Als ich in der Geschichtestunde neben Tristan Platz nahm, grinste er mich breit an. Wes der leider am anderen Ende des Raumes saß, warf ihm einen finsteren Blick zu und schüttelte langsam und ermahnend den Kopf. Ich ahnte Schlimmes.
Während Frau Gunther vorne über die steigende Kriminalität während der Wirtschaftskrise sprach, rutschte Tristan immer wieder nervös auf seinem Sitz hin und her.
„Was ist?", flüsterte ich entnervt und sah ihn stirnrunzelnd an.
„Was machst du zu Halloween?", fragte er mich leise.
Seufzend zuckte ich mit den Schultern: „Nichts.".
„Hat Wes dich noch nicht zu meiner Party eingeladen?", er klang nicht ehrlich verwundert, er wusste genau, dass Wes mich nicht eingeladen hatte. Wieso sollte er auch? Wir waren nicht diese Art von Freunden und mein Vater würde mich nie mit ihm weggehen lassen, das war uns beiden klar. Tristan versucht doch nur wieder herauszufinden, ob wir nicht doch ein Date hatten.
„Wieso sollte ich mit Wes dahin gehen?", zischte ich zurück, „Wir sind nur Freunde und auf so eine Party nimmt er besser ein Date mit. Das wäre doch irgendwie komisch.". Es war mir zu peinlich zuzugeben, dass ich die Erlaubnis dazu gar nicht bekommen würde, ganz besonders nicht an Halloween.
„Ach, also wenn du ein Date hättest würdest du hingehen?", hakte er nach, doch in diesem Moment sah uns Frau Gunther streng an, unser Getuschel war nicht unbemerkt geblieben.
„Mh-hmmm.", brummte ich geistesabwesend und vergrub meine Nase in meinem Buch um die Stelle über Al Capone zu finden, über die Frau Gunther gerade sprach.
„Na gut.", flüsterte Tristan unbeirrt, „Dann kannst du ja mit mir hingehen!".
„Als mein Date.", fügte er hinzu, als er meinen ungläubigen Blick sah. Ich saß da, meinen Leuchtstift fest aufs Papier gedrückt und starrte wieder wie das Reh ins Scheinwerferlicht und brachte keinen Ton heraus. Gott sei Dank läutete es in diesem Moment und ich schreckte hoch um meine Sachen zu packen. „Sophie?", fragte Tristan mich in normaler Lautstärke. „Ich-ich ähm..", piepste ich, ohne ihn anzusehen. Ich war knallrot angelaufen. „Ich überleg es mir noch okay?".
So eine Antwort war er wohl nicht gewohnt, denn er zog fragend die Augenbrauen hoch.
„Gut, dann geb' ich dir meine Nummer und du sagst mir Bescheid.", er zog mir mein Buch aus der Hand und schrieb mit Kugelschreiber seine Telefonnummer darauf. Als er es mir hinhielt lächelte er wieder breit: „Eine Verkleidung ist übrigens Pflicht.", meinte er und erhob sich, „Bis dann Sophie.".
„Bis dann.", murmelte ich geistesabwesend und blickte auf mein Buchcover. Er meinte es ernst, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Als Linda an mir vorbeikam, schnappte ich mir ihren Unterarm und zog sie mit mir mit. „Wir müssen reden, heute bei Maja, nach der Schule!". Erstaunt sah sie mich an und nickte sofort: „Klar doch.".
Wes war Gott sei Dank schon mit den anderen Schwimmer-Jungs weg, denn das war eine Sache die ich erstmals mit meiner besten Freundin besprechen musste und nicht mit ihm.
Ich fühlte mich irgendwie schuldig, dass Tristan mich gefragt hatte und ging Wes den restlichen Tag aus dem Weg. Als er mir schrieb, dass er nach dem Unterricht eine zusätzliche Schwimmeinheit machen müsse, weil die zu Halloween ausfiel, war ich erleichtert. Der Gedanke daran neben ihm im Auto zu sitzen und die Sache mit Tristan zu verheimlichen, war fürchterlich für mich. Ich hatte in letzter Zeit schon mehr Geheimnisse als mir lieb war.
Tante Maja zog mich in eine feste Umarmung als ich mit kalter Nasenspitze und roten Wangen ins Café kam. „Du siehst erfroren aus. Bist du etwa mit dem Rad gefahren?".
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Wenn Wes weint
Teen FictionSie ist unscheinbar und unbedeutend, er ist laut und wild. Als sie ihn weinen sieht kollidieren ihre Welten auf unerwartete Weise. Sophie ist der Meinung dass mit ihr etwas nicht stimmt, irgendetwas macht sie anders. Aus diesem Grund hält sie sich...