Mit einem Lächeln auf den Lippen, wachte Toni auf und schaffte es auch nicht seine Gedanken an seinen Traum von letzter Nacht zu verdrängen, bis er fertig angezogen war. Er hatte von Rezo geträumt. Noch immer breit lächelnd frühstückte er, dachte über den gestriegen Tag nach. Erst als er das Wohnzimmer betrat, fiel das Lächeln in sich zusammen. Rezo bemerkte ihn nicht, als Toni das Zimmer betrat, sah nicht, wie er erstarrte. Auf die Knie gestützt saß sein Freund da, die rechte Hand halb in die Haare gekrallt, halb das schmerzverzerrte Gesicht verdeckt, die Augen geschlossen und Zähne aufeinander gepresst. Seine Linke lag schlaff auf seinem Oberschenkel, verkrampfte sich kurz und ruhte dann wieder, bevor sich die Finger wieder in den Stoff der Hose gruben. Als ein gequältes Wimmer ertönte, erwachte Toni aus seiner Erstarrung. Er war nicht länger in der Lage diesen inneren Kampf seines Freundes unbeteiligt zu ertragen.
"Schlechter Tag?" Der Angesprochene zuckte erschrocken zusammen und hob den Kopf. Es brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann war der Schmerz aus dem Gesicht verschwunden und mit einer gleichgültigen Maske bedeckt.
"Verstecken hilft weder dir noch mir." Als er sich neben Rezo setzte und seine Hand ergriff, offenbarte dieser zögerlich wieder seine inneren Qualen.
"Verdammt schlechter Tag", erwiederte er und begann nervös mit Tonis Hand zu spielen. Toni lächelte leicht, ließ ihn gewähren und wartete.
"Ich weiß nicht, ob wir heute unser Video drehen sollten." Er bemerkte, dass der Ältere leicht den Kopf einzog, während seine Hand plötzlich starr in Tonis verharrte.
"Ich denke das weißt du ganz genau." Rezos blaugraue Augen richteten sich auf ihn und starrten ihn einen Moment lang an, ehe er unsicher Luft ausstieß.
"Na gut. Ich weiß, dass ich das heute nicht schaffen würde. Zufrieden?" Toni grinste leicht, als er den verärgerten Tonfall heraushörte.
"Noch nicht ganz." Er ließ sich seitlich auf das Sofa fallen und zog Rezo in eine feste Umarmung. Er konnte nicht widerstehen, ihm die Haare weiter zu zerzausen.
"Hey", protestierte sein Freund, unternahm aber keinen Versuch etwas an der Situation zu ändern.
"Nia komm mal her", rief Toni seinen besten Freund, der innerhalb weniger Sekunden das Zimmer betrat.
"Hm?" Er hielt Rezo weiter fest, als dieser nun doch noch versuchte aufzustehen.
"Da braucht jemand ne Umarmung." Nia grinste und trat um das Sofa herum zu ihnen.
"Sicher?" Schmunzelnd stand er vor ihnen, den Blick auf Rezo geheftet, der es mittlerweile geschafft hatte, sich wieder aufzusetzen.
"Kann sein", murmelte dieser, woraufhin sich Nia von der Seite an ihn drückte. Toni kicherte leise, während Nia still vor sich hin grinste und Rezo versuchte sich ein Lächeln zu verkneifen.
"Und jetzt?", fragte er. Tonis Antwort fiel vorsichtig aus.
"Willst du sagen, was dich beschäftigt?" Rezo verzog das Gesicht.
"Du musst nicht", fügte Toni schnell hinzu.
"Aber es hilft", meinte Nia und setzte sich bequemer hin. Rezo seufzte sichtlich gequält auf.
"Ich weiß. Es ist nur so..." Er zuckte hilflos mit den Schultern.
"...dumm", beendete er schließlich den Satz. Toni wollte gerade widersprechen, aber Nias Blick gebot ihm Einhalt. 'Lass ihm Zeit!', sagte er, also schloss er den Mund wieder.
"Zum einen ist es dieses stetige auf und ab, das aber trotzdem immer auf die Tiefe zu steuert, zum anderen... ach ich weiß auch nicht. Es ist einfach so..." Er brach ab, ließ den Kopf nach hinten sinken und schloss die Augen.
"Ich meine gestern war echt Klasse, aber trotzdem bekomme ich zum Beispiel jetzt Panik, weil wir nicht angefangen haben mit filmen."
Toni runzelte die Stirn. Deshalb machte er sich jetzt so fertig?
"Und vor allem anstatt jetzt die Zeit reinholen zu können, stell ich mich jetzt wieder so bescheuert an, dass wir erst recht nicht..." Toni unterbrach ihn, indem er Rezo wieder an sich zog, was dieser ohne Gegenwehr geschehen ließ.
"Dann kommt das Video halt nicht pünktlich, na und? Das ist doch egal!" Rezo regte sich kurz, als wolle er protestieren, aber Nia kam ihm zuvor.
"Ich weiß, das ist schwieriger, als es klingt, aber..." Nia rutschte vom Sofa, kniete sich vor sie hin um in das abgewandte Gesicht von Rezo sehen zu können.
"Du darfst dich nicht so fertig machen." Toni strich ihm über den Rücken, als Rezo schluchzte.
"Es fühlt sich vielleicht gerade nicht so an, aber es ist wirklich nicht wichtig, ob das Video morgen kommt, oder doch erst übermorgen. Dann bleibst du halt noch einen oder zwei Tage länger, na und?"
"Genau", schaltete sich Toni ein.
"Es gibt wirklich Schlimmeres, als dich noch länger hier zu behalten!" Sie schwiegen kurz, während sich Rezo langsam wieder etwas aufrichtete, noch immer halb an ihm lehnend. Immerhin konnte Toni nun wieder sein Gesicht sehen.
"Das klingt als wäre ich ein Hund aus dem Tierheim." Während Nia lächelte, kicherte Toni leise.
"Wenn schon wärst du mein Hund!", meinte er und erwiederte grinsend den Blick des Älteren.
"Und das ist wirklich kein Problem?" Auf Rezos Frage hin, schnappte Toni sich wieder dessen Hand.
"Ganz sicher." Er lockerte den Griff seiner Finger, als Rezo nervös mit seiner Hand zu spielen began. Der Ältere atmete einmal tief durch.
"Besser?", fragte Nia. Rezo verzog das Gesicht und drückte stärker auf Tonis Hand ein.
"Für den Moment." Sein Freund nickte und stand auf.
"Du musst dich noch umziehen oder?" Rezo nickte etwas verlegen.
"Komm Toni." Sagte Nia einfach und Toni folgte ihm, nachdem Rezo seine Hand losgelassen hatte. Sein Freund stellte sofort die Musik an, sobald er die Türe geschlossen hatte.
"Kannst du mir das erklären?" Toni wusste, dass Nia die Musik nicht angemacht hatte um ein Gespräch zu verbergen, sondern um sich zu beruhigen, fing aber dennoch eines an. Nia seufzte.
"Was meinst du?" Toni deutete in Richtung Türe.
"Na das. Wie kann es sein, dass er gestern noch so.. gut drauf war und heute geht es ihm so scheiße?" Sein bester Freund fuhr sich durch die Haare.
"Das ist nicht so einfach zu erklären. Mal davon abgesehen, dass sowas bei jedem anders ist und ich die Frage gar nicht richtig beantworten kann."
"Aber so extrem?" Toni ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Nia fallen.
"Ja, sicher ich meine... nur weil er gestern seine Gedanken verträngen konnte, heißt das nicht, dass sie heute nicht schon wieder auf ihn einstürzen können."
"Ja aber..." Er hob hilflos die Hände.
"Toni, solche Gedanken gehen nicht mit einmal reden weg. Aufmerksamkeit, Zuneigung, Gespräche, all das kann helfen, mir hat es geholfen, aber das heißt nicht, dass es auch ihm hilft. Langfristig meine ich. Wir können ihm helfen, keine Frage, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Ich weiß nicht, wie tief er in diesen Gedanken schon drinnen steckt, wahrscheinlich wäre es das beste, ihn schon jetzt an einen Arzt zu empfehlen, weil ich mir ehrlich gesagt nicht sicher bin, was alles der Antrieb für seine.. Depression ist. Und wie will man etwas bessern, von dem man nicht weiß, was es ist?" Er sprach 'Depression' zögerlich aus, als befürchte er, dass allein das Wort ihn wieder in seine zerstörende Gedanken führen könnte. Toni verfluchte sich. Hatte er tatsächlich vergessen, wie schwierig diese Situation für Nia sein musste?
"Tut mir leid, ich bin nur so... Ach Nia!" Verzweifelt sah Toni seinen Freund an.
"Es tut mir weh, wenn er sich so fertig macht!" Nia fuhr sich wieder mit der Hand durch die Haare.
"Ich mag es auch nicht, glaub mir." Er warf einen Blick auf die Uhr.
"Mittlerweile müsste er sich umgezogen haben. Also geh und rede mit ihm." Toni stand auf, hielt dann aber verwirrt inne.
"Kommst du nicht mit?" Nia lächelte leicht.
"Ich denke nicht, dass er gerade so viele Menschen um sich herum brauchen kann."
"Ich dachte es wäre wieder besser?" Nia schüttelte betreten den Kopf.
"Für den Moment, mit etwas Pech hat er sich schon wieder in seinen Gedanken verloren." Zögerlich verließ Toni den Raum, ging zurück ins Wohnzimmer, wo Rezo noch immer auf dem Sofa saß. Allerdings trug er nun einen schwarzen Hoodie. Toni trat näher an ihn heran.
"Hey, du zitterst ja! Ist dir kalt?" Langsam, als wäre es eine unglaublich anstrengende Bewegung, hob Rezo den Kopf und sah ihn aus graublauen Augen an.
"Nein." Toni nahm seine eiskalten Hände zwischen die seinen.
"Warum zitterst du dann?" Rezo schloss die Augen und drehte den Kopf weg.
"Es ist..." Nichts. War es das nicht immer? Toni unterdrückte ein Seufzen und setzte sich stattdessen zu seinem Freund. Zögerlich lehnte der Ältere sich gegen ihn.
"Es fühlt sich an, als würde ich innerlich erfrieren. Es ist so eisig und leer... verstehst du?"
"Oh Rezo..."
"Und noch was..." Er setzte sich wieder auf, entzog Toni seine Hände.
"Du hast mich doch gefragt ob ich darüber nachdenke, mich selbst zu verletzen." Rezos Blick wanderte zum Boden.
"Ja, du hast gesagt 'Manchmal'." Der Ältere holte tief Luft.
"Nun das war gelogen." Er verzog das Gesicht, hob noch immer nicht den Blick zu Toni.
"Ich denke nicht manchmal, sondern fast stündlich daran. Diese Gedanken sind beinahe immer in meinem Kopf, nur manchmal nicht, zum Beispiel wenn du da bist." Scheiße. Verdammte scheiße. Seine Gedanken rasten, als er nach einer möglichen Antwort suchte.
"Wie... ich meine was... also..." Toni verfluchte sich, warum schaffte er es nicht einmal, einen sinnvollen Satz zu bilden? Rezo griff zögerlich wieder nach seiner Hand. Augenblicklich breitete sich eine beruhigende Wärme in ihm aus, hinterließ gleichzeitig ein kribbelndes Gefühl.
"Hast du dich schon mit Absicht verletzt?" Er traf den richtigen Tonfall, sodass es nicht vorwurfsvoll klang. Rezo lehnte sich an seine Schulter, sodass er Tonis Blick meiden konnte, spielte weiter mit der Hand.
"Nein, aber du ahnst gar nicht, wie nah ich schon dran war. Wie viel es mich kostet es nicht zu tun."
"Kann ich dir helfen?" Rezo sah zu ihm hoch.
"Kann ich weiter meine Hände hiermit beschäftigen?" Er hob verlegen Tonis Hand an. Etwas an dieser Geste war so verblüffend süß, dass Toni dem Drang ihn zu küssen nur schwer widerstehen konnte. Stattdessen starrte er ihn einfach an, bis er sich zu einer Antwort durchringen konnte.
"Natürlich." Rezo schien erleichtert.
"Können wir einfach hier sitzen und Musik hören? Einfach ein bisschen ablenken, das hilft manchmal."
"Klar." Ablenken bekam er hin.
Rezo kuschelte sich näher an ihn, während Toni auf die nächstbeste Playlist klickte.
"Kenn ich gar nicht, ist aber gut", murmelte Rezo als die Musik begann. Tonis Blick zuckte sofort zu ihm.
"Du kennst nicht 'The Greatest Showman'?" Blaugraue Augen richteten sich wieder auf ihn.
"Ist das ne Band?"
"Das ist ein Film!"
"Kenn ich nicht." Toni versuchte nicht allzu fassungslos drein zu schauen, es misslang ihm.
"Das muss sofort geändert werden." Meinte er, stand abrupt auf, schaltete sein Handy ab und suchte unter dem Fach des Fernsehers nach der DVD.
"Du kennst den Film echt nicht?" Er warf einen Blick zurück auf den verdutzten Rezo, während er die Disc einlegte.
"Ähm nein." Toni nahm die die Fernbedienung, setzte sich wieder neben seinen Freund und schob seine Rechte wie selbstverständlich in die Hand des Älteren. Seine Herz geriet aus dem Takt, als dieser sie ergriff. Am liebsten hätte Toni über sich und seine Reaktion den Kopf geschüttelt.
"Das ist mein zweitliebster Film. Und das ist wie Musik hören", erklärte er und drückte auf Start. Er wartete bis die ersten Takte des Anfangliedes erklangen, eher er weiter runter rutschte und seinen Kopf gegen die Schulter von Rezo lehnte.Anmerkung: Der nächste Teil wird wieder aus Sicht von Rezo sein, also an dieser Stelle nochmal eine Warnung vor depressiven Gedanken. Diesmal auch mit konkreten Gedanken zu Selbstmord etc.
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Beinahe mehr #rezoni
FanfictionKleine Fanfiktion zu Rezoni (Rezo & Toni Pirosa) in der es darum geht, dass beide Gefühle füreinander entwickeln, die über eine bloße Freundschaft hinausgehen. Aber die Liebe wäre doch nicht die Liebe, wenn es so einfach wäre?