Kapitel 2

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Doch entgegen dem was ich gesagt habe, stehe ich nach meinem Zusammentreffen mir Rhys und Ruby unter ständiger Beobachtung. Es ist so nervig, dass ich mich zur Hofpause schließlich aufs Dach flüchte, um wenigstens mal ein paar Minuten unbeobachtet zu sein.

Hier ist mein geheimer Rückzugsort. Schwer zu erreichen für normale Menschen, da man aus dem Toilettenfenster und die Dachrinne nach oben klettern muss. Nichts für normale Menschen und hoffentlich auch nichts für Wölfe. Bis zum Pausenende müssen die Flohtölen noch auf mich verzichten.

Leise seufzend lege ich mich auf die von der Sonne angewärmte Dachpappe. Dadurch das alles komplett schwarz ist, ist es auch wunderbar warm, wenn auch ein bisschen hart. Darüber kann man aber hinweg sehen. Meinen Kopf auf meine Tasche gebettet liege ich da und beobachte, wie die kleinen Schäfchenwolken langsam vorüber ziehen. Entspannt lausche ich den Stimmen die vom Hof nach oben schallen, als auf einmal in unmittelbarer Nähe ein lautes Krachen ertönt.

Ruckartig setzte ich mich auf und schaue in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist. In der aufgebrochenen Tür, die zum Dach führt steht Rhys, der sich suchend umsieht, bis er mich entdeckt. Ich fasse es nicht! Der bescheuerte Wolf hat tatsächlich die Tür aufgebrochen, weil er mich aus den Augen verloren hat!

Seufzend drehe ich mich auf den Bauch und vergrabe meinen Kopf in meinen Armen. Hier hat man auch nirgends seine Ruhe. Vollkommen genervt lausche ich auf jeden Schritt, den Rhys macht, bis er direkt neben mir stehen bleibt. "Du stehst mir in der Sonne.", grummel ich nach einiger Zeit und versuche den Blick auf mir zu ignorieren.

Schließlich verschwindet der Schatten und ich bemerke eine Wärmequelle neben mir, die ich aber versuche zu ignorieren. Was auch ganz gut klappt, bis ich eine Hand auf meinem Rücken spüre, die mich langsam beginnt zu streicheln. Im ersten Moment verspanne ich mich und will ihn schon anfauchen, was ihm einfällt mich einfach anzufassen, doch dann gewinnt der andere Teil in mir. Schließlich bin ich zu einem Teil Katze und sich in der Sonne kraulen zu lassen, und sei es nur von einem dummen Wolf, ist eine Chance die es zu nutzen gilt.

Warum er das tut ist mir egal, ich schließe einfach die Augen und genieße den Moment der Ruhe. Nach einigen Minuten durchbricht jedoch seine überraschte Stimme die angenehme Stille. "Du schnurrst ja!", gibt er von sich und hält in seiner Bewegung inne. "Ich bin eine Raubkatze. Mach weiter oder verschwinde.", gebe ich murrend zurück und bewege mich kein bisschen, auch wenn mir die Tatsache, dass ich mein Schnurren nicht zurück halten konnte, peinlich ist.

Nach einigen Augenblicken bewegt Rhys schließlich wieder seine Hand und streichelt mich weiter, was mich sehr überrascht. Aber ich nehme es hin. So lange wie möglich nutze ich den Moment aus, bis es zum Pausenende klingelt. Seufzend stehe ich mit einer fließenden Bewegung auf und greife im gleichen Moment nach meiner Tasche, während Rhys sich umständlich auf die Füße stellt. Also elegant sind Wölfe nun wirklich nicht.

Gemeinsam verlassen wir das Dach, wobei ich zum ersten Mal die Treppe benutze. Raus kommen wir auf einem überfüllten Flur, wo ich meiner Lieblingsblondine beinahe mit der Tür die Nase gebrochen hätte. Zu schade, das Schicksal war nicht auf meiner Seite!

Mit einem Schulterzucken will ich mich gerade abwenden, als das Mädchen entsetzt ihr Gesicht verzieht und hinter mich schaut. Stimmt, Rhys ist ja auch noch da! Und dem Blick der Blondine nach denkt sie sonst was über uns. Weshalb ich mir einen blöden Kommentar einfach nicht verkneifen kann.

"Da hast du gerade meine Meinung über Wölfe ins positive gewendet und dann kommt sie um die Ecke und schon ihr dämliches Gesicht macht alles wieder zunichte.", gebe ich ernst von mir und sehe Rhys an, dass er belustigt ist. "Ich gebe mir das nächste Mal besser noch mehr mühe.", gibt er trocken zurück und beweist mir damit, dass er tatsächlich lustig ist. Breit grinsen wir uns gegenseitig an.

Womit wir jedoch die Einzigen sind. Denn Ruby steht im nächsten Moment neben uns und wirft ihrem Bruder einen furchteinflößenden Blick zu, den er jedoch mit einem leichten Grinsen erwidert. Schließlich lässt er sich von niemandem einschüchtern. "Was hast du getan, Bruder?", zischt Ruby ihm zu, als keiner etwas sagt und ich nur vor mich hin lache. Diese Wölfe sind wirklich unterhaltsam! Hätte ich das nur eher gewusst! 

"Reg dich ab. Ich habe sie im Auge behalten, wie du es gesagt hast." "Ich habe aber nicht gesagt, dass du sie bespringen sollst wie ein räudiger Köter!", gibt seine Schwester angepisst von sich, weshalb Rhys direkt das Gesicht einschläft. "Gott, ich hätte jetzt zu gerne Popcorn. Das ist besser als jede Sitcom.", kann ich mir nicht verkneifen zu sagen, weshalb die Aufmerksamkeit nun wieder auch mir liegt. "Hey! Macht weiter! Das ist echt unterhaltsam.", gebe ich von mir und mache eine scheuchende Handbewegung. 

Rhys verzieht seinen Mund zu einem breiten Grinsen und schüttelt den Kopf. "Du bist unglaublich." "Danke, aber das weiß ich. Wir sehen uns.", gebe ich mit einem Augenzwinkern von mir und wende mich ab. Der Unterricht geht gleich los und ich habe keine Lust schon in der ersten Woche nachzusitzen. "Misch dich nicht in unser Rudel ein!", knurrt die Blondine mich jedoch an und stellt sich mir in den Weg. 

Augenverdrehend bleibe ich stehen. "Pass mal auf, Schätzchen. Ich mische mich überhaupt nirgends ein. Ihr beobachtet mich die ganze Zeit und folgt mir auf Schritt und Tritt. Wenn ich das wöllte, dann würde ich mir einen Hund zulegen. Also halt die Klappe, geh beiseite und lass mich gefälligst in Ruhe. Bis eben ist es ja noch ganz lustig mit euch gewesen, doch nun geht ihr mir einfach nur noch auf die Nerven!", gebe ich kalt zurück und schiebe die Wölfin beiseite. Vielleicht mit etwas zu viel Kraft, denn sie knallt mit voller Wucht gegen die Wand. Aber das ist mir sowas von egal. Die Zicke soll sich einfach von mir fern halten!

Doch daran denkt sie überhaupt nicht. Mit einem wütenden Knurren versucht sie nun mich von hinten anzugreifen. Mit einer schnellen Bewegung bin ich ihr jedoch ausgewichen und sie kracht gegen die gegenüberliegende Wand. "Wie dilettantisch.", gebe ich seufzend von mir und werfe einen kalten Blick hinter mich zu den anderen. "Wenn ihr es mit mir aufnehmen wollt, dann müsst ihr als Rudel angreifen. Und dann seht am Besten zu, dass ihr mich besiegt. Denn sollte ich danach noch leben, dann könnt ihr euer Testament schreiben. Und ich werde nicht fair spielen. Leg euch mit mir an und ihr lernt eine harte Lektion in Sachen Hinterhältigkeit, Kaltherzigkeit und unfairem Kampf." 

Mit diesen Worten und vollkommen entsetzten Gesichtern lasse ich die Wölfe zurück. Sollen sie sich zukünftig von mir fern halten oder dem Ganzen beizeiten ein Ende setzen. Auch wenn ich da vielleicht ein bisschen überdramatisiere, läuft es genau darauf hinaus. Ich mag dieses umeinander herum geschleiche überhaupt nicht. Schließlich befinden wir uns hier nicht im kalten Krieg. Meine Geduld ist bereits nach einem Tag erschöpft. Und das bekommt jetzt jeder zu spüren. Warum sollte ich mich auch zurück halten?

Allein Unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt