Wind rauschte in den Linden, die um die Schülerin herum wuchsen. Sie standen so vereinzelt, dass die Sonnenstrahlen fast ungehindert auf den mit hohem Farn bedeckten Boden trafen. Alles erstrahlte in dem satten Grün der Blattfrische und in der Nähe glitzerte ein kleiner Teich zwischen den Bäumen. Es hätte wunderschön sein können, wenn nicht dieser Wind gewesen wäre, der Rankenpfote dazu brachte, schneller zu laufen. Er wehte von dem Teil des Waldes zu ihr hinüber, in dem die Bäume dicht an dicht standen, sodass unten auf dem Boden völlige Dunkelheit herrschen musste, und trug einen unangenehmen Geruch mit sich. Die Schülerin rannte schon fast, als neben ihr die Farnwedel erzitterten. Kurz meinte sie eine schwarz-weiße Gestalt zu erkennen, die sie mit ihren gelben Augen musterte. Stocksteif blieb Rankenpfote stehen. Ihr Blick zuckte zwischen den Schatten unter den Farnwedeln umher.»Hallo?«, rief sie und beobachtete ihre Umgebung, die auf einmal nicht mehr schön und idyllisch wirkte, sondern eher bedrohlich.
Keine Antwort. Nichts regte sich mehr und Rankenpfote setzte ihren Lauf fort, langsamer und vorsichtiger diesmal.
»Da bist du ja!«, vernahm sie eine Stimme hinter sich und wirbelte erschrocken herum.
Noch bevor sich ihr Herzschlag wieder beruhigen konnte, weil sie die Stimme erkannt hatte, trat die andere Kätzin aus dem Farn hervor.
Schnurrend stürzte Rankenpfote auf sie zu, wusste nicht, was sie nach all der Zeit sagen sollte. Oft genug hatte sie sich vorgestellt, ihre Mutter Storm wiederzusehen, hatte sich Worte zurecht gelegt, wie sehr sie sie vermisst hatte, warum sie sich nach ihrer Schülerernennung nie wieder sehen konnten, oder warum sie sie gerade jetzt wieder aufsuchte. Doch in diesem Moment war sie so überwältigt vor Glück, dass sie nur ein leises »Mama!« hervorbrachte und ihren Kopf an dem Fell ihrer Mutter rieb.
Storm begann ebenfalls zu schnurren, trat aber nach einigen wenigen Herzschlägen zurück und löste sich von ihrer Tochter.
»Es ist so weit. Die Zeit ist gekommen, dass wir wieder miteinander reden«, miaute sie.
Ein erneuter Windhauch ließ den Farn um sie herum erzittern und trug den üblen Geruch zu ihnen herüber.
Als Rankenpfote die angewidert Nase rümpfte, erklärte Storm: »Das ist der Geruch des Waldes der Finsternis. Es tut mir leid, dass wir uns gerade hier treffen mussten, aber nur hier sind wir ungestört. Keine SternenClan-Katze nähert sich dem Wald der Finsternis freiwillig.«Weshalb ist das so wichtig?, fragte sich Rankenpfote. Gibt es SternenClan-Katzen, die nicht damit einverstanden sind, dass wir miteinander reden?
Eilig schob sie ihre Zweifel beiseite, denn schließlich war das ihre Mutter, die da vor ihr stand! Bestimmt will sie nur ungestört Zeit mit ihrer Tochter verbringen.
Doch dann erinnerte sie sich an den schwarz-weißen Pelz im Farn. »Ich habe aber eben eine Katze gesehen.«
Ein belustigter Ausdruck trat in das Gesicht ihrer Mutter, die einen Punkt hinter Rankenpfote anstarrte, und Storm miaute: »Dann war sie sicher auf dem Weg hierher. Sie wollte sich nämlich mit uns treffen.«
Rankenpfote drehte sich um, um zu sehen, wen, oder was ihre Mutter da betrachtete. Ein erschrockener Schrei entfuhr ihr, als sie kaum zwei Mauselängen von ihr entfernt die Schnauze einer Katze aus dem Farn auftauchte. Es war jedoch nicht die schwarz-weiße Katze von eben, nein, diese Kätzin hatte einen braun-grau getigerten Pelz. Rankenpfote hatte Blattschatten gar nicht kommen hören.
»Was machst du denn hier?«, wollte sie fragen, doch eine Berührung an ihrer Schulter lenkte sie ab. Sie wirbelte herum, doch da war nichts. Storm und Blattschatten blickten sie etwas irritiert an, dann verschwamm alles um sie herum und einen Moment später schlug sie die Augen auf. Über ihr erkannte sie das Geäst des Schülerbaus, das sich dunkel vor dem Nachthimmel abzeichnete. Nicht mehr der Geruch des Waldes der Finsternis, sondern der des schlafenden FederClans wurde zu ihr herüber getragen.
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Verworrene Pfade ~ Reise ins Ungewisse // Band 1
Fanfiction»Die Pfade der Ranke sind verworren. Niemand kann wissen, wohin sie führen mögen, wohin die zarte Pflanze sich schlängeln mag. Selbst der Pfad den sie gekommen ist, ist unüberschaubar, verliert sich in den Pfaden so vieler anderer.« Krieger zu werde...