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96 Tage vorher

Mein Wecker klingelte, doch ich war komischerweise bereits wach. Eigentlich bin ich ein totaler Morgenmuffel. Ich kann zehn Tage durchschlafen und trotzdem muffelig aufwachen. Anders als heute. Obwohl die Schule rief, hatte ich gute Laune am Morgen, Sachen gibts.

Schon abfahrtbereit mit gepackter Tasche stand ich nun in Hausflur. Durch meine ungewöhnliche Motivation am Morgen war ich zum ersten Mal nicht zu spät, sondern mal viel zu früh fertig. Mein kleiner Bruder Ron, der gerade die Treppe runter kam, schaute mich verdutzt an „Was ist denn mit dir los? Öffnet der Donut Laden heute früher?" Ich schmunzelte ihn nur an, gab ihm einen kleinen Schmatzer auf die Wange und wünschte ihm einen guten Tag in der Schule.

Ron ist nur zwei Jahre jünger als ich. Trotzdem verstanden wir uns meistens ziemlich gut, solange wir uns nicht zu sehr auf die Pelle rückten. Genau wie ich hatte er blonde Haare und hell grüne Augen. Früher haben wir jeden Abend zusammen Burgen aus Kissen und Decken gebaut um uns vor Monstern zu schützen. Mittlerweile bauten wir keine Burgen mehr zusammen, sondern guckten jeden Donnerstag Abend zusammen einen Film. Irgendwie ist das mit der Zeit zu unserem Ritual geworden, doch ich freute mich immer drauf.

Das Leuten der Türklingel risst mich aus meinen Gedanken. Ich erschrak mich obwohl ich doch genau wusste, dass Eddie jeden Morgen um die Uhrzeit vor der Tür stand. Ich öffnete die Tür und rief meinem Bruder noch ein „Tschüüüs" hinterher bevor ich die Tür hinter mir schloß.

„Na Q, Lust auf Donuts?", fragte mich Eddie grinsend. „Natürlich Ed, was für eine Frage. Aber heute gehen sie mal auf mich!" kam es ganz überzeugt aus mir heraus. „Ausnahmsweise" murmelet Eddie während er schmunzelnd zu mir herüber guckte und mir die Tür offen hielt.

Auch Ruby, Ed's Auto, schient heute mal gute Laune zu haben und sprang  beim ersten Versuch an. Ed grinste zufrieden und trat glücklich aufs Gas Pedal. Wie einfach Männer doch glücklich gemacht werden können... „Was sagst du eigentlich zu den Neuen?" , fragte mich Eddie. „Vom ersten Eindruck her scheinen sie sehr nett zu sein. Luis hasst Bio scheinbar genauso sehr wie ich. Kommst du eigentlich auch morgen auf Tobys Party?" „Ja denke schon, muss nur schon um 22 Uhr nach hause, weil der Babysitter meiner Schwester nicht so lange kann." Ein bisschen Enttäuscht war ich schon aber Hauptsache er kam überhaupt, schließlich ist er mein bester Freund.

***

An der Schule angekommen trennten sich dann unsere Wege. Ich hatte nämlich meinen Sonderkurs Literatur, welcher eine Viertelstunde vor dem regulären Unterrichtsbeginn anfing. Der Kurs war gerade wegen des erfrühten Stundenbeginns nie wirklich voll. Auch meinen Freunden waren diese 15 Minuten scheinbar zu wertvoll, weshalb ich warscheinlich die einzige "normale" in diesem Kurs war. Das machte mir aber nichts aus, da ich in diesem Fach einfach total aufging. Wie winzige Wörter so viel audrücken können und wie sehr einen ein Theaterstück berühren kann, das ist es, was mich so faszinierte.

Ich saß bereits an meinem Platz und blättere in meinen Unterlagen als Killian den Raum betrtat.

Er schaute sich um. Ich konnte in seinen stechend grauen Augen lesen, dass er überlegte wo er sich hinsetzen solle. Sein Blick wanderte durch den Raum bis er bei mir hängen blieb. Ich war die einzige in diesem Kurs, die er kannte also gab ich ihm ein Zeichen, dass er sich zu mir setzen könnte, denn ich wusste wie mies das Gefühl ist, neu in einem Kurs zu sein. Er kam zu mir rüber und ich konnte ein kleines Lächeln auf seinen Lippen erkennen.

Ich wusste absolut nicht wie ich ihn einschätzen soll. Sein Auftreten war eindrucksvoll und er kam beherrscht und kühl rüber. Manche würden sagen, er wäre emotionslos und kalt. Aber er hatte irgendwas an sich, was mir das Gefühl gab, dass er auf seine Art ein einfühlsamer und sachter Mensch war. Er hatte Etwas an sich was ihn ziemlich interessant machte und vor allem undurchschaubar. Gerade er war die letzte Person von der ich erwartet hätte, dass sie diesen Kurs belegt und doch stand er nun hier.

Er setzte sich neben mich. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm lösen. Auch er blickte mich gebannt an. Es fühlte sich surreal an und meine Gedanken spielten verrückt. Was war an ihm, was mich so fesselte?

Dann bracht er das Schweigen "Quinn, richtig?" "Genau, und du bist Killian, stimmts?" fragte ich. Diese Frage war absolut unnötig, da ich ganz genau wusste wie er heißt. Er nickte draufhin mit einem kleinen Lächeln. "Kommst du auch morgen zu Tobys Party?" versuchte ich das Eis zu brechen. "Ich denke schon. Er ist schließlich mein bester Freund" antwortete er darauf. Irgendwie freute es mich, ihn morgen wiedersehen zu können. Er faszinierte mich so sehr, ich musste ihn einfach besser kennenlernen.

***

Nach der Stunde gingen wir gemeinsam zu unseren Freunden in die Mensa. Mir kam es so vor als würde man ihn kennenlernen müssen um ihn und seine Art verstehen zu können. Doch je mehr ich mit ihm geredete hatte, desto mehr verschwand das kalte Bild, was ich von ihm hatte aus meinem Kopf auch wenn es nur oberflächlicher Smalltalk war.

Wir gingen auf den Tisch zu, an dem unsere Freunde saßen. Ich merkte wie uns Eddie skeptisch anblickte. Vielleicht hätte er auch nicht vermutet dass Killian in meine Kurs geht. Ich setzte mich neben ihn und schnippste grinsend um ihn aus seiner Gedanken Welt zu holen, worauf er mich zarghaft lächend anblickte. Der Gute alte Eddie, manchmal wüsste ich echt gerne was in seinen Gedanken so vor geht.


99 DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt