Kapitel 5

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Die nächsten Tage werden stressiger als ich angenommen habe. Morgens muss ich jetzt nicht nur mich, sondern auch die beiden Jungs fertig machen, weshalb ich am Montag ein paar Minuten zu spät zum Unterricht erschienen bin. Aber ab Dienstag klappt alles schon besser und mit ein paar von mir aufgestellten Regel funktioniert auch der Alltag mit einkaufen, sauber machen und Essen kochen.

Das Rhys und Ruby jeden Nachmittag mit zu mir kommen und versuchen zu helfen macht es jedoch noch schwieriger als so schon. Die Beiden haben nämlich überhaupt keine Ahnung von häuslichen Pflichten und Aufgaben, die man täglich machen muss, um nicht im Chaos zu versinken. Daher bin ich nicht nur damit beschäftigt auf die Kinder aufzupassen, sondern auch meine Aufgaben zu erledigen während ich den Geschwistern erkläre, wie man bestimmte Sachen zu machen hat.

Umso froher bin ich, als endlich das Wochenende da ist und nun wir zum Rudel gehen. Endlich muss ich nicht mehr auf alles und jeden Acht geben. Trotzdem kann ich es nicht sein lassen meinen Schützlingen ein bisschen katzenhaftes Verhalten beizubringen.

Daher gehen wir nicht normal durch den Wald, sondern versuchen uns gegenseitig zu fangen und voreinander zu flüchten. Was mir genauso viel Spaß macht wie den beiden Jungs. Bis sie auf einmal keine Lust mehr zu haben scheinen. "Zeigst du uns einen Trick?", bettelt Jack und Ben nickt hektisch. Lachend stimme ich zu. "Was haben wir gesagt, wenn ich euch etwas zeige?", will ich streng wissen und bin stolz auf die Beiden, als sie sich sofort an den Händen fassen. Eine Regel die ich aufgestellt habe, wenn ich nicht in direkter Reichweite der Jungs bin. Da merkt wenigstens einer, wenn der andere weggeht.

"Und ihr sollt das was ich euch zeige nicht nachmachen!", sage ich noch einmal deutlich betont, da es für Wölfe wirklich nichts ist wie eine Raubkatze auf Bäume zu klettern. Wieder nicken Beide hektisch, womit ich mich erstmal zufrieden gebe. Mehr als aufpassen kann ich sowieso nicht. Daher wende ich mich von den Zweien ab und erklimme den nächsten Baum, der für meine Zwecke geeignet scheint.

Ein großer Baum mit vielen Ästen, die auch alle sehr stabil aussehen. Schnell bin ich einige Meter nach oben geklettert, um mich schließlich absichtlich nach hinten fallen zu lassen. Den Jungs entfährt ein erschrockener Laut, doch nach einem Rückwärtssalto schnappe ich mir einen unteren Ast und schwinge mich daran wieder nach oben.

"Wie fandet ihr das?", rufe ich zu den Jungs nach unten, die mich mit offenem Mund ansehen. "Krass.", gibt Jack staunend von sich und Ben wiederholt das Wort einfach. Fünfjährige halt. Breit grinsend balanciere ich noch etwas weiter auf meinem Ast nach vorne, sehe die Jungs aber streng an. "Und was hatte ich dazu gesagt?" "Nicht nachmachen!", rufen beide im Chor.

Ich will gerade vorschlagen weiter zu gehen, als ich eine dunkel gekleidete Gestalt direkt auf uns zusteuern sehe. Kurz bin ich in Alarmbereitschaft, doch dann erkenne ich die Gestalt. Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Dunkelbraune Haare, sportliche Gestalt und diese ausdrucksstarken graugrünen Augen. Die ältere Version von Ben und Jack. Hätte ich es nicht schon an den äußerlichen Merkmalen und dem Knochenbau erkannt, dann spätestens an der Reaktion von Jack, dem beinahe die Augen aus dem Kopf fallen.

Ohne Ben los zu lassen zieht Jack ihn hinter sich her zu Rafael, wenn ich mir den Namen richtig gemerkt habe. Da so eine Familienvereinigung immer eine Weile dauern kann lege ich mich einfach auf den Ast und beobachte das Spektakel. Welches jedoch ruhiger und weniger dramatisch ausfällt als ich gedacht habe. Aber am Ende sind es Wölfe und Jungs. Alles Beides etwas, womit ich mich eher weniger auskenne. Oder womit ich mich bisher eher weniger beschäftigt habe. Abgesehen von dieser Woche.

Während Jack seinen großen Bruder weinend umarmt steht Ben nur daneben und scheint nicht zu verstehen, was da gerade passiert. Und Rafael steht einfach nur da und lässt das alles über sich ergehen. Wobei ich die Emotionen in seinen Augen aufblitzen sehen kann. Doch entweder war er schon immer in sich gekehrt oder diese komische Schule hat ihn gebrochen. Das gilt es noch heraus zu finden. Und wenn ich inzwischen etwas kann, dann mich in fremde Angelegenheiten einmischen.

Allein Unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt