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Anders als Ed hielt er mir nicht die Tür auf. Ein wenig aufgeregt stieg ich in seinen Wagen ein. Es war ein tiefschwarzer Jaguar, sehr gepflegt. Ich hätte nie gedacht, dass er einen Oldtimer fahren würde, aber er passt zu ihm.

Nicht wie bei Ed sprang der Motor direkt an und mit einem Schwenker rangierte Killian den Wagen geschickt aus der Parklücke. Er verstand sein Handwerk. Obwohl er das Lenkrad ganz lässig in nur einer Hand hielt, hatte er die volle Kontrolle über den Wagen. Er fuhr schnell und es fühlte sich wie fliegen an.

Mein Blick hing an ihm. Er war so ganz anders als jede andere Person, die ich jemals kennengelernt hab. Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Wo bin ich? Mir wurde klar, dass ich ihm gar nicht gesagt hatte, wo ich wohnte. Wo fuhr er also hin? Noch nie bin ich diese Straße langgefahren.

"Ähh... Killian? Wo sind wir?" In meiner Stimme lag Unsicherheit. Ein wenig war ich immer noch eingeschüchtert von seiner bestimmerischen Art vorhin. Doch anders als erwartet antwortete er mit belustigter Stimme. "Ach Prinzesschen, dir kann man's auch nicht recht machen. Du hast mir nicht gesagt, wohin ich dich bringen soll also mache ich einfach ne kleine Tour."

Perplex blickte ich zu ihm rüber. Hat er mich gerade ernsthaft Prinzesschen genannt? Das ist schon herablassend aber irgendwie auch... süß.

Mist! Quinn, hör auf sowas zu denken!

Ich linste zu ihm herüber und konnte mir ein leichtes grinsen nicht verkneifen. Auch er lächelte leicht und seine feinen Grübchen verzierten seine Wange. Sein Blick lag auf der Straße, doch mir war bewusst, dass er merkte wie sehr ich ihn anstarrte. Aber ich konnte einfach nicht aufhören ihn anzustarren.

Er sah so gut aus wie er dort saß. Wie der Fahrtwind durch das heruntergelassene Fenster durch seine dunklen, zerzausten Haare ging, wie das Licht der Abenddämmerung seine Augen zum leuchten brachte, wie sein Lächeln mich verzauberte obwohl ich auch seine kalte Seite kannte. In diesem Moment wollte ich nirgendwo anders sein als im Auto mit Killian auf dem Weg nach nirgendwo.

Auch wenn ich schon mein ganzes Leben hier wohnte, wusste ich nicht genau wo wir waren. Es war eine abgelegene Landstraße. Kein anderes Auto war weit und breit zu sehen. Im Licht gold leuchtende Gräser so weit das Auge reichte. Es war einfach nur wunderschön. Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl, wie der Wind auch durch meine Haare ging. In diesem Moment war ich einfach nur glücklich. Ich war frei und fernab in meiner eigenen Welt, weit weg von den Problemen, die mich zuhause erwarten würden.

Ich wünschte mir, dass dieser Moment nie enden würde, doch irgendwann blieb sein Auto vor meinem Haus stehen. Die Sonne war mittlerweile fast gar nicht mehr zu sehen und auch der leichte Sommerwind wurde kühler. Ich merkte seinen Blick auf mir und schaute zu ihm rüber. Unsere Blicke trafen sich und ich spürte wie tausend kleine Impulse meinen Körper durchzogen.

"Danke, für's ... nach Hause bringen" flüsterte ich ohne meinen Blick von ihm abzuwenden. "Immer wieder gerne... Prinzesschen." Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und auch seine Grübchen kamen wieder zum Vorschein. Was machte er nur mit mir?

In diesem Moment wollte ich einfach nur bei ihm sein und... ihn küssen. Doch plötzlich schoss mir wieder der Gedanke an die Dinge, die er mir angetan hat durch den Kopf. Das letze Mal dachte ich auch, er wolle mich küssen und trotzdem ließ er mich stehen und warf es mir danach noch an den Kopf. Ich wollte mich nie wieder so fühlen.

Bei dem Gedanken daran machte sich erneut Enttäuschung in mir breit und ich senkte meinen Blick. Ehe ich mich mit einem "Bis dann" verabschiedete und den Wagen verließ. Auf dem Weg zu meiner Haustür schaute ich immer wieder zurück. Erst als die Tür ins Schloss fiel und ich im Haus verschwand, fuhr auch Killian weg.

***

Erschöpft von dem Gefühlschoas, das meinen Tag durchzog, streife ich meine Schuhe ab und hing meine Jacke auf. Aus dem Wohnzimmer hörte ein leises Knistern. Meine Eltern saßen Abends gerne am Kamin um den Abend ausklingen zu lassen.

Mit einem "Ich bin wieder daaa" betrat auch ich das Wohnzimmer und setzte mich zu meinen Eltern ans Feuer. "Ach dich gibt's auch noch?" Meine Mutter schaute belustigt zu mir herüber. Mein Blick fiel auf die Uhr an der Wand. Was? Schon halb Elf?

"Erwischt" gab ich verlegen zurück. Ich war froh, so entspannte Eltern zu haben. Sie ließen mir meinen Freiraum und schoben auch nie ein Drama, wenn ich mal etwas später nach Hause kam, was mit meinen Freunden und den Dummheiten, die wir zusammen machten, keine Seltenheit war.

Ich kuschelte mich an meine Mum und schaute den Funkten zu, wie sie im Feuer tanzten. Wärme durchzog meinen Körper doch meine Gedanken waren ganz wo anders. Bei ihm. Ich bekam ihn nicht aus dem Kopf. Niemand rief jemals solche Gefühle in mir hervor wie er. Weder dieses unbeschreiblich glückliche Gefühl der Unbeschwertheit und des frei Seins als auch dieses schmerzhafte Gefühl der Enttäuschung.

Je länger ich nun dort lag, merkte ich, wie erschöpft ich doch war. Also beschloss ich, ins Bett zu gehen.

Und von ihm zu träumen.

99 DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt