Drei

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Nathaniel. Nathaniel?!
Carters Hand war sofort auf Allies Schulter, bevor sie auch nur in Panik verfallen konnte. Mit zitternder Hand griff Allie nach Carters Hand.
"Was soll das?", Fragte Isabelle laut, "Wie kann er es wagen, uns einfach zu mailen?"
Dom warf Raj einen Blick zu, der zu sagen schien: Soll ich sie öffnen?
Aber Rajs Blick wanderte zu Allie, die versuchte Ruhe zu bewahren und tief einatmete. Dann nickte sie und sie hörte das Klicken von Doms Maus, als sie die Mail von Nathaniel anklickte. Doms Blick huschte über die erste Zeile und blieb hängen. Dann drehte sie den Laptop schweigend zu Allie. Die schwarzen Buchstaben hoben sich von dem grellweißen Hintergrund ab. Es waren nur zehn Buchstaben, die Allies Herz zum Stocken brachten.

Lady Alyson,

Carter entfuhr ein Fluch, als er die beiden Worte las und Allie blickte sie erst für einige Momente an, dabei zählte sie ihre Atemzüge. Es waren drei, bis sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Natürlich, natürlich, benutzte Nathaniel den Titel, den Lucinda ihre vermacht hatte, den Titel, den er selbst haben wollte. Es kostete sie einiges, weiter zu lesen und sich nicht in Carters Armen zu vergraben. Der Krieg war vorbei! Aurora blühte, so wie ihre Zukunft, und Allie wollte es niemals wieder so weit kommen lassen, wie es vor einigen Jahren geschehen ist.

Seit unserem letzten Zusammentreffen sind jetzt schon einige Jahre vergangen und wie man so mitbekommt, floriert dein Geheimbund. Du hast Orion die Zügel aus der Hand genommen, ein schlauer Schachzug, wirklich, aber jetzt musst du dich den wahren Bürden deiner Position stellen.

Allies Blick löste sich von dem Bildschirm und sie spürte eine altbekannte Wut in sich aufsteigen. Es war so typisch, dass Nathaniel selbst in einer E-Mail schwafelte. Aber was wollte er? Wollte er ihr drohen? Sie las weiter.

Aurora ist nicht allein auf dieser Welt, es ist jung und unbeholfen, aber trotzdem jeder Gefahr ausgesetzt, und genau das passiert jetzt. Eine Gefahr nähert sich aus dem Westen.

Wenn du mehr darüber erfahren willst, dann wähle doch die Telefonnummer, die unter der Mail steht.

Die Wut, die gerade eben nur angefangen hatte, zu steigen, blubberte jetzt wie in einem aktiven Vulkan. Ohne ein Wort stand Allie auf und verließ Isabelles Büro mit einer steinernen Miene. Nicht schon wieder, nie wieder, das hatte sie sich geschworen, würde jemand bei einer Angelegenheit der Geheimbünde sterben. Die Tränen, die ihr vor Wut die Wangen hinabrannen, bemerkte sie erst, als sie Carters Hand um ihr Handgelenk spürte. Sie drehte sich zu ihm um und blickte ihm in seine sanften Augen, als sie in Tränen ausbrach. Allies Kopf lag an Carters Brust, das Schlagen seines Herzens war ein langsamer Rhythmus, den Allie nur zu gern teilen würde, aber ihr Herz raste, ihre Gedanken rasten, ihre Hilfslosigkeit raste.

"Ich kann das nicht.", flüsterte sie mit gebrochener Stimme, als ihr Schluchzen abklang, "Nicht noch einmal."

Der Schmerz in ihrer Stimme ließ Carter seine Arme noch stärker um Allie schließen. Er wollte sie vor Nathaniel beschützen, er wollte sie nicht diesem Schmerz aussetzen.

"Das wirst du nicht tun müssen. Es wird niemals so weit kommen, wie früher.", versprach Carter flüsternd und strich Allie sanft über das Haar, bevor er sein Gesicht darin vergrub.

Für ewige Minuten war es still in dem einsamen Gang, bis Carter sich langsam von Allie löste und seine Stirn an ihre legte. "Wir werden das schaffen, wir werden niemanden verlieren. Zusammen."

Allie genoss diesen kurzen Augenblick des Friedens, aber dann kehrten ihre Gedanken zu den Zeilen von Nathaniel zurück und schweren Herzens trat sie einen Schritt zurück. "Sollen wir Isabelle Bescheid sagen?", fragte sie.

Aber Carter schüttelte den Kopf. "Lass uns einfach ins Bett gehen. Zu dir oder zu mir?"

Diese Frage entlockte Allie dann doch ein kleines, müdes Lächeln. "Zu dir, dein Zimmer ist immer noch größer als meins." Carter lachte leise und nahm Allies Hand, als die beiden die breite Treppe hoch stiegen. Anders als an einem anderen Tag trennten sie sich aber nicht in der Mitte, sondern gingen eng beieinander zu Carters Zimmer.

Night School - Du musst verzeihenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt