Der Abschied

173 11 0
                                    

Da lagst du also, verkabelt, blass und leblos.

Dein Herz schlug zwar regelmäßig, doch nur wegen der großen weißen Maschine neben deinem Bett.

Dein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig, so als würdest du normal atmen.

Wenn man es nicht besser wusste, könnte man meinen du würdest noch leben und nur friedlich schlafen.

Du warst bis zu deinem Kinn zugedeckt. Man konnte nur dein blasses Gesicht sehen.

Man hörte nur das gleichmäßige piepen, was von der Maschine, an die du angeschlossen warst.

Deine Hand, die ich hielt, war eiskalt, es fühlte sich an als würde man einen Eiswürfel in der Hand halten.

Deine sonst so glänzenden Haare lagen platt und glanzlos auf dem Kissen.

Du sahst so friedlich aus, so als ob es dir nicht schwer fallen würde von hier wegzugehen.

Als ob dich hier bei uns nichts mehr am Leben halten könnte.

Die Tränen kullerten mir nur so über meine Wagen und schmeckten salzig, als sie in meinen trockenen Mund flossen.

Ich spürte die zitternde und kalten Hände meiner Mum an meiner Schulter.

In der Lage, meine Hand auf ihre zu legen oder sie wenigsten anzusehen, war ich nicht mehr.

Zu geschockt von dem Anblick den ich vor mir sah, ich konnte meinen Blick nicht mehr von ihr abwenden.

Aus Angst, in der Sekunde wo ich sie nicht ansah, sie für immer zu verlieren.

Mein Blick war starr und auf ihre geschlossenen Augen gerichtet.

In der Hoffnung sie würden sich jeden Augenblick öffnen und ich könnte ihr wieder in ihre wunderschönen grünen Augen schauen.

Die Krankenschwestern kamen alle paar Minuten in das Zimmer um nach ihr zu sehen.

Ob ihre Werte besser wurden oder schlechter.

Doch nichts von beiden Fällen trat ein.

Es wurde nicht besser aber zum glück auch nicht schlechter.

In meinen Kopf waren keine Gedanken mehr, alles leer.

Wollte keinen Gedanken daran verschwenden wie das alles hier ausging.

Wollte keine Szenarien in meinem Kopf haben, wo ich vor ihrem Grab stand und mich endgültig von ihr verabschieden musste.

Denn das könnte ich nicht.

Ich würde es nicht schaffen, nicht verkraften, nicht aushalten.

Sie war alles für mich.

Nicht nur meine große, manchmal nervige Schwester, sondern auch meine beste Freundin, meine Seelenverwandte, einfach alles.

Diesen Verlust könnte ich nicht ertragen und besonders nicht ohne sie überleben.

Doch dann kam der Moment, den ich mir wünschte nie erleben zu müssen.

Das Piepen veränderte sich in einen langen eintönigen Ton.

Die Krankenschwestern und Ärzte stürmten in das Zimmer.

Ich konnte nicht realisieren was hier passierte oder das meine Mum und ich aus den Zimmer geschoben wurden.

Es wurde auf uns eingeredet, dass alles gut werden würde.

Doch das wurde es nicht. Das spürte ich.

Ich sah zu meiner Mum die sich in einen der unbequemen Krankenhausstühle hinsetzte und ihren Kopf in ihre Hände legte. Sie begann fürchterlich zu weinen, meine Mutter so zu sehen brach mir mein Herz.

Wie in Trance setzte ich mich neben sie und nahm sie so gut es ging in den Arm.

Wir musste schrecklich aussehen.

Beide zerzauste Haare, kreidebleich und immer nur am weinen und am schluchzen.

Die Zeit verging nicht, mir kam es so vor als wären wir schon Tage hier drinnen und am warten.

Aber es waren nur ein paar Stunden.

Wie viele es genau waren, konnte ich nicht sagen, ich verlor seitdem ich hier bin, jegliches Zeitgefühl.

Sekunden fühlten sich an wie Minuten, Minuten wie Stunden und Stunden wie Tage.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, kam der Oberarzt, mit gesenkten Kopf heraus.

Er sah erst auf sein schwarzes Klemmbrett, danach sah er uns abwechselnd an.

Seine kalten grauen Augen durchlöcherten uns und man sah, dass er sich Gedanken machte, wie er uns das, was er uns gleich sagen wird, so einfach wie möglich beibringen soll.

Mit großen aber gleichzeitig auch leichten Schritten, kam er auf uns zu und stellte sich vor uns hin.

Ich hob meinen schweren Kopf und sah ihn, so gut wie es nur mit verweinten und geschwollenen Augen ging, an.

Er räusperte sich kurz und sah dann wieder auf das Klemmbrett in seinen großen Händen.

Ich wollte mir nicht vorstellen wie es für ihn sein musste, jemanden zu erklären, dass einer der Menschen den man am meisten liebte, nie wieder bei einem sein würde.

Seine Lippen bewegten sich zwar, doch mein Gehirn nahm keinen einzigen Ton wahr.

Entweder träumte ich oder es war ein Schutzmechanismus von meinem Körper, die schlechten Neuigkeiten nicht hören zu wollen.

Das einzige was ich wahrnahm, war das meine Mutter neben mir, nicht aufhören konnte zu zittern.

Ich versuchte so gut wie es ging, sie zu beruhigen, aber ich war nicht in der Lage dazu.

Als der Arzt wieder weg war, meine Mutter sich etwas beruhigt hatte, standen wir auf um uns von ihr zu verabschieden.

Dieses mal als ich sie ansah, hatte sie ein leichtes lächeln auf den Lippen.

So als wäre sie froh darüber, endlich nicht mehr leiden zu müssen.

Keine Schmerzen mehr zu ertragen, nicht mehr ums Leben zu kämpfen.

Wieder mit unseren Vater vereint zu sein.

Endlich in Ruhe weiter zu leben.

Falls es ein Leben nach dem Tod wirklich geben sollte.

Ich hoffe es geht ihr jetzt gut, wo auch immer sie im Moment ist.

Keep me alive.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt