#2

16 4 1
                                    

Nora blickte erneut von dem leuchtenden Bildschirm auf und diesmal direkt in die dunklen Augen ihres neuen Arbeitskollegen. 

»Ich bin..ähm..« Nora stockte kurz und suchte nach Worten. Um genauer zu sein nach ihrem Namen. Er wirkte so einschüchternd. Unsympathisch. Und leicht reizbar. Dieser Mensch wollte hier arbeiten?

Genervt einatmend signalisierte Joseph dem Mädchen vor ihm, dass er nicht länger auf eine Antwort warten wollte und beugte sich etwas nach vorne, um nach dem blauen Schlüsselband, das eigentlich um ihren Hals hängen sollte, Ausschau zu halten. Nora verfolgte seinen Blick und sah dann wieder auf. 

»Ich trage es nicht. Du brauchst gar nicht erst danach suchen.«

In Wirklichkeit wollte sie unbedingt ein blaues Schlüsselband, doch Jake hatte bei der letzten Bestellung ihren ganzen Namen auf das Band drucken lassen und sie wollte nunmal nicht von den Leuten hier Elionora genannt werden. 

Ehe sie sich versah war ihr neuer Arbeitskollege um den Empfang herum gekommen und beugte sich schräg über sie. Sie hatte gar nicht realisiert wie viel größer Joseph war. Mit ein paar schnellen Handbewegungen hatte er den Register mit einem anderen Filter versehen, der nur die Auszubildenden anzeigte und direkt unter seinem Namen befand sich auch ihrer. 

»Elionora Vester.«, ertönte die Stimme zu der Person, die gerade über ihr gebeugt war und dessen Geruch sie völlig aus der Fassung brachte.

»Das- äh, also. Ich werde eigentlich-«, begann die Genannte gerade und wollte erklären, dass niemand sie bei ihrem vollen Namen nannte. Doch die plötzliche Bewegung über ihr unterbrach sie. Joseph richtete sich mit einem Ruck wieder auf und vergrub nun erneut die Hände in seinen Hosentaschen. 

»Also dann Elionora. Auf eine gute Zusammenarbeit.«

Nora konnte zwar nicht sehen, was der Mann hinter ihr gerade tat, aber sie konnte ganz genau das, wie sie vermutete, gefällige Grinsen in seiner Stimme hören. Als sie die Lehne des Stuhls umfasste, um aufzustehen und sich umzudrehen setzte sich der Schwarzhaarige auch schon in Bewegung und verließ den Eingangsbereich. 

Etwas verdutzt ließ sich die Braunhaarige wieder zurück in den Stuhl am Empfang fallen und strich sich erneut eine Strähne hinters Ohr, die sich ihren Weg aus dem unsauber gemachten Zopf gebahnt hatte. 

***

Um 21Uhr verließen auch die letzten Besucher die Chapple und Nora ließ die Glastür hinter ihnen ins Schloss fallen. Jetzt nur noch die letzten Tassen abwaschen und sie war fertig für heute. Von ihrem neuen Kollegen hatte sie die vergangenen Stunden nicht sonderlich viel mitbekommen. Nachdem die Braunhaarige sich aus dem Stuhl bequemt und sich gerade wieder an's Waschen der Tassen machen wollte, hatte sie mitbekommen wie Jake motiviert damit beschäftigt gewesen war Joseph alles zu zeigen und zu erklären. Nora hatte zu diesem Zeitpunkt schon das klare Desinteresse in seinem Gesicht ablesen können und fragte sich noch immer was Joseph getan hatte, um Jake davon zu überzeugen ihn hier einzustellen. Er war ihr erst ein paar Stunden später wieder aufgefallen, als sie die Kaffeebehälter austauschte und ihn dabei beobachtete, wie er mit einem der jugendlichen Mädchen neben dem Billardtisch stand und immer wieder leicht grinsend ihren Arm streifte. Jetzt wusste sie auch, warum er hier war. Sie würde ja niemals von sich behaupten, dass sie sich schnell aufgrund des Auftretens einer Person eine Meinung über sie bildete aber diesmal hatte sie verdammt richtig gelegen. 

Gerade als sie zurück zum Empfang ging, um die Schlüssel für die Eingangstür zu holen, hörte sie ein leises, weibliches Lachen aus dem Mitarbeiterraum. Verdutzt verharrte sie neben dem Tresen. Sie hatte definitiv in letzter Zeit zu viele Horrorfilme gesehen, als dass sie dieses Geräusch nicht komplett aus der Fassung bringen würde. Kurz ließ sie ihren Blick über ihr nahes Umfeld schweifen. War hier irgendetwas, dass ihr helfen könnte, falls sie jemand angreift? Schnell versuchte die diesen Gedanken loszuwerden. Hier war niemand, der sie umbringen wollte. Warum auch? Sicher war das nur.. naja. Das konnte sie sich auch noch nicht erklären, aber das würde sie gleich herausfinden.

Mit einer Handbewegung zückte sie ihr Handy, bereit Jake anzurufen, falls etwas passieren sollte. Ehe sie es sich noch anders überlegen konnte ging sie schnellen Schrittes auf den Mitarbeiterraum zu. Die Tür war angelehnt und ein schwacher Lichtstrahl drang aus der Öffnung.  Fand da drinnen etwa gerade an satanistisches Ritual statt?

Etwas genervt von sich selbst und ihrer Ängstlichkeit stieß Nora die Tür mit ihrem Fuß an und trat einen Schritt nach vorne in den Raum. Es dauerte eine Sekunde bis sich ihre Augen an das schwache Licht der Schreibtischlampe gewöhnt hatten, aber dann sah sie, was -oder besser gesagt wer- solche Geräusche gemacht hatte. 

Halb auf dem Schreibtisch liegend erkannte sie das schlanke, blonde Mädchen von vorhin und über ihr stützend und an ihrem Hals saugend ihren neuen Arbeitskollegen Joseph. 

Nicht allzu überrascht zog die Braunhaarige eine Augenbraue nach oben und räusperte sich kurz, um so Josephs Aufmerksamkeit von dem Hals der Blondine auf sich zu richten.

»Störe ich euch etwa gerade bei irgendetwas, Joseph?«,fragte Nora ironisch und lehnte sich an den Türrahmen.

»Also jetzt wo du so fragst.. Ja, eigentlich schon. Also würdest du so freundlich sein und uns alleine lassen?« Joseph grinste und beugte sich erneut über den Hals der Blondine, die etwas überrascht nach hinten auswich, sich aber dann wieder willig in Josephs Richtung drückte. 

»Also das ist doch nicht..«,Nora stemmte ihre Hände in ihre Hüften und schüttelte verständnislos den Kopf,»Dir ist doch wohl klar, dass das hier der Mitarbeiterraum ist und nicht dein persönlicher Sexkeller. Und überhaupt, es ist dein erster Tag hier! Willst du etwa, dass ich dich bei Jake verpfeife?!«

Der sich nun endlich in seiner Aktion gestörte Joseph sah nun sichtlich angenervt auf und stieß sich mit seinen Händen vom Rand des Schreibtisches ab, um nun aufrecht zu stehen.

Kurz sah der Ertappte seiner Arbeitskollegin in die Augen, ehe er entnervt seufzte und sich durch seine schwarzen Haare fuhr. 

»Falls du es noch nicht wusstest - und ich gehe wegen deiner Drohung mal davon aus, dass Jake es dir noch nicht erzählt hat - bist du jetzt meine Aufpasserin. Du hast nun mal schon ein Jahr lang Erfahrungen hier gesammelt und Jake möchte, dass du mir hilfst mich hier zurecht zu finden. Du kannst ihm also sagen was du willst-« Joseph grinste hinterhältig und blinzelte dann gespielt unschuldig »Ich wusste es ja nicht besser, du hast es mir nicht erklärt.«


Just Joseph [German]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt