Just Joseph [German]

#9

Ein paar Stunden später betrat Nora in einem schwarzen enganliegenden Kleid den Club, dessen Namen sie auf Josephs Instagram am öftesten gesehen hatte. The Hail lag am Rande der Innenstadt und galt als Nummer Eins bei Studenten. Nora war dort noch nie gewesen und hoffte inständig, dass sie sich dort nicht unwohl fühlen würde. Besonders, weil sie heute etwas trug, dass sie ganz schön aus ihrer Komfortzone zerrte.

Schon an der Garderobe umhüllte sie der dumpfe Bass und die stickige Luft. 

Genauso wie beim letzten Mal.

Gemächlich überreichte sie ihre Jacke der Dame hinter dem Tresen und ging dann etwas tiefer in das Gebäude hinein. Sie hinterfragte jetzt schon warum sie nochmal hier hin gekommen war. Sie war viel mehr der Typ für gemütliche Abende im Bett mit einem Buch und Tee; nicht aber alleine unterwegs in irgendeinem stickigen, dunklen Club, bei dem man sich dank der lauten Musik nicht einmal selbst verstand. 

Seufzend fuhr sie sich durch die Haare. Vielleicht war Joseph heute auch gar nicht hier. Und selbst wenn, was würde sie denn überhaupt tun, sobald sie ihn sieht? 

Mittlerweile war Nora an der Bar angekommen und ließ sich auf einem der Hocker nieder. Gedankenlos nippte sie an ihrem ersten Drink und starrte in die Masse auf der Tanzfläche. Irgendwie hoffte sie schon Joseph in der Menge zu entdecken, andererseits sträubte sich alles in ihr dagegen zuzugeben, dass sie ihn wiedersehen wollte.

»Noch einen bitte!«, rief sie dem Barkeeper gegen die laute Musik entgegen.

Wenn sie schon hier war, könnte sie wenigstens ihren Spaß haben.

***

Nora war sich gar nicht so sicher wie viel Zeit mittlerweile vergangen war. Wann war sie überhaupt hier hergekommen? Wie viele Stunden saß sie schon an dieser Bar?

Mit ihrem Kopf auf ihrer Hand abgestützt senkte sie ihren Blick ein Wenig und schaute in das fast leere Glas vor sich. Wie viele davon sie wohl schon getrunken hatte? 

Nora kicherte und trank auch noch den Rest ihres Glases leer. Jetzt wäre doch die richtige Zeit zum tanzen!

Langsam schob sie sich mit beiden Händen am Tresen von eben diesem weg und landete wacklig auf ihren Beinen. Gerade als sie sich das Kleid gerichtet hatte und auf die Tanzfläche zusteuerte meldete sich ihre Blase.

Na gut, dann eben zuerst zum Klo.

Gemächlich schwankte sie den Gang zu den Toiletten entlang und stellte sich an das Ende der elendig langen Schlange. Mit einem Seufzer ließ sich Nora gegen die Wand hinter sich fallen. 

Alles drehte sich vor ihrem inneren Auge. Ugh. So viel zu trinken war vielleicht doch keine gute Idee gewesen.

Dann erinnerte sich wieder daran, warum sie überhaupt hier her gekommen war. Joseph. 

Sie war nur seinetwegen hier und dieser unglaublich unverschämte Junge war nicht mal hier aufgetaucht.

Etwas unbeholfen kramte sie in ihrer Handtasche herum, ehe sie ihr Handy hervorzog und erschrocken von der Helligkeit dessen Bildschirmes ihre Augen zusammenkniff.

Irgendwo hatte sie sich doch die Nummern aller Mitarbeiter aufgeschrieben. Nur wo?

Es brauchte einige Zeit ehe sie den richtigen Ordner gefunden hatte und angestrengt versuchte die kleinen Nummern zu erkennen. Irgendwie schaffte sie es dann doch Josephs Nummer anzuwählen und drückte sich ihr Telefon ans Ohr. 

Kurz war stille, dann ein lautes stetiges piepen. Nora pustete sich eine Strähne aus ihrem Gesicht  und richtete sich erneut mit einer Hand unbeholfen ihren Rock.

»Hallo?«

Eine dunkle Stimme ertönte durch den Lautsprecher ihres Handys an ihrem Ohr.

»Joseph?«, gluckste Nora in ihr Handy und freute sich, dass er abgenommen hatte.

Kurz war es still am anderen Ende der Leitung. Nur der laute Bass der Musik war für beide zu hören. 

»...Nora? Woher hast du meine Nummer? Wo bist du?«

»Wieso bist du nicht wo ich bin?«, murmelte Angesprochene wütend, fast schon enttäuscht, in ihr Mikrofon. »Ich bin in diesem-«,fing Nora an ihm zu erklären, wurde aber durch ein hicksen unterbrochen,»in dies'm Club, in dem du sonst immer mit deinen Girls rumhängst.«

Nora erntete komische Blicke von der Seite, als sie das Wort 'Girls' versuchte besonders abwertend zu betonen, dabei aber eine sehr ausfallende Handbewegung machte und fast gegen eine andere Frau in der Schlange fiel.

»Bist du im Hail? Alleine?« Nora dachte von der anderen Seite der Leitung Stimmen im Hintergrund zu hören, schenkte dem aber keine weitere Beachtung.

Sie gluckste erneut, fing sich dann aber wieder. Sie wollte doch wütend auf ihn sein, dass er nicht hier war. Sie wollte, dass er merkte was genau er falsch gemacht hatte und es ihm leid tat.

»Nora?«,kam erneut die Stimme an ihr Ohr. »Bist du betrunken, Nora?« Angesprochene hörte Josephs belustigten Tonfall und wurde rot. 

»Darf man etwa nich-«,wieder ein hicksen ihrerseits,»nich' betrunken sein?« Sie klang schon fast wie ein beleidigtes kleines Kind.

»Du hast es wohl echt ein bisschen übertrieben. Trinkst wohl nicht so oft, huh?«

Kurz hörte man nur ein leises seufzen von Nora. Wieso hatte sie das Gefühl sich vor Joseph behaupten zu müssen?

»Ach, Fick dich doch Joseph.«