Kapitel 7 - Jannis

522 39 0
                                    

Ich saß auf der Fensterbank unseres Zimmers und hatte den besten Blick nach draußen in den Schnee. Riesige Schneeflocken tanzen vor dem Fenster und machten mich müde. Ich verstand auf jeden Fall, was Charlottes Familie jedes Jahr wieder her trieb - diese Ruhe war atemberaubend. Langsam drohte ich allerdings an eben dieser zu ersticken und rappelte mich auf. In der Küche angekommen herrschte reges Treiben.

"Kann ich irgendwie behilflich sein?" fragte ich Charlottes Gran und bot ihr an, das Geschirrhandtuch an mich zu nehmen. "Jaaaaaaaaaaniiiiiiiiiiiiiis", kreischte Maddie "machst Du mit mir eine Schneeballschlacht?" Ich grinste sie an und sah zu Gran, der ich eigentlich gerade beim Abspülen helfen wollte. "Geht ruhig." sagte Sie gelassen und scheuchte uns mit dem Handtuch nach draußen. "In Ordnung, ich hole nur eben meine Handschuhe von oben." Ich zwinkerte Maddie zu und ging die Treppe wieder nach oben. Ich nahm zwei Stufen auf einmal und konnte durch das Geländer sehen, wie Maddie freudig im Kreis hüpfte und sich die Mütze über die Ohren zog. Zum Glück wusste ich noch, wo ich die Handschuhe zum Trocknen hingelegt hatte, denn im Zimmer lagen überall verstreut Charlottes Klamotten herum. Ich wollte gerade wieder runter gehen, als ich hörte, wie Charlotte auf dem Flur telefonierte. Es versetzte mir einen leichten Stich, als ich die Wortfetzen zusammen gereimt hatte. Allerdings hätte ich als ehrlicher Freund wohl enttäuschter sein müssen, als ich es in Wirklichkeit war. 

Sie kicherte leise in ihr Telefon. "Ist das nicht fantastisch? Endlich habe ich Wlan in dieser Hütte. Lass uns heute Abend skypen, was meinst Du? Ich muss Dir doch noch meinen hübschen neuen Bikini zeigen, den ich mir für unseren Strandurlaub gekauft habe. Was? Nein, den sehe ich nicht so häufig hier, die Hütte ist groß genug." sie schnaubte verächtlich "Baby, mach Dir keine Sorgen. Ich muss nun Schluss machen, ich rufe Dich heute Abend wieder an. Bye!" Eigentlich war Charlottes Untreue kein Geheimnis in unserer Clique, so hatte sie im vergangenen Sommer eine Affäre mit Ben und Chris, die beide nicht ganz verstanden, wie sie das auf die Reihe bekommen hatte. Beide hatten bis zur Enthüllung keine Ahnung von ihrem falschen Spiel gehabt. "Jannis, wo bleibst Du?", kreischte Maddie von der unteren Treppenstufe und ich hörte, wie sich die Badezimmertür schloss, hinter der Charlotte gerade verschwunden zu sein schien, denn als ich auf den Flur trat, war weit und breit nichts mehr von ihr zu sehen. Ob sie gewusst hatte, dass ich jedes Wort mithören konnte? Vermutlich nicht. Es wunderte mich nur, wieso sie mich ihrer Familie vorstellte, wenn sie es doch nicht ernst mit mir meinte. Aber was sollte ich schon sagen? Meinte ich es ernst mit ihr? Für ein paar Tage hatte ich tatsächlich gedacht, mir würde warm ums Herz werden, wenn sie in meiner Nähe war, doch diese Gefühle waren schnell vergessen gewesen. Ich hätte mich noch vor den Winterferien von ihr trennen sollen, so wäre ich jedenfalls nicht das neue Gespött der Schule gewesen - hätte mich dann allerdings jetzt mit der neuen Freundin meines Dads durchschlagen müssen. So oft wie Charlotte ihre Partner wechselte, würde ich schon bald kein Gesprächsthema mehr sein. Also war dies wohl doch angenehmer, als die Ferien zu Hause zu verbringen.

Wums. "Hey!" ich war noch nicht mal ganz aus der Tür getreten, als ich den Schneeball schon auf der Brust hatte. "Selber Schuld, wenn Du so lange brauchst. Schau mal, was ich in der Zeit schon vorbereitet habe!" Eins musste man Maddie ja lassen, sie wusste, wie man aus dem ödesten Tage etwas machte und so hatte sie in der Wartezeit schon eine große Schutzmauer aus Schnee geschaufelt und ein paar Schneebälle gerollt. Mir hatte sie auch schon einen kleinen Haufen gemacht, was mir ein Grinsen entlockte. Ich schnappte mir einen und warf ihn direkt an Maddie vorbei. Ich wusste, dass sie ganz aus dem Häuschen sein würde, wenn ich daneben warf und ich behielt recht. Sie hüpfte erfreut hinter die Mauer und fing an zu lachen. Im hohen Bogen kamen die Schneebälle auf mich zu gerauscht und ich musste zugeben, dass es mich etwas ins Schwitzen brachte, all diesen auszuweichen. "Maddie, Stop!" ich lachte und wischte mir trotz nassen Handschuhen einmal durchs Gesicht. "So habe ich doch nicht die leiseste Chance gegen Dich!" "Ich will ja auch gewinnen", rief sie hinter der Schneemauer hervor, lugte allerdings doch links daran vorbei, um mich zu mustern. Ich sah meine Chance und lief auf sie zu, sie fing an zu kreischen und versuchte mit ihren kurzen Beinen vor mir weg zu laufen. Ich hatte sie beinahe an der Kapuze, als sie nach Hanna rief. Ich weiß nicht wieso, aber als ich ihren Namen hörte, blieb ich so abrupt stehen, dass Maddie anfing zu lachen. "Ich wusste es", sagte sie nur und warf mir den Schneeball direkt ins Gesicht. "Ich hab Dich nur verarscht, Hanna ist nicht hier." Da ich sie nicht mehr sehen konnte, versuchte ich blind nach ihr zu tasten, um mich für den Schneeball zu revangieren, doch ich griff ins Leere. 

"Was ist denn hier los?", ich drehte mich um und tastete weiterhin ins Leere, bis ich einen Arm zum Greifen bekam. Ich zog an dem Arm und schmiss mich in den Schnee, wohl wissend, dass die andere Person mit mir auf dem Hosenboden landen würde. Maddie fing an zu lachen, allerdings hörte es sich für mein Empfinden eine Spur zu weit weg an. Ich rieb mir den Schnee aus dem Gesicht und sah, wer neben mir im Schnee lag. Hanna. Etwas perplex guckte sie mich an, fing dann aber an zu grinsen. Sie nahm so viel Schnee, wie sie in ihre Finger bekommen konnte und seifte mein Gesicht damit ein. Ich war machtlos, denn nun kam auch Maddie, und setzte sich auf meinen Bauch, sodass ich mich nicht wehren konnte. "Los Hanna, zeig es ihm!" 

"Okay, okay, ich gebe auf." sagte sich etwas später. Der Schnee lief mir mittlerweile in den Kragen und kühlte meine erhitze Haut gleich wieder herunter. Maddie und Hanna ließen beide von mir ab und halfen mir aus dem Schnee. Meine Hand kribbelte, als ich nach Hannas griff, um aufzustehen. Ich hielt diese wohl etwas zu lange, denn Maddie guckte mich vielsagend an. Ich räusperte mich und ließ beide los. "Vielen Dank ihr beiden. Allerdings war das wohl kein faires Match. Das schreit nach einer nächsten Runde. Allerdings brauche ich nun wohl erst einmal eine heiße Schokolade und eine noch heißere Dusche, um mich zu erholen." "Hanna, baust Du mit mir einen Schneemann?" hörte ich Maddie noch sagen und ging zurück zur Hütte. "Klar!" erwiderte Hanna. Als ich mich noch einmal zu ihr umdrehte, war Maddie schon dabei eine Schneekugel zu rollen. Hanna hingegen sah mir hinterher, ihre strahlenden Augen musterten mich von oben bis unten und irgendwie fand ich das Gefühl tatsächlich aufregend. Ich zwinkerte ihr zu und sah, wie sie verlegen grinste und sich umdrehte. Vielleicht sollte ich Charlotte doch für etwas dankbar sein.

Dear LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt