieder ab lackieren muss. Er verschiebt die Fotos in einen mit einem Passwort gesicherten Ordner. Er möchte nicht, dass sie irgendjemand zufällig entdecken könnte. Seine Lacke hat er alle in zwei alten Schuhkartons unterm Bett versteckt. Offiziell befinden sich darin alte Bücher. Jedenfalls hat er das Louis erzählt, als sie die Wohnung letztens komplett aufgeräumt und sauber gemacht haben. Und er weiß, dass sein Freund sowieso nicht an die Bücher gehen würde. Wenn es denn Bücher wären. Deswegen sind sie dort ziemlich sicher und er hat wenige Bedenken, dass Louis sie doch entdecken könnte.

Harry entfernt den gesamten Nagellack von seinem Ringfinger wieder. Es will heute einfach nicht funktionieren. Dabei hinterlässt er aber leider einen Abdruck auf seinem Daumen. „Verdammte Scheiße." flucht er vor sich hin. Wieso will das heute einfach nicht klappen? Es ist doch zum verrückt werden. Er hört nicht, wie die Tür aufgeht. Harry ist viel zu konzentriert auf seine Arbeit. Außerdem sollte Louis ja erst in drei Stunden Feierabend haben. Wieso sollte Harry also auf die Idee kommen, dass er bereits jetzt nach Hause kommt.

Louis kommt ins Wohnzimmer und lehnt sich an den Rahmen. Er schmunzelt, als er Harry auf dem Sofa sitzen sieht. Er hat schon seit einiger Zeit den Gedanken gehabt, dass Harry eine gewisse Leidenschaft vor ihm geheim hält. Er arbeitet im Filmbusiness und bereits einige Male ist im der Geruch nach Nagellackentferner aufgefallen. So riecht es immer ab und an in den Trailern der Maskenbildnern und Make-Up-Artists.

Harry sitzt auf dem Sofa, beißt sich auf die Zunge und flucht leise, als es nicht so funktioniert, wie er es gerne hätte. Louis schmunzelt und beobachtet seinen Freund lächelnd. Dann klopft er an den Türrahmen und räuspert sich. Harry sieht zu ihm. Seine Augen werden groß und sein Blick panisch. Er sieht sich um. „Das... das ist nicht, wonach es aussieht!" sagt er schnell und schließt den Nagellack. Er greift nach den Wattepads und schiebt sie zusammen. „Wieso bist du schon hier? Musst du nicht noch arbeite? Wieso hast du nicht angerufen?" fragt er ohne Punkt und Komma. Louis lächelt und schüttelt den Kopf. „Einige der Schauspieler sind krank und außerdem hatten wir zwei Stunden lang Stromausfall. Es wurde entschieden, dass es keinen Sinn ergibt, heute noch weiter zu machen." erklärt er Harry und setzt sich vor ihm auf den Boden. Er greift nach den Wattepads und dem Nagellackentferner. Dann nimmt er sanft Harrys Hände in seine und entfernt den Lack ordentlich.

Harry sieht ihn perplex und überfordert an. Louis nimmt den Lack, als Harrys Nägel wieder sauber sind und beginnt sie zu lackieren. „Was machst du da?" fragt Harry ihn verwundert und nicht wissend, wie er mit der Situation umgehen soll. Louis fängt mit Harrys rechter Hand an. Fein säuberlich trägt er die Farbe gleichmäßig auf. Es dauert nicht lange und er ist mit der Hand fertig. Er legt sie auf Harrys Oberschenkel und nimmt sich seine linke Hand. Harry betrachtet seine lackierten Fingernägel. „Woher kannst du das so gut?" fragt er Louis überrascht.

Seine Angst und Nervosität, dass Louis es merkwürdig findet, hat sich mittlerweile so gut wie gelegt. Louis schmunzelt. „Ich habe sechs Schwestern, Harry. Was meinst du, wie oft ich den kleinen früher die Fingernägel lackiert habe, weil sie es alleine nicht hinbekommen haben." antwortet er ihm nur. „Ich kann das aber eigentlich!" widerspricht Harry und stockt sofort. Louis sieht zu ihm auf und zieht eine Augenbraue hoch. „So?" Harry wird nervös und unsicher. „Also.. manchmal.. wenn du nicht da bist... nach Halloween als ich das mal hatte.. und ich hab es ausprobiert..." stottert er vor sich hin; nicht bemerkend, dass Louis mit den zweiten Hand auf schon fertig ist. Er drückt Harrys Beine auseinander, um sich dazwischen zu knien und so fast auf Harrys Höhe zu sein. „Du hast weiter gemacht?" fragt Louis ihn dann und lächelt ein wenig.

Harry nickt stumm. Dann atmet er tief ein und wieder aus. „Erst war es nur Klarlack. Und dann irgendwann habe ich mit Farben begonnen." erzählt er seinem Freund und sieht weg. Louis stellt den Nagellack bei Seite und legt zwei Finger unter Harrys Kinn. Er hebt seinen Kopf ein Stück und so sehen sie sich wieder an.

„Ich weiß, Harry." meint er dann. Harrys Augen werden groß. „Du wusstest es?!" fragt er perplex. Louis zuckt mit den Schultern. „Ich hatte eine Ahnung. Es roch immer wieder nach Nagellackentferner, als ich nach Hause gekommen bin. Ich kenne den Geruch vom Set." erklärt er ihm. Harry errötet leicht. Er hätte sich das doch denken können! „Tut mir leid." murmelt er. Louis schüttelt den Kopf. „Das muss es nicht." Er legt seine Hände an Harrys Wangen, welcher daraufhin ein zartes Lächeln hervorbringt. „Und du siehst wunderschön aus, okay?" Harry sieht ihn verwundert an. „Du findest es nicht merkwürdig?" Louis lacht. „Wieso sollte es denn merkwürdig sein?" Harry zuckt mit den Schultern. Noch bevor er antworten kann, küsst Louis ihn sanft.

„Es ist nichts merkwürdiges dabei, okay, Haz? Du siehst toll damit aus." Dann küsst Louis ihn erneut und zu gerne hätte Harry seine Hände in Louis' Haaren vergraben, aber der Nagellack ist noch nicht trocken und ein Drittes Mal möchte er heute dann doch nicht Anfangen.

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