8|Störenfriede und Lebkuchenmänner

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6. Dezember 

Ein Klingeln riss mich fast schon aggressiv aus meinem eher leichten Schlummerchen und ließ mich grummeln, mit zerzaustem Haar aus meinen Decken hochschrecken.

Ich erwartete keinen Besuch. Maximal den Nikolaus, aber ich bezweifelte, dass der an Türen klingelte. Jedem anderen potenziellen Besucher hatte ich ausdrücklich untersagt, auch nur in meine nähere Umgebung zu kommen, wenn er nicht riskieren wollte, über den Weihnachtsurlaub krank zu werden. Und bisher hatte es auch jeder getan.

Es gab auch nicht wirklich etwas Schönes zu sehen, wenn man mich aufsuchte. Eine verschnupfte Nase, krankhaft blasse Haut, die mit kaltem Schweiß bedeckt war und fettige Haare, die sich zu einem Nest auf meinem Kopf gebildet hatten.

Das einzige, was noch einigermaßen in Ordnung an meinem Auftreten war, war der süße Pyjama mit den kleinen Lebkuchenmännern drauf und meine dicken, roten Kuschelsocken, die ich normalerweise an kalten Tagen vor meinem geschmückten Kamin trug.

Nun dienten sie mir auch an einem kalten Tag, immerhin war die Temperatur draußen mittlerweile unter dem Gefrierpunkt, aber sie waren noch eher dafür da, um mich durch diese lästige Krankheitsphase zu leiten und mir mit ihrer Flauschigkeit etwas Trost zu spenden.

Es klingelte erneut und ich dachte darüber nach, wieder ins Bett zu fallen und es zu ignorieren. Aber als es scheinbar gar nicht mehr aufhörte, gab ich mich der hartnäckigen Nervensäge geschlagen und rappelte mich schlapp auf.

Mit schlurfenden Schritten schleppte ich mich zur Tür und nahm mir vor, den Störenfried mit meinem Anblick zu verschrecken, sodass ich wieder schlafen gehen konnte. Doch als ich die Tür öffnete und aus meinen müden Augen den Kerl anstarrte, schien mein Plan zu zerfallen.

»Hi, ic- Oh wow, du siehst scheiße aus!«, platzte es aus meinem Gegenüber raus und ich ließ meine Schultern noch ein Stück weiter sinken.
»Danke. Das war das, was ich hören wollte.«, sagte ich gekränkt und knallte die Tür wieder zu.

Ich wusste nicht, was mein Schicksal von mir wollte, welche Streiche es mir spielte, aber ich wusste eins. Es ging mir auf die Nerven. So dermaßen, dass ich darüber nachdachte, mich einfach über Weihnachten einzusperren und mich solange nicht mehr blicken zu lassen, bis die Welt mich vergessen hatte.

Es klingelte erneut. Ich öffnete nicht. Was auch immer Coda hier verloren hatte, er würde es nicht finden. Er sollte verschwinden und mich in Ruhe lassen, damit ich mein normales Leben wieder weiterführen konnte, wie gewohnt. Was war daran so schwer zu verstehen?

»Kimmy, mach die Tür auf! Bitte! Es war nicht so gemeint!«, hörte ich seine Stimme durch die Tür, doch ich blieb stur und ließ mich auf meinen Sessel fallen.
»Geh weg!«, krächzte ich mit schmerzendem Hals.
»Ich bin extra hierhergekommen, bitte mach auf.«, flehte er beinahe und ich hob spöttisch meine Augenbrauen. Ja, es war in der Tat eine grandiose und sehr anstrengende Reise von seinem Haus aus, welches eine Stadt weiter gelegen war, bis hier her zu meiner Wohnung. Das konnte ich nicht leugnen...

»Ich weiß nicht, was du hier willst, aber ich weiß, dass du gehen solltest. Und übrigens, ich heiße Callie!«, rief ich zurück und fing direkt an zu husten. Keine gute Idee, hier rumzubrüllen.

»Ich brauche deine Hilfe!«
Das ließ mich verstummen. Zwar war es ein sehr komisches Gefühl, meinen Husten zurückzuhalten, aber ich musste sicher sein, dass ich es richtig verstanden hatte.

»Was?«
»Ich brauche deine Hilfe.«, wiederholte er mit genervtem Unterton und ich sprang von meinem Platz auf. Fast schon energetisch bewegte ich mich wieder zur Tür und öffnete sie neugierig.

»Mit was brauchst du Hilfe?«, stieß ich atemlos hervor und fing wieder an zu husten. Nach einigen Sekunden hatte ich mich wieder im Griff und schaute gespannt zu dem Drummer. Der hatte seine Hände in die Taschen seines Mantels gesteckt und schaute mich mit gerunzelter Stirn an. Tja, ich konnte meine Verfassung auch nicht ändern, er brauchte also gar nicht so starren.

»Kann ich vielleicht reinkommen? Es ist ziemlich kalt hier draußen und du bist anscheinend schon krank...«
Ich überlegte kurz und nickte dann etwas widerwillig, während ich die Tür weiter auf machte und ihm deutete, einzutreten. Er zögerte kaum, dann war er auch schon in der guten Stube und schaute sich neugierig um.

»Gibt es einen bestimmten Grund, wieso du für Hilfe zu mir kommst? Und überhaupt... wie zur Hölle weißt du, wo ich wohne?«, fragte ich fast ohne Stimme und schaute ihn ahnungslos an. Er drehte sich zu mir und zuckte unschuldig mit den Schultern.

»Elena hat es mir gesagt.«
»Und wie um Himmels Willen kommst du dazu, meine beste Freundin zu fragen?«
»Sie hat mich seit dem Video zugetextet und mir immer wieder gesagt, dass ich sie markieren soll und das konnte ich schlecht übersehen, da habe ich ihr eben zurückgeschrieben und sie hat mir freiwillig die Adresse gegeben.«

»Schon klar. Wie hat sie dich erpresst?«, fragte ich, bereits wissend, dass El nicht einfach so eine Gelegenheit der Überlegenheit verstreichen lassen würde.
»Es sind möglicherweise Tickets für unser nächstes Konzert in New York dabei rausgesprungen«, beichtete Coda und ich seufzte. War ja sowas von klar.

»Also schön, nun zu der anderen Frage. Wieso bist du hier?« Ich entschied mich, ins Wohnzimmer zu gehen und mich in meinem Sessel in eine Decke einzukuscheln. Coda folgte mir und ließ sich auf der Couch nieder. Sein Blick verharrte für einige Augenblicke auf dem wunderschönen Weihnachtsbaum neben meinem Fernseher, doch er wendete sich zügig zu mir.

»Wie gesagt, ich brauche deine Hilfe.«
»Soweit war ich jetzt auch schon.«, meinte ich sarkastisch und rollte meine Augen, auch wenn selbst diese kleine Geste unheimlich weh tat. Allgemein schmerzte alles an meinem Körper, aber da musste ich jetzt wohl durch.

»Du bist mit Abstand der größte Weihnachtsfanatiker, den ich in letzter Zeit getroffen habe, deshalb bist du gerade meine einzige Hoffnung und die einzige Idee, die mir eingefallen ist.«

Ich wartete gespannt, was kommen würde, doch auf seine nächsten Worte, war ich nicht vorbereitet.

»Ich brauche dich, als mein Date.«

King of ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt