Kapitel 13

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Das Ende kam nicht wie erwartet. Wölfe sind immens sture Wesen und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, dann halten sie auch daran fest. Und wenn jemand stur ist, dann Rafael.

Doch das ist auch mein Glück. Denn nur, weil er mich nicht verlieren wollte, bin ich noch am Leben. In seiner Verzweiflung hat er seine Seele an meine gebunden, sein Leben mit meinem verknüpft und mir so die Kraft gegeben weiter zu leben. Nun sind wir Gefährten. Unsere Schicksale sind miteinander verbunden. Wenn der Eine stirbt, dann stirbt auch der Andere.  Und auch wenn das jetzt ein bisschen melodramatisch klingt, ist es die Wahrheit.

Ein weiterer Aspekt dieser Verbindung ist der Einblick in die Gefühlswelt des Gefährten. Etwas, was es Rafael ermöglich hat sich permanent um mich zu kümmern, sollte ich auch nur einen Hauch von Schmerzen verspüren. Doch bereits nach zwei Wochen war ich vollständig wieder hergestellt, dank der gestaltwandlerischen Heilkräfte.

Und nun habe ich das drückende Gefühl, dass Rafael etwas vor mir verheimlicht. Vielleicht war es ein Fehler mich zu retten? Wir kannten uns schließlich noch nicht so lange und nun müssen wir bis zu unserem Lebensende zusammen bleiben.

Seufzend sitze ich in meiner letzten Stunde vor den großen Sommerferien und mache mir Gedanken. Etwas, was ich so nicht kenne. Bisher bin ich nur für mich selbst verantwortlich gewesen und war von niemandem abhängig. Doch die Zeiten haben sich geändert.Rafael, Jack und Ben gehören nun dazu. Und ändern wöllte ich auch nichts.

Das Pausenklingeln übertönt mein erneutes Seufzen und ich packe schließlich langsam zusammen, um unmotiviert nach Hause zu gehen. Denn langsam kann ich diese merkwürdige Stimmung zwischen mir und Rafael nicht mehr ignorieren. Ich muss wissen, wo das Problem liegt!

Daher ignoriere ich auch Ruby und Rhys, welche mich auf meinem Weg begleiten. Ununterbrochen reden sie mit mir, doch ich achte überhaupt nicht auf die beiden Wölfe. Stattdessen wird meine Aufmerksamkeit von dem großen Wohnmobil in Anspruch genommen, welcher direkt vor meiner Wohnung parkt.

Verwirrt bleibe ich kurz stehen und mustere die drei Brüder, welche breit grinsend davor stehen und dabei so glücklich aussehen, dass mir das Herz aufgeht. Doch ich versuche mir meine Verwirrung und die vielen Gedanken nicht anmerken zu lassen. Stattdessen laufe ich langsam weiter auf die Jungs zu, welche mich ganz gespannt mustern. Doch ich habe keine Ahnung, was sie nun von mir erwarten.

"Was ist denn hier los?", gebe ich schließlich verwirrt von mir, als ich bei den Dreien ankomme. Sofort zieht mich Rafael an sich und drückt mir einen kurzen Kuss auf die Lippen.

"Wir haben uns gedacht, dass wir versuchen wollen deinen Traum zu erfüllen. Du hast auf der Rudelfeier gesagt, dass du nach der Schule die Welt sehen willst.", erklärt Rafael sanft und sieht mir liebevoll in die Augen. Komplett sprachlos sehe ich ihn an. "Leider werden wir in den nächsten sechs Wochen nicht die ganze Welt sehen können, doch wir werden uns so viel ansehen, wie wir schaffen.", verspricht er mir und wartet dann auf meine Reaktion, die noch etwas auf sich warten lässt.

Vollkommen gerührt muss ich nämlich erstmal verinnerlichen, was er da überhaupt gesagt hat. Er will mir meinen Traum erfüllen und mit mir die Welt erkunden. "Ich danke dir.", flüstere ich ihm ins Ohr und schlinge ihm die Arme um den Nacken. Während sich in meinen Augen Tränen sammeln. Er ist viel zu perfekt, auch wenn er einige Macken hat. Für mich ist er perfekt. 

"Ich liebe dich.", flüstere ich ihm zu, als ich mich wieder von Rafael löse und sage damit die Worte, die mir schon seit Tagen auf dem Herzen liegen. "Ich liebe dich auch. Kein einzige Sekunde lang bereue ich die Entscheidung dich als meine Gefährtin akzeptiert zu haben.", gibt er zurück und küsst mich stürmisch. Eine kurze Zeit lang sind wir in unserer kleinen wunderschönen Welt, bis uns lautes Klatschen und Pfeifen zurück in die Realität holt. 

Um uns herum hat sich das Rudel versammelt, welches uns scheinbar verabschieden will. Denn in den Augen aller leuchtet die Freude und das Glück. Welches besonders von Rubys und Rhys' Vater ausgestrahlt wird, welcher mich mit einem kräftigen Handschlag verabschiedet. "Ich wünsche euch viel Spaß, Luna." Überrascht von der Umarmung von Rubys Mutter, verabschiede ich mich auch herzlich von ihr. "Wir werden gut auf das aufpassen, was du in den letzten Wochen geschafft hast. Nach deinem Vorbild werden wir uns um das Rudel kümmern.", verspricht sie mir und ich bin froh, dass sie uns nicht böse sind. 

Es ist nicht selbstverständlich, dass sie ihre Machtposition ohne zu zögern an uns übergeben haben. Vor allem, als ich noch so geschwächt gewesen bin. Stattdessen haben sie uns im Rudel unterstützt und sich dafür ausgesprochen, dass wir die Position als Alphapaar übernehmen. Wenig Überredungskunst war nicht notwendig, doch trotz allem sind wir jung und unerfahren. Außerdem ist Rafael vorbelastet und ich kein Wolf. Doch trotzdem wurden wir direkt akzeptiert und leiten nun ein Rudel.

Aber auch wir haben eine Auszeit verdient. Was uns alle offenbar von Herzen wünschen. "Viel Spaß.", meint Ruby verschmitzt und zwinkert mir schelmisch zu. "Den werden wir bestimmt haben!", gebe ich lachend zurück und schlage bei Rhys ein. "Passt gut auf alle auf. Ich will alle in einem Stück zurück haben!" 

Breit grinsend steigen wir schließlich in den Wohnwagen. Rafael und ich vorne, Ben und Jack hinter uns. Gemeinsam fahren wir so weit wie möglich. Um so viel von der Welt zu sehen wie wir können und Erfahrungen zu sammeln, die uns bereichern. Als unsere eigene kleine Familie. 


Allein Unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt