Kapitel 4

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Müde strecke ich mich im Bett und hätte dabei beinahe die Nachttischlampe umgeworfen. Die ich nicht besitze. Verwirrt blinzelnd sehe ich mich in diesem ziemlich dunklen Raum um. Hier bin ich noch nie gewesen! Was ich nur dank meiner guten Augen erkennen kann. Mühsam richte ich mich auf, wobei der ein oder andere Teil meines Körpers ein lautes Knacken von sich gibt. Ich sollte in Zukunft Zusammenstöße mit LKW's vermeiden, ist mein erster Gedanke, als mir alles wieder einfällt. Das ist nichts was ich wiederholen möchte.

Ich habe gerade meine Beine über die Bettkante geschwungen, als es leise an der Tür klopft und Ruby den Raum betritt. Dieser Besuch kommt tatsächlich unerwartet. "Ich hab hier ein paar Sachen für dich. Damit du nicht aussiehst wie einmal überfahren.", gibt die Wölfin von sich und klingt dabei direkt aufrichtig. Und ich dachte, dass sie es mir übel nimmt, dass ich in ihr Revier eingedrungen bin. Wenn auch unfreiwillig. "Danke. Ich glaube meine Klamotten sind nicht für größere Zusammenstöße gemacht.", gebe ich gespielt nachdenklich von mir und betrachte mein zerstörtes Outfit. "Du solltest dich beim Hersteller beschweren." Nun muss ich doch lachen. Ich hätte nie gedacht, dass Ruby doch über Humor verfügt.

"Danke für die Sachen. Wenn du mir das Bad zeigst bin ich in einer halben Stunde von hier verschwunden und ihr habt wieder eure Ruhe.", gebe ich von mir und stehe langsam auf. Doch meine Vorsicht ist unbegründet. Die schnellen Heilfähigkeiten sorgen dafür, dass ich nun kaum noch etwas von dem Zusammenstoß spüre. "Mach dich nicht lächerlich! In einer halben Stunde gibt es Mittagessen. Mum hat extra gekocht. Solange musst du also noch bleiben, sonst wäre es unhöflich."

Und wieder überrascht die Wölfin mich damit komplett. Ich frage mich, was diesen plötzlichen Sinneswandel ausgelöst hat. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass es die Rettung von dem Jungen gewesen ist.

Aber darüber denke ich jetzt nicht weiter nach. So schnell wie möglich gehe ich duschen und suche dann die Küche, um hier so bald wie möglich verschwinden zu können. Länger als notwendig will ich nicht in der Nähe der Wölfe sein. Auch wenn es mich interessieren würde, wie es dem Jungen geht. Doch auch beim Frühstück verliert niemand ein Wort. Allgemein sage ich nichts und lasse die anderen einfach reden. 

Nachdem diese Tortour endlich überstanden ist, bekomme ich von Rhys meine Tasche und er begleitet mich nach draußen. Wobei wir nicht weit kommen. Denn keine zwanzig Meter entfernt haben sich diverse Rudelmitglieder um einen Baum herum versammelt und schauen nach oben. Und als ich ihren Blicken folge, sehe ich einen kleinen Jungen an einen Ast geklammert. 

"Was wird das denn, wenn es fertig wird?", will ich verwirrt wissen und sehe mir die ganzen Menschen an, die immer wieder etwas zu dem Jungen nach oben rufen. Am schrillsten ist diese furchtbare Frau, wegen der ich von einem LKW erwischt worden bin. Am Liebsten würde ich zu ihr hin gehen und ihr mal meine Meinung sagen. Oder ihr eine scheuern. Verdient hätte sie es ja. Aber ich mische mich nicht in fremde Angelegenheiten ein. Zumindest nicht, wenn es vermeidbar ist. 

"Sie versuchen Jack dazu zu überreden vom Baum runter zu kommen.", gibt Rhys nach einigen Augenblicken der Beobachtung schließlich von sich. Automatisch wandert mein Blick zu Jack, welcher sich augenscheinlich ängstlich an den Ast klammert und scheinbar weder vor noch zurück kann. Sieht nicht so aus, als würde er es aus eigener Kraft wieder nach unten schaffen. Und das muss den Anderen doch auch auffallen. "Und wieso geht niemand hoch und holt ihn?"

Nun ist es an Rhys irritiert zu schauen. "Wie sollen wir denn dort hoch kommen?" "Klettern?" Offenbar sind Wölfe zu allem zu dumm. Schaffen es nicht mal einen Jungen von einem Baum zu holen. Und leider habe ich, was Kinder betrifft, ein viel zu weiches Herz. "Ach scheiße! Ihr seid doch wirklich zu allem zu dumm.", knurre ich vor mich hin und drücke meine Tasche wieder Rhys in die Hand. Dann sehe ich mir den Baum vor mir kurz an. Unten sind zwar keine Äste, aber in etwa zwei Metern Höhe ist der erste Ast, der sehr stabil aussieht. 

Allein Unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt