Beinahe mehr #rezoni

Kapitel 11

Rezo stand unschlüssig inmitten der lauten Musik, in einem Raum mit Menschen, die er alle nicht kannte. 'Na gut, fast niemand', korrigierte er sich in Gedanken. Nia und Toni waren schließlich auch da. Auch wenn Nia direkt nach ihrer Ankunft irgendwohin verschwunden war, sodass nur noch Toni ihm gegenüber stand. Während er noch seinen Gedanken nach hing, trat sein Freund näher an ihn heran.

Rezo dachte sich nichts weiter dabei, sie waren sich schließlich häufiger so nahe, dass er seinen berauschenden Geruch wahrnehmen konnte. Und bisher war ihm das auch niemals unangenehm, oder für ihn befremdlich gewesen. Als aber Toni jetzt seine Finger an Rezos Kinn hob, erstarrte er. Fragend starrte er in die schokoladenbraunen Augen seines Gegenübers, versuchte sich seine plötzliche Nervosität, durch die Berührung, nicht anmerken zu lassen. Wie viel hatte Toni heute Abend schon getrunken? Was hatte er vor?

"Was soll das werden?", fragte er leise und hoffte, dass Toni nicht die Veränderung in seiner Stimme bemerkte. Er klang heiser, fast schon atemlos und wusste nicht einmal genau warum. Sein Herz schien ihm fast aus der Brust zu springen, so heftig klopfte es, als Toni ihn einfach weiterhin anstarrte, ihm noch immer so nah war. Der Jüngere blinzelte kurz, ehe sein Daumen im nächsten Moment über Rezos Unterlippe strich. Hitze durchstömte ihn und sein Blut rauschte ihm in den Ohren, während er noch immer regungslos vor seinem besten Freund stand. Er sollte nicht so empfinden, nur weil Toni ihn berührte.

"Du hast da..." Toni rieb behutsam weiter, während er Rezo anlächelte. "...Schokolade." 'Klar, was auch sonst', versuchte er sich zu beruhigen. Er hatte es noch nie geschafft einen Muffin richtig zu essen. Aber lieber einen Muffin essen, als einen dieser hässlichen Plastikbecher mit Alkohol austrinken und er hatte sich für eine Sache entscheiden müssen.

Rezo schluckte schwer. Noch immer umfassten Tonis Finger sein Kinn, sendeten Hitzewellen durch seinen gesamten Körper. Rezo versuchte sich an einem Grinsen, schaffte es aber nur Toni fassungslos anzustarren. Irgendwie konnte er nicht recht begreifen, was hier gerade passierte.
"Danke", brachte er schließlich heraus. Toni trat wieder einen Schritt zurück, ließ seine Hand sinken und nickte ihm, noch immer grinsend, zu. "Wir wollen ja nicht, dass du dich vor nem hübschen Mädel blamierst."

Rezo holte so unauffällig wie möglich Luft. "Vor nem Mädchen", murmelte er, während er seinem Freund hinterher sah. "Aber sicher doch. Was auch sonst?", fragte er sich selbst. Blinzelnd wandte Rezo sich ab, drehte sich um und sah direkt in ein Paar dunkelblauer Augen, die unter rosa Strähnen hervor blitzten. Nia grinste ihn vielsagend an, ehe er einen Schluck aus seinem Becher nahm und wieder seinem Gesprächspartner seine Aufmerksamkeit schenkte.

"Nette Freunde hast du da, lassen dich einfach auf einer Party bei fremden Menschen hängen." Er bekam einen durchsichtigen Becher in die Hand gedrückt und starrte zuerst verdutzt auf die sich darin befindliche, bräunliche Flüssigkeit, dann auf das Mädchen, welches ihm den Becher gegeben hatte. "Was ist das?", fragte er und umging so ganz einfach ihren Kommentar. Sie warf ihre blonden Haare mit einer gekonnten Kopfbewegung zurück und ihre blauen Augen blitzten schelmisch, als sie antwortete. "Ist das wichtig?"

Noch immer  war sein Herzschlag viel zu laut und er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen, aber Rezo ignorierte es einfach und schnupperte stattdessen vorsichtig an seinem Becher. Er musste sich beruhigen, zumindest zu einem kurzen Smalltalk mit einem süßen Mädchen sollte er doch im Stande sein. "Cola und Alkohol, vermutlich Wodka?", riet er und konnte sich einen missmutigen Tonfall nicht verkneifen.
"Problem?" Das Mädchen, er schätzte sie auf Anfang zwanzig, hob eine Augenbraue. Er trank keinen Alkohol, nie. "Ich trinke normalerweise kein..."

Ihm war nicht wirklich bewusst, dass er mitten im Satz inne hielt, als sein Blick an Toni hängen blieb. Verwuschelte dunkle Haare, lässiges schwarzes Shirt, welches seine Tattoos nur zur Hälfte bedeckten und ein breites Grinsen im Gesicht. Er hatte gewusst, dass Toni attraktiv war, das war nicht zu übersehen, und trotzdem hatte er ihn bisher nie als derart anziehend empfunden, wie er es jetzt tat. Oder? Seit gestern war er sich bei solchen Fragen nicht mehr so sicher. Hatte es nicht schon seit geraumer Zeit, immer wieder solche Situationen gegeben? Kleine Momente, in denen er in Tonis Blick gefangen war, seine Berührungen etwas in ihm ausgelöst, etwas verändert hatten? So wie vorhin? So wie gestern? Hatte Nia am Ende wirklich recht? Empfand er etwas für Toni und leugnete dies nur? Auf jeden Fall waren seine Reaktionen mittlerweile nicht mehr normal. Zumindest nicht im freundschaftlichen Bereich. Er benahm sich, als...