Treffen und Betreffen | TEN

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Narzissa Malfoy trug ein schulterfreies, schwarzes Kleid, doch um ihren Hals bahnte sich ein grauer Schal, und sie trug eine schwarzes Strumpfhose. Sie wartete einige Augenblicke, bevor sie den großen Park betrat, in dem sie sich mit ihrem Sohn treffen wollte.
Zwei Monate mochten für manch einen kurz sein, aber für eine Mutter war es eine furchtbar lange Zeit. Außerdem hatte sie schon davor Zoff mit Draco gehabt. Dabei wollte sie nur, dass er glücklich war.
Verdammt, dieser Junge sollte glücklich sein!
Es war ihr egal wie, mit wem und mit welchen Bedingungen, Hauptsache er war endlich zufrieden.

Narzissa rückte ihren Schal zurecht, und marschierte in den Park. Sie ignorierte die mühsam aufgestellten Bucksbäumchen und die vielen Bänke. Sie kannte nur das eine Ziel; die runde Aufstellung mit Marmorsteinen, an denen Draco warten wollte.
Draco. Allein der Name ihres Sohnes ließ Tränen in ihren Augen aufquellen.
Narzissa hörte den Kies unter ihren Schuhen knirschen und als sie nur noch wenige Meter von der Abbiegung entfernt war, blieb sie stehen. Sie war bereit, sie wollte ihren Sohn wiedersehen und nach gefühlten zehn Jahren wieder in die Arme schließen.
Sie raffte sich auf, lugte um die Abbiegung und dann sah sie Draco auf einem Stein sitzen, und ihr Herz setzte einmal aus. Sie wurde überrollt von überwältigenden Muttergefühlen, als sie Draco dort sitzen sah, das blonde Haar zurecht gekämmt und sein gesamter Körper steckte in einem dunklen Trech-coat. Von weitem erkannte Narzissa eine Fluse auf seinem Mantel, und dieses Detail brachte sie dazu, in schnellen Schritten auf die runde Terasse zu gehen.
Sie blieb zwanzig Meter von ihm entfernt stehen, konnte nicht einen Schritt weiter gehen, und blieb schließlich regungslos.
,,Draco?", fragte sie leise, und hoffte die Worte hätten es durch den festen Wind geschafft. Sie hatten es.
Draco hob den Kopf, erkannte seine Mutter und stand auf.
Von dem Punkt an, war es Narzissa egal, was andere Leute dachten, sie lief schnell auf ihn zu; Draco öffnete seine Arme, und Narzissa legte ihre um den Rücken ihres Sohnes.
Es war anders, als wenn er jetzt nach Hogwarts gegangen wäre.
Es war, als wäre ein langer Kriegsbeil untergraben, eine weite Stille, die sich legte, als Draco den Mund öffnete.
,,Hallo, Mutter", sagte er. Er war so viel größer als sie.
Narzissa ließ ihn los und betrachtete ihn.
Er sah erwachsen aus, erwachsener als bei der Beerdigung ihres Mannes, seines Vaters, und es schien so, als würde sie ihn das erste Mal seit langem wieder richtig ansehen.
Seine Augen waren grau, wie ihre eigenen auch, aber - es steckte dort die verdammte Einsamkeit, die verdammte Traurigkeit.
,,Draco, Liebling", sagte sie leise.
,,Wie geht es dir?"
,,Gut", sagte Draco mechanisch; Narzissa merkte, dass er log.
,,Und dir?"
,,Jetzt gut", antwortete sie, und sie setzten sich beide auf einen Stein.
,,Es tut mir leid, was war-", sagte sie leise, sie schien es erklären zu müssen, aber Draco hob die Hand.
,,Es ist schon gut, Mutter", sagte er.
,,Wirklich, es ist schon gut."
Narzissa lächelte gequält. ,,Du bist so erwachsen, Draco", sagte. ,,Du bist so erwachsen."
Draco hob die Augenbrauen und verzog den Mund, als ihm seine Mutter durch die Haare fuhr.
,,Ich bin vierundzwanzig, Mutter."
Narzissa lachte, während Draco sein Haar richtete.
Narzissa öffnete den Mund.
,,Ich habe deinen Vater mit fünfundzwanzig kennengelernt, und wir waren kein Stück erwachsen."
,,Darüber wollte ich mit dir sprechen", sagte Draco schnell.
,,Hast du je etwas über Vater gelesen? Einen Nachruf, oder dergleichen?"
Narzissa legte die Stirn in Falten und schüttelte traurig den Kopf.
,,Nein, dein Vater war - vermute ich - nicht beliebt genug."
,,Nun, ich habe ein Angebot bekommen", sagte Draco; er log gewissermaßen.
,,Man hat mir gesagt, man würde einen Nachruf schreiben über ihn, aber man bräuchte meine Hilfe dafür."
Narzissa's Augen strahlten. Ein Nachruf und etwas Gutes über ihren Mann würden Draco vielleicht auch ein wenig glücklicher machen.
,,Wirklich? Das ist fantastisch, Draco."
,,Ich wollte wissen, ob ich- ob du das auch willst."
Narzissa legte ihrem Sohn die Hand auf seinen Arm.
,,Natürlich möchte ich das. Wer hat dich denn auf die Idee gebracht?"
,,Eine Patientin von mir. Sie meinte, sie hätte Beziehungen zum Tagespropheten."
,,Das ist eine Chance", sagte Narzissa und lächelte.
,,Das ist eine Chance zu zeigen, dass dein Vater nicht das schwarze Schaf war, dass alle von ihm glauben."
,,Eben", sagte Draco udn rang sich zu einem Lächeln durch.
Dieses Lächeln ging Narzissa durch Mark und Bein.
Es war ein kleines Zeichen des Glücks, bei ihrem tristen und traurigen Sohn.

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