Acht

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Die Sonne schien durch das dichte Blattwerk und verlieh allem Tupfen aus Schatten und Licht.

Das Licht fiel wärmend auf Allies nackte Schultern. Sie träumte.

"Und du bist dir sicher, dass er dich betrügen wird?", Fragte Jo.

Allie schnaubte und schaukelte mit den Beinen. "Natürlich. Es ist Nathaniel. Wann hat er uns jemals nicht belogen?"

Jo musterte Allie eine Weile, das weiße Kleid flatterte leicht in der Sommerbrise, die durch die knorrigen Äste der Eibe wehte.

"Niemand weiß das besser als ich", meinte Jo säuerlich und zog die Nase kraus, "aber es wäre dämlich ihn einfach zu ignorieren."

Allie träumte wieder von Jo. Nach den Ereignissen der letzten Tage war das kein Wunder.

Sie saßen in der Eibe an der Kapelle, an einem beindruckend wunderschönen Tag. Die Gräber gepflegt und der Himmel blau, das änderte allerdings nichts an der miesen Laune, die Allie hatte.

"Ich weiß, ich weiß. Aber findest du nicht auch, dass es kein Zufall sein kann?", Räumte sie ein.

Jo lachte ihr klirrendes Lachen. "Glaubst du irgendwas von alledem passiert aus Zufall? Darling, in dieser Welt gibt es so etwas nicht."

Nachdenklich ließ Allie den Blick über den Friedhof gleiten. Jetzt waren es schon drei enge Freunde, die ihr geraten hatten, sich zumindest anzuhören, was Nathaniel zu sagen hatte.

"Sicher?"

Jo nickte ernst. "Nathaniel darf nicht einfach allein sein Ding machen, sonst wird er vollends wahnsinnig."

"Und wenn schon", meinte Allie trotzig, "ist ja nicht so, als hätte er es nicht verdient."

Entgegen ihrer Erwartungen, stimmte Jo ihr nicht zu. 

"Als du deine Großmutter verloren hast, hat auch er jemanden verloren und am Ende hat er alles verloren."

Vergebung. Sie will, dass ich ihm vergebe, schoss Allie durch den Kopf.

"Du glaubst doch nicht, dass er einfach ein Teil von uns werden kann, oder?!", Platzte sie heraus.

Jo schüttelte den Kopf. "Niemals. Seinetwegen bin ich auf einer beschissenen Straße erstochen worden", sie rümpfte die Nase, "und ich sah echt übel aus."

"Und was soll ich dann machen?", Fragte Allie. Sie suchte nach Antworten, sie verzehrte sich nach ihnen.

Jo musterte sie wieder und blieb zunächst stumm.

Stille legte sich über den Friedhof, als die Brise zu einem Wind wurde.

"Tue das Richtige. Sonst endest du wie ich", sagte Jo. Unheilsschwanger lag der unverkennbare Kupfergeruch nach Blut in der Luft.

Auf Jos weißem Kleid breitete sich der roter Fleck aus. Dunkel sog sich der Stoff voll, doch Jo ließ Allies Blick nicht los.

"Du darfst jetzt nicht verlieren, nicht nach allem was schon geschehen ist."

Die Sicht wurde schwammig, undeutlich, als läge ein plötzlicher Nebel im Friedhof. Doch der Geruch wurde stechender.

Allie tastete nach dem Stamm der Eibe, aber da war nichts. Auch der Ast, auf dem sie schon unzählige Male gesessen hatte, war verschwunden.

"Jo?"

Da war nichts. Nur undeutliche Dunkelheit.

"Jo?!", Rief Allie lauter.

Da spürte sie es.

Sie fiel.

Ihr Haar flatterte um sie herum, die Luft zog an ihrem Rock und Allie ruderte mit den Armen um nach irgendwas zu greifen, aber über den Schlag ihres Herzens war nichts anderes zu hören.

Sie schrie. Sie schrie nach Hilfe, sie schrie Carters Namen, aber niemand antwortete.

Oh Gott, bitte lass das alles enden.

Ein Ruck durchfuhr sie, wie ein Aufschlag, und er katapultierte ihr Bewusstsein zurück in die Wirklichkeit.

"Allie!", Carter schüttelte Allie an den Schultern, "Komm zu dir!"

Verschwommen sah Allie das dumpfe Licht des Mondes durchs Fenster scheinen. Es fiel auf den Schreibtisch und die weiße Wand.

Ihr Herz klopfte immer noch. Sie holte tief Luft und ließ sich von Carter in eine aufrechte Position helfen.

"Was war?", Fragte Carter, nachdem sie kurz geschwiegen hatten.

Allie sah weiter die Wand an.

"Ich hab von Jo geträumt."

"Und? Was hat sie gesagt?"

Sie wandte sich Carter zu und seufzte. Sie griff nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger ineinander. Natürlich würde Carter ihr glauben, er hatte diese Träume selbst, und Allie vertraute ihm ja auch. Aber war es schon an der Zeit, ihre Überlegungen offenzulegen?

"Sie findet, dass das alles kein Zufall sein kann", Fing Allie an, "und dass ich das Richtige tun muss."

Carter hörte ihr aufmerksam zu, bevor er sich neben sie an die Wand setzte, sodass sie beide die Wand anstarrten.

"Du hast wieder geschrien und es war echt beängstigend, meinen Namen so aus deinem Mund zu hören", meinte er.

Allie lehnte sich an ihn, bevor sie die Augen schloss. Ein, zwei, drei Herzschläge später seufzte sie.

"Wirst du tun, was sie vorgeschlagen hat?", Fragte Carter.

"Sie hat mir ja nichts vorgeschlagen. Nur diese kryptische Aussage. Das Richtige, was ist das? Ein Rätsel?" Allie war wütend. Wieso musste alles immer so kompliziert sein?

"Dann lass uns morgen darüber nachdenken. Oder eher in ein paar Stunden, Isabelle und Raj werden auch Ideen haben", schlug Carter vor.

Zustimmend gähnte Allie. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 07, 2020 ⏰

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Night School - Du musst verzeihenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt