Das schwarze Ende

38 5 0
                                    

Pia:

Ich stieg aus unserem schwarzen Rolls Royce. Mit einem Knall war die Tür zu und der Chauffeur fuhr wieder weg. Ich schmiss meine Haare über die Schulter und stolzierte auf meinen rosaroten High Heels zu unserem Schulgebäude. Es war die beste Schule weit und breit. Dort angekommen, kam auch schon gleich Tomoko angerannt. Ich benutze sie als Freundin. Sie hatte ja sonst keine. Und die coolen Girls, Ashley und Amber, hatten meine Qualitäten noch nicht erkannt. Selbstverständlich werde ich Tomoko links liegen lassen, wenn Ashley und Amber mich endlich entdeckt haben würden.

"Pi, endlich bist du da. Sam sieht heute nämlich wieder besonders gut aus", erstatte sie mir sofort Bericht. Ich hatte das irgendwann mal angefordert. Schließlich ging es ja nicht, dass ich nicht wusste wie mein derzeitiger Schwarm aussah.

"Mein gut oder dein gut?", fragte ich abfällig. Laut ihr sah nämlich auch Thomas Sangster gut aus. Der geht absolut gar nicht. Der ist so hässlich!

"Dein gut natürlich", sagte sie. Hatte sie da etwa einen beleidigten Unterton? Das ging nun wirklich nicht. Noch so eine Bemerkung und die Freundschaft wäre gelaufen.

"Dann ist ja gut." Ich fing an von meinen zwei Lieblingsthemen zu reden: Sam und von mir selbst. Etwas Besseres gab es einfach nicht. Ich war gerade dabei, mein erstes Mal mit Sam auszumalen, als Tomoko laut aufkreischte.

"Was ist denn?", fragte ich unwirsch. Sie unterbrach mich nie. Wirklich ungezogen. Doch als ich mich zu ihr umdrehte, ging sie nicht mehr neben mir, sondern rannte gerade über den halben Schulhof.

"John?", rief sie ungläubig.

"Tomoko?"

Dann fielen sich die Beiden in die Arme. Nun war es klar: Tomoko war mit diesem John zusammen. Eindeutig! Sie redeten aufgeregt mit einander und gestikulierten wild. Da nickte Tomoko in meine Richtung. Dies war wohl das Zeichen für meine Auftritt. Ich setzte mich mit einem koketten Hüftschwung in ihre Richtung in Bewegung. Dort angekommen stellte ich mich direkt vor, obwohl Tomoko gerade redete. Mir wurde gutes Benehmen beigebracht und die erste Regel dieses Benehmens war, dass ich das wichtigste auf der Welt bin und kein anderer etwas zu sagen hatte, wenn ich reden will.

"Ich bin Pia und du?" Ich wollte ihm erst meine Hand geben, doch da fiel mir auf wie er gekleidet war. Schnell ließ ich meine Hand wieder sinken. Er sah aus wie ein ... Nerd. Igitt.

"Hi, Pia. Ich bin John. Toms Freund." Er nahm doch tatsächlich einfach meine Hand und schüttelte sie. Nicht mal einen Handkuss gab er mir.

"Tom?", fragte ich entsetzt. Der war doch tatsächlich schwul. Ich riss meine Hand aus seiner. Mit Schwulen will ich nichts zu tun haben!

"Ja, Abkürzung von Tomoko. Bist du da etwa nie draufgekommen? Das bietet sich doch sofort an. Bei dem Namen." Er grinste vergnügt vor sich hin. Ich atmete erleichtert auf. Kein Schwuler.

"Achso", lachte ich gequält und zog Tomoko am Arm von ihm fort.

"Woher kennst du Nerds?", zischte ich. "Das ist doch ekelhaft." Ich schüttelte mich.

"Nicht so wichtig", murmelte sie und ich konnte wieder von mir und Sam reden.

"Pia, kannst du heute nach der Schule zum Busch hinter der Turnhalle kommen? Ich muss mit dir reden!"

Das war doch tatsächlich Sams liebliche Stimme. Ich unterdrückte ein Kreischen.

"Natürlich", nickte ich und spielte mit einer Haarsträhne

"Gut."

Dann war er auch schon so schnell verschwunden wie er aufgetaucht war. Ich griff Tomokos Hände und hüpfte aufgeregt auf und ab. Entzückt kreischte ich auf.: "Endlich hat er mich wahrgenommen. Ich werde dir morgen erzählen wie unser echtes erstes Mal war!"

Tomokos Reaktion fiel zwar nicht so aus wie gewünscht, aber bei so einem Freund wie John konnte man natürlich verstehen, dass sie neidisch auf mich war.

Jetzt passte auch die strahlende Sommersonne zu meiner Stimmung. Voll und ganz.

Aufgeregt erwartete ich das Ende des Schultages. Ich schlich mich, unter dem Vorwand auf Toilette zu müssen, aus dem Unterricht. Natürlich benutzte ich diesen verdreckten Abklatsch eines Klos nicht - Toiletten gehören golden! -, sondern machte mich lieber hübsch. Für Sam.

Aus dem Spiegel blickte mir das welthübscheste Mädchen entgegen. Ich hatte blonde, lange Haare, wunderschöne volle Lippen, große, glitzernde blaue Augen. Natürlich hatte ich unter meinem Crop Top mit rosa Rüschen den Busen. Die High-Waste-Shorts verdeckte nur knapp mein Popöchen.

Ich legte barbiepinken Lippenstift auf, zog den tiefschwarzen Eyeliner nach und musste, weil das Rouge immer wieder abging, auch noch etwas Rouge nach schminken.

Nach langem Kramen fand ich endlich mein Sprühdeo. Ich sprayte schnell die übliche Dosis unter meine Achseln und machte mich auf die Suche nach meinem Parfüm. Um die ekelhafte Deo Wolke zu übertünchen, benutzte ich mehr als üblich. Mhm. Wie das duftete. Himmlisch.

Ich konnte das Treffen mit Sam einfach nicht mehr abwarten und ging deswegen sofort zu unserem Treffpunkt, hinter der Turnhalle, abseits des Schulgeländes. Den Rest der Stunde konnte ich ruhig verpassen. Ich musste erst einmal über den Stacheldrahtzaun klettern, dann war ich bei dem Busch, wo Sam schon auf mich wartete.

"Hey, Sam", sagte ich mit einem verführerischen Augenaufschlag. Er sah wie jeden Tag einfach nur zum Anbeißen gut aus. Seine längeren schwarzen Haare waren verwuschelt und standen in alle erdenklichen Richtungen ab. Seine eisblauen Augen hafteten erwartungsvoll auf mir. Die üblichen, weißen Over Ears hingen lose um seinen Hals und die Kapuze des schwarzen, weiten Hoodies war ausnahmsweise mal nicht aufgesetzt. Das muss einfach ein Zeichen sein Er saß an ein Brett angelehnt. Dieses lehnte gegen den Stacheldrahtzaun.

"Pia", sagte er kurz und knapp mit seiner vollen Stimme. Er nickte mir zudem auch noch zu.

Zeichen über Zeichen. Eindeutig!

Ich wollte mich neben ihm niederlassen, doch da stand er auf.

"Willst du mit mir zusammen sein?", fragte er plötzlich und sah über meine Schulter hinweg.

Völlig überrumpelt starrte ich ihn an.

"Du ... ich ... ein Paar? Natürlich!" Ich flog ihm förmlich in die Arme.

"Oh, Sam. Ich dachte du fragst nie", flüsterte ich ihm verführerisch ins Ohr.

"Falsch gedacht", brummte er. Doch ich konnte das Grinsen förmlich hören.

Ich versuchte Sam zu küssen, doch da klingelte mein Handy. Es war der Chauffeur. Genervt nahm ich den Anruf entgegen.

"Ja?"

"Wo bleiben Sie? Sie müssen zu Ihrer Pediküre."

"Kannst du den Termin nicht verschieben?"

"Habe ich schon versucht. Der nächste wäre vor Weihnachten.

"NEIN! Ich komme."

Schnell drückte ich das Gespräch weg.

"Die Pediküre ruft, mein Schatz. Sehen wir uns morgen? Meine Handynummer hast du sicher."

Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und machte, dass ich zu meiner Pediküre kam. 

Lauter VerwirrungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt