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„Du bist wie Honig für meine bittere Geschichte.", hatte er gesagt, als er mich bei der Brücke abgesetzt hatte.

Ich war an diesem Abend zu Hause an meinem Fenster gesessen und hatte immer und immer wieder an diesen letzten Satz gedacht. Ich war wie Honig. Auch wenn wir nur Freunde waren, brachte dieser Satz mein Herz zum Stepptanz. Ich war wie Honig. Honig war süß und golden, köstlich und wurde nur durch harte Arbeit gewonnen. Ich war wie Honig für ihn.

Der falsche Alarm hatte in der Schule zu einigem Tumult geführt. Unser Direktor hatte angedroht, wenn er denjenigen erwischen würde, der es gewagt hatte den Fehlalarm zu betätigen, von der Schule zu schmeißen. Mein Vater und der Hauptmann der Feuerwehr waren in die Schule gekommen und hatten einen Vortrag über das Risiko und die Folgen eines falschen Alarms gehalten. Und alle munkelten wer es gewesen sein könnte.

Linda und Kai vermuteten natürlich dass es Wes war, hielten aber beide den Mund. Linda war am Tag nach dem Spektakel lediglich etwas kühl und kurz angebunden gewesen, als Wes und ich gemeinsam die Schule betreten hatten.

Nach zehn Tagen ebbte die Aufregung jedoch wieder ab und unser Direktor musste sich damit zufrieden geben, dass er den Schuldigen wohl nie finden würde.

Wes wartete jeden Tag an der Brücke auf mich, egal ob mein Vater mich fuhr oder ich „zu Fuß gehen musste". Wenn er mich nicht mitnehmen konnte, trafen wir uns am Parkplatz. Er akzeptierte es, dass ich mich nicht zu Schwimmteam stellen wollte und begleitete mich stets zum Eingang wo er mich an die Geschwister übergab. Wir redeten nicht mehr über den Nachmittag in der Hütte und es machte den Anschein, als wäre bei ihm zu Hause so weit alles in Ordnung.

Ich hatte mich an mein Kinoverbot gehalten, da mein Vater tatsächlich seinen Dienst getauscht hatte um mich zu überwachen. Zwar hatte er einen indonesischen Abend mit mir veranstaltet, aber ich war nur halbherzig dabei gewesen und hatte heimlich unter dem Tisch SMS an Wes verschickt.

Wir hatten noch immer gemeinsamen Unterricht, da sich kein Ersatzlehrer finden ließ. Tristan löcherte mich nicht mehr, er war sehr nett, seit ich ihm meine Unterlagen gegeben hatte. Vielleicht lag es auch daran, dass ich Wes erzählt hatte, dass er mich genervt hatte.

Zwei Tage vor Halloween war es mit der idyllischen Ruhe jedoch erstmals vorbei, denn als wir aus dem Wagen ausstiegen, standen seine Freunde vor uns.

Ich blieb erschrocken stehen und Wes seufzte. „Du kannst gehen, wenn du willst.", raunte er mir zu. Er akzeptierte es, ohne bisher nachgefragt zu haben, dass ich keine größeren Menschenmengen mochte.

Ich wollte mich gerade aus dem Staub machen, als Tristan mir den Weg versperrte. „Guten Morgen Sophie.", begrüßte er mich laut und grinste mich schelmisch an.

„Stellst du uns dein Mädchen heute endlich mal vor?", fragte Thomas laut und lehnte sich gegen seinen SUV.

Ich war knallrot angelaufen und starrte die Leute vor mir an, wie ein Reh das Scheinwerferlicht, dass immer schneller und schneller heranraste. Unfähig zu sprechen, oder mich zu bewegen, stand ich da und begann langsam unter meiner Mütze zu schwitzen.

Wes schnaubte neben mir und ich richtete meinen Blick auf ihn. Er wirkte gelassen und cool, doch ich merkte, dass er leicht angespannt war. Mir war aufgefallen, dass seine Nasenflügel zu zucken begannen, wenn er verärgert war.

„Privatsphäre war dir auch schon immer ein Fremdwort oder?", sagte er und bleckte die Zähne.

Tristan nickte nur heftig und Thomas riss das Wort an sich: „Wir sind doch nur neugierig, wer es schafft dich vor 8:00 Uhr in das Schulgebäude zu bekommen.".

Er wandte sich direkt an mich: „Bestichst du ihn mit deinen Lernmaterialien? Die sind echt spitze!".

Verwirrt über ein solches Kompliment sah ich Wes stirnrunzelnd an, doch dieser blickte mich ebenso verwirrt an.

„Ich hab sie weitergegeben, ich hoffe das ist okay!", murmelte Tristan.

„Hast du das für andere Fächer auch?", bohrte Thomas nach, „du kannst das wirklich gut, damit schaff ich nächste Woche mal was anderes als eine knappe 4 denke ich.".

Es ging um die Schule, bei diesem Thema fühlte ich mich sicher, ich konnte auf so eine Frage antworten. Ich wollte gerade den Mund aufmachen um ihm zu sagen, dass ich das jede Woche tat um den Stoff zusammenzufassen, als mir ein blonde Mädchen aus der Gruppe zuvor kam.

„Als hätte jemand so viel Zeit um sich das anzutun!", lachte sie glockenhell und warf sich dabei ihre lange Mähne über die Schultern. Sie hatte eine Designerhandtasche über ihren Ellenbogen baumeln, aus dem ein einziger Collegeblock herausschaute, sie trug Stiefeln mit Absätzen und die Kapuze ihrer Jacke hatte einen Pelzkragen. Ich kannte ihren Namen nicht, aber ich fand sie auf Anhieb unsympathisch.

Ich erwiderte nichts und ließ geknickt die Schultern hängen.

„Nicht jeder von uns verbringt seine Zeit nur vorm Spiegel und macht Fotos von sich selbst, es gibt Leute die hübsch und klug sind.", Wes Stimme war eiskalt und sein Blick brachte mich zum Frösteln.

Doch das Mädchen schreckte nicht zurück, sie lachte wieder ihr Glockenlachen legte ihre Hand auf Wes' Arm. „Ach wie süß du doch bist Wesley.", ihre Augenblitzten schadenfroh als sie seinen vollen Namen aussprach, „So verknallt habe ich dich ja schon lange nicht mehr gesehen, ist er nicht putzig mit der kleinen Sophie?", sie wandte sich an ihre Freundinnen und wackelte übertrieben mit ihren angemalten Augenbrauen.

„Du bist ja nur eifersüchtig!", ein anderes Mädchen, das hinter Tristan stand und dass ich bereits mit ihm und Wes in Tante Majas Café gesehen hatte, deutete auf die blonde lachende Löwenmähne, „Nur weil er mit dir nie ausgehen wollte.".

„Christine!", zischte die blonde erzürnt und war auf einmal gar nicht mehr zum Lachen aufgelegt, „Ich wäre vorsichtig an deiner Stelle!".

„Es reicht jetzt.", brummte Wes und zog mich am Arm von der Gruppe davon.

Er schwieg und sah mich nicht an, als wir auf die Schule zumarschierten.

Ich warf ihm nervöse Blicke zu, traute mich aber nichts zu sagen.

Als wir am Eingang ankamen blieb er ruckartig stehen und drehte sich zu mir: „Es tut mir leid.", er sah mich ernst an.

„Du findest mich hübsch und klug?", platzte es aus mir heraus und er sah mich verdutzt an, dann begann er laut zu lachen und schüttelte seinen Kopf.

„Du bist einfach die Beste!", er boxte mich sanft in die Schulter, „Na komm, ich will wissen welchen Smoothie dein Freund heute wieder anschleppt.".

Wenn Wes weintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt