Kapitel 7

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Die Party ist in vollem Gange, die Sonne ist gerade unter gegangen und nur noch ein Lagerfeuer in der Mitte zwischen den Häusern erhellt den Platz, als ich mich suchend in der Mitte der Menge umsehe. Ich kenne niemanden um mich herum genauer, abgesehen von Leuten, die ich in den letzten Tagen beobachtet habe. Ruby, Rhys und Rafael sind nicht zu sehen, geschweige denn ein Anderer aus unserer Schule.

Als ich mich jedoch aus dem Pulk von Menschen gekämpft habe, kann ich endlich ein bekanntes Gesicht erkennen. Ruby. Und das in einer Lage, in der ich niemals gedacht hätte sie jemals anzutreffen. Und zwar in einer dunklen Ecke, eng umschlungen mit einem anderen Mädchen. Das Ruby lesbisch ist, darauf wäre ich ja im Leben nicht gekommen!

Breit grinsend wende ich mich von dem Anblick ab und sehe mich weiter um. Nur um gleich darauf dem gleichen Blick wieder zu begegnen. Rhys sieht mir direkt in die Augen und will sich aus dem Pulk von Mädchen lösen, doch ich winke grinsend ab. Dort will ich mich nicht einmischen. Da mache ich mir nur Feinde. Und das ist mir der Wolf einfach nicht wert.

Stattdessen mache ich mich auf die Suche nach Rafael. Diesen suche ich jedoch einige Minuten lang vergeblich. Genervt beschließe ich also mir erstmal etwas zu trinken zu holen und mich anschließend weiter umzusehen. Doch als ich gerade nach dem Tequila greifen möchte, sehe ich mein Ziel am Rand des Waldes stehen. Allein beobachtet er alles genau und scheint nicht so recht zu wissen was er tun soll.

Also schnappe ich mir ein Tablett und Stapel darauf die Flasche Tequila, eine aufgeschnittene Zitrone und Salz.  Mit einem breiten, raubtierhaften Grinsen begebe ich mich so zu Rafael, welcher mich direkt bemerkt und mit einem amüsierten Funkeln in den Augen beobachtet. "Willst du mich betrunken machen?", fragt er schon fast amüsiert nach, was mich in meinem Entschluss bestärkt ihn ein wenig aus der Reserve zu locken.

"Nichts hilft besser gegen eine Konditionierung als Alkohol.", gebe ich lachend von mir und ziehe den Wolf hinter mir her in den Wald. Ich habe keine Lust auf Zuschauer, die wir sicherlich sonst haben würden. Rafael beobachten sie wegen der schwierigen Vergangenheit und mich, weil ich eine Außenstehende bin. Daher sollte es legitim sein, wenn wir unsere eigene kleine Party schmeißen.

An dem Baum, wo wir heute schon so viel Zeit verbracht haben, lasse ich mich schließlich auf den Boden sinken und ziehe Rafael mit mir. Dann stelle ich das Tablett ab und gieße uns direkt ein. Anschließend streue ich mir etwas Salz auf den Handrücken. "Erst das Salz, dann trinken und dann in die Zitrone beißen.", weiße ich Rafael an und nehme mir ein Glas. Nach kurzem zögern tut der Wolf es mir gleich und wir stoßen an, ehe wir gleichzeitig den Tequila trinken. Nach dem ersten mal schüttelt es mich erstmal, weshalb ich gleich noch einmal nachschenke. Erfahrungsgemäß schmeckt der zweite besser als der Erste. Rafael zieht direkt mit. Den dritten schüttet er ein, was mich etwas überrascht, aber ich sage nichts. Mit neunzehn Jahren sollte man mal richtig auf den Putz hauen. Und wenn er das mit mir macht, habe ich auch nichts dagegen.

Breit grinsend sehe ich ihn an, während der Alkohol sich in mir breit macht und ich mich merklich entspanne. Auch Rafael sieht schon viel lockerer aus, weshalb ich es wage ihm einen Vorschlag zu machen. "Lass uns ein Spiel spielen. Jeder darf den anderen etwas fragen. Und wenn derjenige nicht antworten will müssen wir einen trinken." "Über mich gibt es nichts zu wissen. Wieso machst du dir die Mühe?", gibt Rafael zurückhaltend von sich und sieht mir direkt in die Augen. Unsicherheit und Verletzlichkeit kann ich darin erkennen, weshalb ich ihm nur ein warmes Lächeln schenken kann. "Du bist spannend. Und als Raubkatze ist man einfach uneingeschränkt neugierig." Seufzend gibt er nach, auch wenn er noch immer skeptisch aussieht. "Was willst du wissen?"

"Was willst du jetzt tun? Mit deinem Leben, jetzt wo du frei bist." Eine Frage, die mir schon eine Weile unter den Fingern brennt. Und vielleicht erhalte ich jetzt eine Antwort. Doch leider werde ich enttäuscht. "Ich weiß es nicht. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet bleiben zu können und mir daher keine Gedanken gemacht. Ich wollte nicht enttäuscht werden."

Ich finde es sehr verständlich, dass er so reagiert. Bisher hat ihm das Rudel nicht wirklich gezeigt, dass es an ihm interessiert ist. "Dann sollten wir das vielleicht mal herausfinden.", grinse ich breit und zwinkere ihm zu, um die düstere Stimmung wieder etwas zu lockern. Was Rafael tatsächlich zum grinsen bringt. Der Alkohol scheint doch zu wirken. Und das besser als gedacht. "Du gibst niemals auf, oder?" Lachend schüttel ich den Kopf.

"Und was willst du machen?" "Erstmal mache ich dieses Schuljahr zu Ende und dann will ich weg von hier. Ich will die Welt sehen. Alles, was es zu sehen gibt. Die Wunder der Natur, mit meinen tierischen Artgenossen jagen und neue Leute kennen lernen. Ich will wissen, was das Leben zu bieten hat.", gebe ich von mir und schaue in den Himmel, wo so viele Sterne durch das Blätterdach hindurch funkeln. Es gibt so viele Geheimnisse auf der Welt, die ich erforschen möchte und die Sterne erinnern mich immer wieder an die Unendlichkeit dessen, was es in diesem Universum gibt.

Nun schütte ich wieder Tequila nach, welchen wir ohne Salz oder Zitrone trinken. Unser Pegel ist inzwischen schon hoch genug dafür. "Und hast du inzwischen schon sexuelle Erfahrungen gemacht? Ich meine auf so einer Schule ist man doch erfinderisch, oder?", fordere ich Rafael heraus und wackel mit den Augenbrauen, was sicherlich total dumm aussieht. Doch anstatt zu antworten gießt er uns beiden etwas ein und wird rot. Mit offenem Mund starre ich ihn an und beobachte ungläubig, wie er den Tequila trinkt. Und ich dachte er wäre komplett unerfahren! Lachend und leicht den Kopf schüttelnd trinke ich mein Glas aus. Damit habe ich definitiv nicht gerechnet.

"Und wie sieht es bei dir aus?" "Ich habe schon so zwei, drei Typen kennengelernt, aber keiner von ihnen war spannend genug, um mich zu halten. Ich mag nun mal Geheimnisse.", grinse ich Rafael an und schenke uns nochmal nach, auch wenn ich sicher nicht mehr geradeaus laufen kann.

Nachdem der Tequila schließlich alle ist, stehe wir umständlich auf. Wobei wir uns eher am Baum hochziehen und wie verrückt kichern als alles andere. "Ich sollte nach Hause." Seufzend stoße ich mich vom Baum ab und wäre beinahe über meine eigenen Füße gefallen, kann mich aber gerade noch so halten.

"Du solltest nicht alleine gehen.", gibt Rafael jedoch ernst zurück und mustert mich skeptisch. "Ich schlafe bestimmt nicht hier. Da kann ich ja keine Auge zumachen!", weiße ich sofort zurück. Doch wieder überrascht mich der Wolf. "Verstehe ich. Ich kann hier auch nicht schlafen."

Kurz sehe ich ihn nachdenklich an, ehe sich meine benebeltes Gehirn zu einer Entscheidung durchgerungen hat. "Dann komm doch mit! Auf meinem Sofa ist noch ein Platz frei und wenn die eins ist, dann bequem."

Eine Weile sehen wir uns wieder in die Augen und diese Energie baut sich wieder zwischen uns auf. Sofort kribbelt es in meinem Körper, doch ich versuche es auf den Alkohol zu schieben. Als Rafael schließlich zustimmend nickt, durchbricht er damit diese Bindung und schaut weg. Wortlos machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Bis Rafael über einen Ast stolpert und ich ihn auslache, was die Spannung zwischen uns wieder löst. Kichernd machen wir uns auf den Weg zu mir nach Hause. Eher stolpernd als richtig laufend.

Allein Unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt