Kapitel 3 - Hanna

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Wie von mir erhofft hüpfte Maddie aufgeregt durch mein Schlafzimmer, als sie die Tickets für den Nussknacker in ihren kleinen Fingern hielt. „Wird Lucas uns begleiten?" fragte sie ungeniert. Es war kein Geheimnis, dass meine kleine Schwester absolut nicht begeistert von meiner Partnerwahl gewesen ist. Zu maulig, zu laut, zu unhöflich. „Nein", sagte ich mit erstickter Stimme, weil ich nicht schon wieder an die letzte peinliche Situation denken wollte. „Puh, ein Glück. Der würde mir den ganzen Tag verderben. Aber für wen ist denn dann die dritte Karte?" wild wedelnd hielt sie mir die Karten unter die Nase. Sie hatte mich erwischt - die dritte Karte hatte ich tatsächlich für Lucas besorgt. Da man diese allerdings nicht wieder zurück geben konnte, würde sie nun wohl verfallen. „Wen würdest Du denn gerne mitnehmen?" ich wackelte mit den Augenbrauen „vielleicht ist Jacob ja mit seiner Familie im Nachbarhaus. Der hat Dir doch letztes Jahr so den Kopf verdreht." Maddie blieb so abrupt stehen, dass ich anfing zu lachen. Tja, auch ich kannte meine Schwester besser, als es ihr wahrscheinlich gerade lieb war. „Hanna, der ist doch längst Schnee von Gestern. Hast Du dir den mal angesehen? Außerdem hat der dieses Jahr Hüttenarrest, weil er in der Schule schlecht abgeschnitten hat." Sie ließ sich mit einem Seufzer aufs Bett fallen. „Du hast ja zum Glück noch ein paar Tage Zeit, bis Du dich entschieden haben musst." ich knuffte ihr in ihre kleine Wange. Sie ist im vergangenen Jahr wahnsinnig groß geworden, wenn das so weiter ging, dann würde sie mir noch vor der Pubertät auf den Kopf spucken können. Das war bei meinen ein Meter dreiundsechzig allerdings auch nicht besonders schwer. Ich nahm sie noch einmal liebevoll in die Arme, bevor sie aufgeregt die Treppen wieder hinunter rannte, um Grandma und Mom die Karten zu zeigen. Ihre Begeisterung konnte ich selbst durch die geschlossene Tür hören.

Ich packte halbherzig meine Koffer aus und verstaute die Kleidungsstücke in dem großen Schrank neben der Tür. Voll beladen mit Duschhandtüchern, Kulturbeutel und Bademantel schwankte ich aus meinem Zimmer und lief natürlich direkt in Jannis hinein, der beim Holzhacken anscheinend eine Rekordzeit hingelegt hatte. „Fuck, tut mir leid!" sagte er schnell und fing an den Inhalt meines Kulturtäschchens aufzusammeln. „Oh Gott, lass nur. Kein Problem, ich mach das schon", ich lief rot an, denn in dem Kulturbeutel hatte ich auch die Dinge verstaut, die nicht unbedingt für Männerhände gedacht waren. Breit grinsend sammelte er die Tampons ein und drückte mir die Tasche in die Hand. „Nichts, was ich nicht schon gesehen hätte", sagte er und berührte mich leicht am Kinn, woraufhin ich nur noch röter wurde. Hinter uns räusperte Charlotte sich, die das ganze Spektakel wohl mit angesehen hatte.

„Jannis, lass uns in die Sauna gehen, was meinst Du? Das würde meiner Haut unglaublich gut tun und ich könnte Dir mehr von dem zeigen, worüber wir gestern Abend gesprochen hatten." sie zwinkerte ihm zu und selbst ich hatte sofort verstanden, was damit gemeint war. „Charlotte", nun wurde er etwas rot. Er guckte sich hilfesuchend um, fand aber keine passende Ausrede „klar, warum nicht. War ja auch ganz schön kalt draußen im Holzschuppen. Hanna, was meinst Du? Sauna?" „Baby, glaub mir, Hanna ist nicht der Typ für so etwas. Ich hole nur schnell unsere Handtücher, dann können wir runter gehen. Peter macht schon einmal den ersten Aufguss, damit wir direkt starten können. Hanna, vielleicht solltest Du lieber erst einmal das Bad aufsuchen, Du siehst ja fürchterlich aus." Sie wirbelte herum und ließ Jannis und mich zurück. „Tut mir Leid", sagte er „ich wusste nicht, dass ihr euch tatsächlich so schlecht versteht." „Mach Dir keinen Kopf", ich versuchte gefasst zu reagieren, allerdings konnte mir wahrscheinlich ein Blinder mit Krückstock ansehen, dass ihr bissiger Kommentar mich verletzt hatte.

Bevor es für mich nur noch peinlicher wurde, verschwand ich schnell im Bad und zog die Tür hinter mir zu. Seufzend lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Wand und machte die Augen zu. Mir war irgendwie nicht klar, was nun peinlicher gewesen ist. Das Jannis meine Tampons auflesen musste, oder das Charlotte mich so bloß gestellt hatte. Ich schätze letzteres, denn wer gab schon gerne zu, dass er zwar seit Jahren eine eigentlich glückliche Beziehung geführt hatte, von gewissen Dingen aber leider absolut keine Ahnung hatte?

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