03 - I love you so much that it hurts

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"Doch du bist meine Welt, Sammie. Ich möchte sie dir erzählen, ein letztes Mal, als Abschied"

Ich tose mit bebender Furcht, fege durch dein blondens Haar. Als Abschied ? Niall, bitte, sag soetwas nicht. Atme ein, aus. Blicke in meine Weiten, sieh, was du zu verlieren hast. Tu es mir nicht gleich. Der Tod ist nichts für Menschen wie dich. Er ist für mich, für Leute, die alles falsch gemacht haben und mit ihren Fehlern nicht mehr weiter leben wollen. So egoistisch, so undankbar, wie ich es war und du nie sein wirst.

Diese Menschen haben nie vor sich durch eigene Hand zu töten, es macht ihnen unermessliche Angst sich selber für all ihre Seelenqualen leiden zu lassen. Doch sie tun es alle. Sie verfallen dem, was sie eines Tages umbringt. Es war die Liebe zu dir, bin dir mit vollkommenem Herzen verfallen und in eine unendliche Tiefe abgerutscht, aus der auch du mich nicht retten konntest. Denn du hast mich nie so sehr geliebt, wie ich es getan habe, nicht wahr ?

Leise räusperst du dich, ziehst eines der Fotos hervor, die du gefalten in deine Jackentaschen getan hast.

"Wie fange ich nur an.", murmelst du, kaust auf deiner Unterlippe und kräuselst deine Stirn. Wie ich es doch geliebt habe, wenn du mich so angesehen hast, tief in Gedanken versunken. Über mich, dich, uns.

"Siehst du dieses Foto hier ? Ich weiß noch genau, wie wir es zusammen gemacht haben. Es war kurz vor deiner Diagnose auf diesem Halloweenfest, auf das du unbedingt wolltest. Ich wollte dort wirklich nicht hin, ich hab diese Kostüme und diesen Lärm schon immer gehasst.

Dir zur Liebe bin ich aber mit dir zusammen dorthin gegangen, hab mir sogar ein Kostüm von dir aufschwatzen lassen. Dieses Flash-Kostüm, das ich bis heute wirklich unglaublich hässlich finde", leise lachst du, schüttelst deinen Kopf. Tränen füllen deine leeren Augen, still und heimlich laufen sie deine geröteten Wangen hinab, bevor sie hinunter auf dein T-Shirt fallen. Ist es dafür nicht viel zu kalt, Niall ?

"Und trotzdem habe ich es getragen und zwar stolz, denn du hast es mir ausgesucht. Wir haben so viel gelacht, gegessen und getanzt. Wir hatten Spaß, endlich mal wieder Zeit nur für uns.

Weißt du noch, als dieser schmierige Typ Simon dir 'ne Cola angeboten hat und er sie danach auf deinem ganzen Kleid verteilt hat ? Er ist gestolpert, so tollpatschig wie er auch immer war und hat dein ganzes Outfit ruiniert. Aber du fandest es total witzig und hast ihm aufgeholfen, ihn dabei sogar noch breit grinsend angelächelt.

Weißt du, wie sehr ich dieses Lächeln vermisse ? Wenn deine Nase sich kräuselt, du kleine Lachfältchen um die Augen bekommst und deine Augen heller als die Sonne und jeder Diamant dieser Welt strahlen. Lächelst du noch immer ? Vielleicht sogar auf mich hinunter, in diesem Augenblick ? Siehst du mich ? Siehst du, dass ich ein Schatten meiner selbst bin, eine leblose Hülle, ein Niemand ohne dich ?"

Lange schaust du in das tiefe Schwarz meiner Nacht, tobende Wolken am Himmel. Ein Ebenbild meiner Gefühle, deiner Seele. Du verlierst dich in diesem Chaos der Emotionen, fühlst dich so geborgen, so nah. Tausende Sekunden vergehen in denen du mich voller Kummer anstarrst und ich ungezähmt zurück blicke, mich in dem Ozean deiner eisigen Augen verliere.

"Ich frage mich, wieso du Simon nicht einfach am Boden liegen gelassen hast und beleidigt auf's Mädchenklo verschwunden bist, so, wie du es sonst getan hättest. Vielleicht lag es an dem Alkohol in deinen pulsierenden Venen, vielleicht war es auch einfach nur so bestimmt. Wer weiß, vielleicht gibt es ja wirklich einen allmächtigen Gott, der mich um jeden Preis leiden sehen will und dich dafür bestraft hat"

Niall, der Tod war niemals eine Strafe für mich, sondern das Leben selber. Jeder Tag war für mich eine Qual, das Atmen viel mir schwer, das Lachen ohne dich schien wie ein völliger Irrsinn. Du warst der Grund, wieso ich jeden Tag meine Augen aufs Neue aufschlug. Du warst es, der mich am Leben hielt, mein Licht im Dunkeln, mein Fels in der Brandung, meine Rettung von all dem Bösen meiner eigenen, leibhaftigen Seele. Du warst es, der mit meinen Dämonen getanzt hat und sie gleichzeitig zum furchtbaren Singen meiner Todesmusik brachte.

Manche Menschen sind nicht dafür geschaffen, zu leben, Niall, und schon gar nicht ich. Doch du warst es wert, mich meinen singenden Teufelsstimmen nicht sofort hinzugeben. Irgendwann aber verliert jeder den Kampf gegen sich selber, egal wie leise die Stimmen auch nur in deinem Kopf flüstern mögen. Und ich habe verloren, Niall, auf ganzer Strecke. Und es tut mir so unendlich leid.

"Wieso hast du diese Pillen von Simon angenommen ? Wolltest du der Realität entfliehen ... oder mir ? War ich dir nicht gut genug ? Sammie, wieso nur hast du mich in dieser schrecklichen Welt einfach alleine gelassen.", du atmest tief ein, fährst dir über deine müden Augen. Nichts spiegelt sich in ihnen, triste Leere füllt sie von Augenrand zu Augenrand und nichts könnte mich trauriger machen, als die Tatsache, dass du anfängst aufzugeben, mich, dich. Stürmisch weine ich, lasse dich meine vollkommene Kraft spüren, hülle dich in ein gefährliches Gift meiner selbst. Liebe und Leid.

"Ich habe dich geliebt, liebe dich so sehr, Sammie. Ich kann meine Liebe zu dir nicht in Worte fassen, denn nichts ist dieser vollendeten Schönheit deiner Seele würdig. Ich will deine Stimme hören, deine Perfektion mit all meinen Sinnen genießen, deinen Körper direkt neben Meinem spüren. Oh Sammie, ich liebe dich so sehr, dass es so unermesslich weh tut", wisperst du mit tränenerstickter Stimme, dein Herz pocht schmerzhaft schnell gegen deine Brust.

Voller Leid kneifst du deine Augen qualvoll stark zusammen, Schauer durchfahren deinen Körper. Zitternd brichst du in grausam kümmerlichen Tränen aus. Schluchzer lassen dich beben, mich schreien. Vögel rufen mit markerschütternden Lauten deinen Namen, Regen, Tränen nässen dich mit der unersättlichen Qual meines Herzens, welches nur für dich geschlagen hat.

Niall, ich habe dich so sehr geliebt, dass es mir mein Leben genommen hat.


before I goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt