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94 Tage vorher

Ich spürte den letzten Abend in meinen Knochen. Mir ist immernoch nicht bewusst, warum ich ihn küssen wollte und vor allem nicht, warum es mich so verletzte, dies nicht gekonnt zu haben.

Auch wenn es Samstag war und ich ausschlafen konnte, war ich dennoch kein Morgenmensch. Ich schaute mich in meinem Zimmer um. Alles war an dem Platz an dem es sein sollte. Mein Zimmer war nicht besonders groß aber es hatte alles was ich benötigte. Mein Lieblingsteil in meinem Zimmer war mein Himmelbett. Es bot mir Platz zum Zurückziehen, zum Fühlen, zum Weinen und zum Träumen. Von dort aus konnte ich durch ein großes Fenster in den Wald schauen, der an unserem Garten grenzte. Dort konnte ich in meinen Notizblöcken rumkritzeln, lesen, Musik hören und mit meinen Freunden drin abhängen. Es war der Ort, an dem alles okay war, auch wenn eigentlich gar nichts okay war. So wie jetzt.

Langsam stand ich auf und ging zu meiner Kommode. Sie war weiß, wie die meisten meiner Möbel. Über ihr hing ein Spiegel. Ich schaute mir direkt in meine Augen. Meine Haut war ziemlich blass und unter meinen Augen waren tiefe Ränder zu sehen. Ich schaute mir weiter direkt in die Augen, in der Hoffnung, sie würden mir sagen, was mich so an dem Gedanken an letzte Nacht so verletzte.

Langsam strich ich mir mit den Händen durchs zerzauste Haar. Mein Blick wanderte über jede Pore meiner Haut bis er wieder an meinen Augen hängen geblieben ist. "Jetzt denk nicht wieder über diesen Mist nach", murmelte ich leise vor mir hin, bis ich mich von meinem Spiegelbild abwendete und mich für das Frühstück mit meiner Familie fertig machte.

Als ich die Treppen herunter ging, saßen Ron und mein Dad bereits am Küchentisch. Ich nahm links neben ihm Platz. Meine Mum hatte bereits den Tisch gedeckt und setzte sich ebenfalls zu uns. Sie und mein Bruder waren das komplette Genteil von mir, beide waren Morgenmenschen und konnten sich schon am frühen Morgen über Gott und die Welt unterhalten. Ich kam da mehr nach meinem Dad, welcher seelenruhig neben mir in seiner Zeitung las.

Aus dem Blickwinkel überflog ich die Schlagzeilen. "Verhandlungen abgebrochen nach heftigen Diskussionen" In letzter Zeit merkte ich immer häufiger, dass mein Vater angespannt war. So auch jetzt. Niemand wusste genau, wie es weiter gehen würde. Alle hatten Angst aber überspielten diese und lebten einfach ihr normales Leben weiter.

Mir jedoch nahm es den Appetit und ich verließ die Küche, nachdem ich mir wenigstens mein Müsli runtergezwungen hab. In meinem Zimmer angekommen nahm ich mein Handy und öffnete den Gruppenchat mit meinen besten Freunden.

Ich: Leute, ich brauche wieder eine Baumhaus-Nacht mit euch...

Ed: Bin dabei. Was ist mit den anderen?

Syd: Ian und ich auch. Wir bringen Pizza mit.

V: Ich bin natürlich auch dabei aber was heißt hier bitte "Ian und ich" haha

In diesem Moment versanken meine Gedanken in einer Diskussion mit meinen besten Freunden. Jetzt war es egal wie ich mich wegen KIllian fühlte oder ob ich Angst vor der Zukunft hatte. Es ging nun einzig und allein darum, einen schönen Abend mit meinen Freunden im Baumhaus verbringen zu können und natürlich auch darum, was mit "Ian und ich" gemeint war.

***

Es dämmerte mittlerweile, also nahm ich meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zum Baumhaus. Ed hatte irgendwann die Idee gehabt ein Baumhaus zu bauen. Eltern waren dort streng verboten und was dort geschah blieb auch dort. Es lag versteckt im Wald in der nähe von einem kleinen See und mit der Zeit haben wir es uns dort gemütlich gemacht. Syd hatte irgendwann mal Lichterketten dort aufgehangen und V alle Kissen mitgebracht, die beim Umzug zu ihrem Vater aussortiert worden sind.

Ich musste nicht weit laufen bis ich das Lagerfeuer sah, welches Tom bereits angemacht hatte. Auch V, Syd und Ian waren schon dort. In diesem Moment wollte ich nirgendwo anders sein als an diesem Lagerfeuer inmitten meiner besten Freunde.

"Hey Q, war ne gute Idee von dir. Ich brauchte auch mal wieder eine Baumhaus-Nacht." rief mir Tom zu und die anderen stimmten ihn zu. Sie hatten recht, wir hatten lange keine Baumhaus Nacht mehr. Ich setzte mich zu ihnen ans Feuer und spürte direkt die Wärme des knisternen Feuers auf meiner Haut.

"HEYO, ich hab wen mitgebracht!", ertönte es plötzlich hinter mir, unverkennbar Eddie. Ich drehte mich um und blickte direkt in stechend graue Augen, unverkennbar Killian. Hinter den beiden traten nun auch Louis und Toby hervor. Warum hatte Ed sie mitgebracht?

Sie kamen langsam auf uns zu und setzten sich zu uns ans Feuer. Ed nahm direkt neben mir platz und begrüßte mich mit einem kleinen Wangenkuss. "Hey Q, ich hoffe es macht dir nichts aus, dass ich die Jungs mitgebracht hab." Mein Blick ist jedoch antwort genug. "Hä Q, ich dachte du magst sie?" Ed guckt mich verwundert an. "An sich ja schon, aber ich dachte das Baumhaus wäre unser Ort. Wir gegen den Rest der Welt" murmle ich mit einem enttäuschten Unterton. Wobei doch mein wahres Problem eigentlich nur er, Killian, ist. "Ach komm schon Q. Bleib locker das wird lustig." Ed lacht verschmitz und auch ich kann mir ein zarghaftes Lächeln nicht verkneifen.

Ich wendete mich wieder der Gruppe zu und lauschte gespannt den Gesprächen der anderen. Mein Blick fiel immer wieder auf Killian, welcher gebannt ins Feuer starrte und wie ich ebenfalls keinen Ton von sich gab. Ich glaube ich werde niemals aus ihm schlau.

Mit der Zeit legten sich die anderen schlafen. Ich blickte jedoch weiterhin ins knisternde Feuer und beobachtete den Tanz der Funken. Die Wärme der Flammen verbreitete sich über mein Gesicht. Doch eine sanfte Stimme riss mich aus meiner Trance...

99 DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt