Miyu

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„Was sollen wir machen, Chang?", hörte ich meine Mutter meinen Vater fragen. „Wir können Lia doch nicht einfach Michalsky ausliefern! Wenn die Kontrollgänge anfangen, ist sie 4 Tage alt! Und er hat versprochen, alle Säuglinge noch vor Ort zu ermorden. Mit dem Messer. Persönlich."

„Es tut mir zwar Leid es zu sagen, aber ich glaube, wir müssen Miyu schicken."

Das konnte nicht war sein. Sie liebten ein noch ungeborenes Baby mehr als ihre Tochter, die sie 13 Jahre lang aufgezogen hatten! Ich war ihre Tochter. Und ich ließ es mir nicht nehmen.

Wütend stapfte ich in die Küche.

„Denkt nicht, dass ich nicht über eure Pläne Bescheid weiß! Schickt mich ruhig weg! Ich finde auch so einen Weg, um zu überleben! Macht euch da keine Mühe", schrie ich sie an.

Meiner Mutter fiel die Kinnlade herunter und aus den Augen meines Vaters kamen kleine Tränen.

Den habe ich es aber gezeigt.

„Schätzchen, es geht nun mal nicht anders. Sie werden das ganze Haus durchsuchen. Wenn wir dich in ein Waisenhaus stecken, wird es für niemanden gut sein. Sie werden dein leeres Zimmer hier finden und uns erpressen, ihnen zu sagen, in welches Waisenhaus wir dich gesteckt haben. Danach werden sie uns ermorden. Sie werden in das genannte Waisenhaus einmarschieren, die Betreuer und die Kinder töten. Und anschließend dich. Somit haben wir... warte...1, 2, 3, 4 5 6 , 7... viel mehr Tote, als wenn wir die gleich ins KZ schicken. Verstehst du das nicht?"

„Doch, Mama. Mama", spuckte ich verächtlich aus. „Wie kannst du nur so egoistisch sein. Dann geh ich halt. Auf Wiedersehen!"

In dem Moment, als ich die Tür aufmachte, standen 3 bewaffnete, weiße Männer im Türrahmen.

Ein rothaariger sagte zu einem blonden: „Was ein Service." Dann schritten die Männer herein.

Ich erschrak fürchterlich. Ein dunkelhaariger, stämmiger Mann beugte sich, soweit es ging, zu mir runter. Er war bestimmt um die zwei Meter groß. „Wen haben wir denn da? Wie heißt du?", fragte er mich. Die anderen beiden gingen auf „Entdeckungstour". Entdecken wollten sie noch ein Kind.

Der dunkelhaarige Mann hatte furchtbaren Mundgeruch. Ich lehnte mich zurück.

„Ähm, ich heiße Miyu. Miyu Wu. Ich bin 13 Jahre alt und ähm..."

„Das reicht", sagte der Mundgeruchsmann. Er spielte mit meinen Haaren. Das Gefühl, von einem Mann, der dich in eine Tötungsanstalt bringt, angefasst zu werden, war ziemlich widerlich. Deshalb schlug ich auf seine Hand und zischte: „Wag es nicht, mich noch einmal anzufassen!" Aus lauter Ekel holte ich aus der Küche ein Messer und schnitt mir die Spitze ab, die er angefasst hatte.

„Du kannst auch gleich alles abschneiden", unterbrach er mich. „Dein Kopf wird dir im Lager eh rasiert."

Das tat ich dann auch. Von meinen langen, schwarze Haaren waren nur noch schwarze Stoppel übrig. Und auf meinem Kopf waren ein paar kleine, blutende Wunden. Das ich auch die Küchenschere nehmen könnte, fiel mir leider zu spät ein.

Der Mundgeruchsmann wandte sich meiner Mutter zu.

„Es tut mir leid, ihnen sagen zu müssen, dass wir ihre Tochter Miyu leider mitnehmen müssen. Wie ich sehe, gibt es noch Nachwuchs", sagte er und schaute auf Mamas Bauch.

„Das dachte ich mir", antwortete diese.

„Eigentlich nehmen wir ja immer das jüngere Kind. Aber wir können ja schlecht ihren Bauch mitnehmen, oder?", fragte er und musste über seinen eigenen Witz lachen.

Er widerte mich an.

Jetzt. Später.

Als ich im Viehwagen saß, der mich und andere Kinder ins Vernichtungslager bringen sollte, immer noch.

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