Ich stapfte durch den tiefen Schnee, der sich auf den Gehwegen aufgetürmt hatte. Die dicken Schneeflocken fielen vom Himmel und legten die Welt in ein wunderschönes Weiß. Es war gerade mal früher Abend, jedoch schon Dunkel. Nur bunte Lichter erhellten die Straßen. Zu hören war das Knirschen unter meinen Schuhen oder unter Schuhen von anderen Menschen, die sich in ihre Jacken gekuschelt hatten, Glühwein in der Hand hielten und sich auf dem Weihnachtsmarkt unterhielten. Es roch unfassbar gut. Nach Glühwein, waffeln und anderem Gebäck. Auch nach Bratwurst, wenn man am richtigen Stand vorbei lief. Hören tat man friedlichen Gesang eines Chors und das Klimpern einer hellen Glocke. Ich liebte die Weihnachtszeit. Nur würde ich sie viel mehr lieben, wenn ich sie mit jemanden verbringen könnte, den ich noch mehr liebte.
(...)
Ich warf meinen Mantel über den Kleiderhacken, wickelte den Schal von meinem Hals und zog die Mütze vom Kopf. Der Schnee, der auf mich gefallen war, rieselte zu Boden. "Manuel?" Es war mein Mitbewohner und bester Freund Claus, der mich rief. "Ja!" Schnell schlüpfte ich aus meinen Schuhen, stellte sie vor die Heizung und ging ins Wohnzimmer, wo Claus auf seinem Sessel saß, die Füße hoch gelegt hatte und den Laptop auf dem Schoß trug. Der Fernseher lief leise vor sich hin. Auf dem Tisch standen zwei halb abgebrannte Kerzen und der Kamin loderte schwach. "Du hast es dir hier ja richtig gemütlich gemacht", sagte ich und ließ mich auf das Sofa fallen. Zeitgleich griff ich nach der grauen Decke, die ich mir auf den Körper legte. "Man muss die Wärme schließlich genießen. Draußen ist es so grau, das ist fürchterlich." Claus klappte den Laptop zu und stellte diesen auf den Boden, neben ihn. "Warst du auf dem Markt?" Er strich sich sein Haar hinter sein Ohr. "Oh, stimmt. Warte." Ich hatte seine gebrannten Mandeln ganz vergessen. Schnell lief ich zu meinem Mantel und holte die kleine Tüte aus der Tasche heraus, wo die Mandeln drin sind. Diese brachte ich dann zu Claus.
Als ich ihm die Mandeln zwischen die Beine warf, stürzte er sich auf sie und leckte sich dabei gierig die Lippen. "Du bist echt der Beste." "Danke, ich weiß", schmunzelte ich zurück. Dann setzte ich mich wieder auf meinen Platz, wickelte mich in die Decke ein, stellte den Fernseher lauter und schaute die Nachrichten, während ich das Rascheln und die Kaugeräusche von Claus wahrnahm.
(...)
Claus stand bibbernd neben mir. "Ich habe die Schnauze voll von dem Wetter." Schnell zog er sich seine Mütze noch tiefer ins Gesicht. "Besser, als wenn es die ganze Zeit regnet", meinte ich leicht launisch. Ich fand es schade, dass er den Winter und die Weihnachtszeit so runtermachte. Für mich war es die schönste Zeit des Jahres. Nicht nur, weil ich meine Familie wiedersah. Sondern auch, weil alles so schön und sinnlich war. "Wieso muss ich denn überhaupt mitkommen?", stöhnte Claus nun. "Weil wir schließlich zusammen wohnen und ich nicht alleine entscheiden kann, was wir uns an den Baum hängen." Gereizt über seine schlechte Laune, wendete ich meinen Blick ab und schaute die Straße runter, in die Richtung, aus der der Bus kam. Und zum Glück erkannte ich im Schneegestöber seine Lichter.
Im Bus war es warm. Claus seine Nase und Wangen wurden ganz rot, als er sich wieder aufwärmte. Und als wir dann wieder aussteigen mussten, war es kälter als zuvor. "Denkst du im Baumarkt gibt es tragbare Heizungen?" Claus sah mich fragend an, während wir nebeneinander über den freigeschippten Fußgängerweg gingen. "Musst du nachfragen." Ich grinste. Wie bescheuert das wohl aussehen würde, wenn Claus mit einer Heizung herumlaufen würde. "Klemm dir doch einfach eine Wärmflasche unter die Jacke", schlug ich dann vor. Claus schnaufte. "Dann sehe ich dick aus." Ich musste lachen. Das würde dennoch weniger bescheuert aussehen, als eine Heizung.
Wir betraten den Parkplatz vom Baumarkt und gingen geradewegs zum Eingang. Neben dem Eingang war schon ein kleiner Bereich abgesperrt, wo ein alter Mann Weihnachtsbäume verkaufte. "Wann holen wir unseren?", fragte ich Claus. Er verfolgte meinen Blick, zuckte dann aber mit den Schultern. "Es ist gerademal der Erste. Bis Weihnachten ist der vertrocknet, wenn wir den jetzt kaufen." "Du hast recht." Eigentlich mochte ich es, wenn der Baum früh da war. Aber jetzt war es wirklich noch zu früh.
Wir standen in der Weihnachtsabteilung. In unserem Einkaufswagen hatten sich schon zwei Lichterketten, ein paar Kerzen und ein silbernes Aufsteckteil, welches man auf die Spitze des Baumes steckte, eingefunden. Gerade suchte ich nach schönen Kugeln, die wir an den Baum hängen konnten. Claus war auf der Suche nach einer Pflanze für sich. Grübelnd lief ich durch die Gänge, doch fand nichts schönes. Entweder waren sie hässlich, in einer doofen Farbe oder aus Plastik.
Als ich gerade nach einer Packung Lametta griff, bemerkte ich einen Verkäufer. Er lächelte mich freundlich an. "Kann ich Ihnen helfen?" Seine braunen Augen glänzten mich freudig an, als wäre das hier sein erster Arbeitstag und sein erster Kontakt mit einem Kunden. Als dürfte er endlich was machen. Und zwar ohne aufseher. "Ehm, ich suche eigentlich ein paar Kugeln. Am besten welche, die nicht aus Plastik sind. Rot vielleicht. Oder Blau." Ich war mir selbst nicht sicher, was ich wollte. Oder besser, was Claus wollte. Er hatte mir nur gesagt, ich wüsste schon was ich tu. Nur kein Rosa. "Kommen Sie mit." Der Verkäufer drehte sich auf dem Absatz um und ging den Gang entlang, in den nächsten hinein. Ich folgte ihm auf dem Fuß. "Hier sind rote." Der Verkäufer bückte sich und holte eine Verpackung mit Kugeln heraus. "Sie sind aus Glas." Ich sah sie mir an. Einige waren glänzend. Andere wiederrum Matt oder mit glitzer versehen. Ich fand sie hübsch. "Die sind echt toll." Ich lächelte den Verkäufer an und nahm ihn die Packung aus der Hand. "Brauchen sie noch Hilfe?" "Ehm ne, ich glaube nicht." Der kleine Mann lächelte. "Gut. Dann, schöne Adventszeit." Er drehte sich um und ging weg. Ich sah dem Mann hinterher. Ich war etwas Fassungslos, dass er auf Anhieb das gefunden hatte, was ich gewollt hatte. Das er so hilfsbereit war und freundlich. Die Meisten Verkäufer waren nicht so. Nur schnell helfen, wenn es sein musste. Und dann dabei eine Fresse ziehen, wie drei Tage Regenwetter.
"Du hast was gefunden?" Claus kam mit dem Einkaufswagen und fuhr gegen meinen Hintern. Augenverdrehend legte ich die Kugeln in den Wagen hinein. "Du auch." Ich musterte die zwei Kakteen, das Adventsstern Pflänzchen und eine kleine Palme. "Ja, so ein Bursche hat mir geholfen. Und dann habe ich die Kakteen gesehen und brauchte Ewig, um mich zu entscheiden." Claus lächelte auf die Pflanzen herab. Bestimmt der selbe Mann, der mir auch geholfen hatte. "Lass uns bezahlen. Ich glaube wir haben alles." Zusammen gingen wir, nachdem wir nochmal alles geprüft hatten, zur Kasse. Es waren zwei offen. Bei der einen saß eine blonde Dame. Bei der anderen der Mann, der mir geholfen hatte. Stirnrunzelnd stellte ich mich bei ihm an. Als würde er mich verfolgen, dachte ich. Doch schlimm fand ich es nicht. Er sah gut aus, da wollte man einen Blick nicht verwehren.
Claus stellte seine Sachen zuerst auf das Band. Ich fragte mich wirklich, wie er das Alles nach Hause schleppen wollte. Meine legte ich danach rauf. Ebenso ein Stoffbeutel, wo ich alles reinsortieren konnte. Claus bezahlte. Ich starrte die ganze Zeit den Verkäufer an. Wie sich seine schmalen Lippen bewegten, als er den Preis nannte, den Claus bezahlen musste. Zwanzig Euro und fünfundvierzig Cent. Dann war ich dran. Ich räumte die Deko in die Tüte. Ich las währenddessen sein Namensschild. P. Mayer. Wie er wohl mit Vornamen hieß? "Das macht dann dreißig Euro Vierundsiebzig." Ich kramte mein fünfziger aus meinem Geldbeutel und reichte sie ihm. Seine Hände waren wunderschön. Er nahm das Geld aus meiner Hand, wechselte es und reichte es mir. "Schönen Tag noch", lächelte er mir zu. "Gleichfalls." Ich drehte mich weg und ging mit Claus zusammen aus dem Geschäft.
P. Mayer. Paul, Philipp, Patrick, Phineas, Pascal, Peter. "Hilfst du mir?" Claus drückte mir die Palme in die Hand. Fast wäre mir die Tüte runtergefallen. "Danke." Er lächelte mich an. "Immer zu viel kaufen", murrte ich, lachte aber anschließend. Claus stimmte in mein Lachen ein und zusammen gingen wir zum Bus, der uns nach Hause brachte.
Abends lag ich dann im Bett und dachte über den Verkäufer nach. Ich wollte ihn wiedersehen. Ich wusste nicht wieso, aber sein Aussehen hatte mich angesprochen. Unwahrscheinlich, dass er ebenso auf Männer stand. Und es käme sicherlich komisch, wenn ich ihn fragen würde, ob er Lust hätte, mit mir auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Aber mehr als eine Abfuhr konnte ich nicht bekommen. Und wenn ich eine bekommen würde, würde ich den Laden halt nie wieder betreten und hoffen, P. Mayer niemals auf der Straße zu begegnen. Lächelnd drehte ich mich auf die Seite. Also würde ich morgen wohl oder übel eine zweite Packung Kugeln kaufen gehen müssen.
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Das erste Türchen ist geöffnet. Leider so spät, da ich den ganzen Tag unterwegs war und nicht wirklich Zeit hatte, mich darum zu kümmern.
Nun seit ihr an der Reihe, Ideen für das zweite Türchen in die Kommentare zu schreiben. Ich werde mir, bis morgen Nachmittag, ideen raussuchen und das zweite Kapitel schreiben.
Ich hoffe ihr macht mit und es gefällt euch. <3Lg. Mula
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Der Advent / Kürbistumor
Fiksi PenggemarHier entsteht vom 01.12.2018 bis zum voraussichtlichen 24.12.2018 ein Adventskalender. Der Adventskalender wird von euch, den Lesern, gestaltet. Ihr bringt Ideen, Dialoge etc. ein und ich werde es in die jeweiligen Kapiteltürchen einbringen. So ents...