Türchen 3 - Markt

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Aufgeregt, um halb sieben, zog ich mich an. Geld, Handy, Schlüssel. Alles war da. "Viel Spaß dir." Claus lächelte mir zufrieden zu. "Kann ich wirklich so gehen?" Ich prüfte mich selbst im Spiegel. Claus kam zu mir. "Du siehst Top aus Manu." Dankend lächelte ich ihn durch den Spiegel an. "Wünsch mir Glück", sagte ich dann und öffnete die Tür. "Und sei nicht so voreilig mit dem reinlunzen!", rief Claus mir lachend hinterher. Grinsend verließ ich das Haus und ging raus ins kalte.

Schnee rieselte leicht hinab. Frierend stopfte ich meine Hände in meine Jackentaschen und zog die Schultern hoch. Ich Idiot hatte meine Handschuhe vergessen. Und wenn ich jetzt zurück gehen würde, würde ich zu spät zu dem Treffen kommen. Und das wollte ich nicht. Das wäre ein schlimmer erster Eindruck. Oder zweiter. Dritter. Aber der erste Richtige.

Nervös tippelte ich mit dem Fuß auf den Boden. Immer wieder sah ich mich um, blickte dann aber wieder auf meine Füße. Ob er käme? Oder hatte er es sich anders überlegt? Ich hörte den Gong der Kirchenglocke. Sieben Mal schlug die Glocke an. Ich atmete durch. Aber es schien, als würde die Nervosität mein Lungenvolumen einschränken.

Und dann, als ich das nächste mal von meinen Füßen aufsah, stand P. Mayer direkt vor mir. Sein orangefarbenes Hemd war durch einen dicken schwarzen Mantel eingetauscht worden. Auf seinem Kopf saß eine schwarze Mütze. Drunter schauten paar Strähnen seines braunen Haares heraus. Seine Augen spiegelten das Licht der Glühweinbude wieder und seine Lippen waren zu einem breiten Grinsen verzogen. "Hallo Manuel."

Ich war geblendet und gleichzeitig von seiner Präsenz so eingeschüchtert, dass ich mich bemühen musste, um zu Antworten. "Hey." Ich fühlte mich komisch, was P. Mayer wohl bemerkte. Denn er sah zum Stand und deutete kurz auf ihn. "Mit Schuss, damit du lockerer wirst? Ich lade dich ein." Ein schiefes Lächeln warf er mir zu. Ich nickte. Also ging er und bestellte zwei Glühwein mit Schuss. Ich mochte Glühwein nicht allzu gern, jedoch würde ich es runterwürgen. Für einen guten Abend.

P. Mayer und ich stellten uns an einen der Stehtische. "Als was arbeitest du eigentlich?", fragte er mich dann. "Ich arbeite von Zuhause über das Internet. Ist etwas kompliziert." Ich wollte ihm nicht direkt erzählen, dass ich mit Claus zusammen Webvideos produzierte und relativ bekannt war. "Kompliziert also." Grinsend nippte er vorsichtig an seiner Tasse und zischte sofort auf. "Mist ist das heiß." Ich lachte auf. P. Mayer griff sich erschrocken an seine Lippe und schielte auf sie runter. "Du solltest noch mit dem Trinken warten", sagte ich noch immer grinsend und pustete auf die rote Flüssigkeit in meiner eigenen Tasse. "Sag bloß", kicherte P. Mayer. Ich sah ihn weiterhin schmunzelnd an. "Ich will übrigens auch was essen. Ich hatte vorhin nur zwei scheiben Toast und irgendwie knurrt mein Magen." Er pustete nun selbst, so wie ich, den Glühwein an. Der Dampf wackelte schwach im Schein der Lichter. "Und was?", fragte ich ihn. P. Mayer blickte sich um. "Bratwurst oder Schmalzkuchen vielleicht. Irgendwas geiles." Was geiles. "Weiter hinten, beim Riesenrad, da gibt es Quarkbällchen. Die sind ziemlich lecker. Kostet aber pro Ball drei Euro", erzählte ich ihm. "Isst du die gerne?", fragte er mich zurück. Eifrig nickte ich. "Dann würde ich sagen, trinken wir aus, schlendern etwas über den Markt und holen uns dann Quarkbällchen. Und dann fahren wir Riesenrad." P. Mayer schmunzelte mich an. Doch ich bemerkte sofort, wie meine Beine das Schlottern anfingen. "Einverstanden." Dennoch grinste ich ihn breit an. Ich hatte Höhenangst. Und das nicht zu wenig. Ich wollte aber nicht als Memme dastehen.

Wir gingen über den Markt und machten halt, als wir an der Eisbahn ankamen. Wir stellten uns an die Bande und beobachteten die Leute, wie sie, mal mehr mal weniger gut, über das Eis schlitterten. "Kannst du Eislaufen?", fragte ich P. Mayer. "Ich war zuletzt Eislaufen, ehm. Vor vielleicht sechs oder sieben Jahren. Und damals klebte ich nur am Rand, weil ich es mich nicht getraut habe." Er gluckste auf. "Und du?" Er drückte kurz seine Schulter gegen meine. Eine Berührung, die über das Wechseln des Bargelds ging. Ein kribbeln durchfuhr mich. "Zuletzt vor drei Jahren, mit meinem Bruder und seiner Frau." Ich schaute auf ein kleines Kind, welches sich an einen kleinen Plastikpinguin festhielt, der als Stütze diente. "Hast du viele Geschwister?" P. Mayer sah auf das selbe Kind, wie ich. "Drei. Und eine Schwester. Du?" "Ich bin Einzelkind. Habe mir immer Geschwister gewünscht, aber meine Eltern wollten wohl kein zweites Kind." Er grinste, sah dabei aber irgendwie traurig aus. "Lass uns mal weiter, mir wird kalt, wenn wir hier so stehen", sagte er dann und drehte sich um.

Der Advent / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt