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Perplex ließ sie ihren Kopf zur Seite fallen und warf einen Blick auf ihren Wecker. Es war erst 7. Sie war eine Stunde vor ihrem Alarm aufgewacht. Und was bitte hatte sie da gerade geträumt? Von wem? Natürlich wusste Nora ganz genau von wem und eigentlich war sie nur froh, dass sie aufgewacht war, bevor irgendetwas..dramatischeres passieren konnte.

Sie würde einfach nie wieder darüber nachdenken, was da in ihrem Traum passiert war. Sie hatte sicherlich nur von ihm geträumt, weil das Letzte, dass sie gestern Abend noch gemacht hatte bevor sie schlafen gegangen war, der Besuch auf seinem Instagram account war und er nunmal nicht schlecht aussah. Das eignet sich perfekt für solche Art von Träumen. Das hätte jeder andere sein können.

Seufzend rollte sie sich auf die andere Seite des Bettes und stützte sich auf ihren linken Arm. Kurz starrte sie auf den zugeklappten Laptop vor ihr und erwägte für einen Moment erneut einen Blick auf das Instagram Profil zu werfen, welches sie gestern so interessant gefunden hatte. Ihr ließ die Sache mit diesem Mädchen immer noch keine Ruhe, was auch immer das nun bedeuten sollte. Keinesfalls würde sie es als sowas wie Eifersucht betiteln. Warum sollte sie auch eifersüchtig darauf sein, mit jemandem wie Joseph so vertraut zu sein, oder?

Dann fiel ihr das Backsteinhaus im Hintergrund von manchen von Josephs Bildern wieder ein. Hatte sie das jemals hier in der Stadt gesehen? Sie hatte ihn ja hier auch noch nie zuvor gesehen. Aber sie lebte hier auch erst, seit sie vor ca. einem Jahr wegen ihrer Ausbildung aus dem Haus ihrer Eltern in der Kleinstadt über eine Stunde von ihrem jetzigen Wohnort entfernt ausgezogen war. Da war es vielleicht nur logisch, dass sie nicht jeden kennen konnte.

***

Nachdem Nora ausgiebig mit ihrem Laptop im Bett gefrühstückt hatte, überlegte sie, was sie bis zu ihrer Schicht in der Chapple am Nachmittag noch so mit ihrem Tag anfangen sollte. Dabei kam ihr das Top, dass sie in ihrem Traum getragen hatte, in den Sinn. Nora trug einfach aus Bequemlichkeit nicht solche Sachen. Sicher würden ihr einige davon sehr gut stehen, aber es war nun mal so viel einfacher jeden Morgen das gleiche unauffällige Zeug aus dem Schrank zu holen. Angefixt von der Idee vielleicht auch mal für den Notfall etwas besseres zur Hand haben zu können machte sie sich auf in die nächste Stadt. Nur um sicher zu gehen, dass niemand - und ganz besonders nicht Joseph - sie sonst beim Kauf neuer Anziehsachen überraschen könnte.

Ca. eine Stunde später war sie in der nächsten größeren Stadt und parkte gerade ihr kleines blaues Auto in der Parkgarage. Mit ihren Kopfhörern und ihrer Kreditkarte bewaffnet machte sie sich auf den Weg zum ersten Laden.

Nach ein paar Anläufen und nicht ganz so überwältigend aussehenden Kleidern und Tops wurde sie im zweiten und dritten Laden dann fündig und spazierte am Ende mit zwei vollen Tüten aus dem letzten Laden, bei dem sie noch ihr Glück versuchte. Klamotten einkaufen war zwar immer noch nervig, aber Klamotten besitzen dann doch gar nicht so schlecht. Vielleicht würde sie in Zukunft etwas an ihrer Art sich anzuziehen ändern.

Gerade als Nora samt ihren Tüten zum nächstgelegenen Aufzug wandern wollte fiel ihr eine schlanke Blondine ins Auge. Erika.

Wäre es komisch einfach auf sie zuzugehen und sie anzusprechen? Ja, wahrscheinlich. Das hinderte Nora nun aber auch nicht mehr.

»Erika?«

Die Blondine drehte sich um und sah von ihrem Handy auf, nur um dann etwas verdutzt Nora anzustarren.

»Ich hab gesehen wie du ges-« Nora kam gar nicht weiter, weil Erika ihr ins Wort fiel und auf einem Bein schon dabei war sich aus dem Staub zu machen.

»Du, äh. Also das ist gerade ganz schlecht.« Schnell hielt sie sich ihr Handy an's Ohr und tat so, als würde sie das Mikrofron zu halten. »Ich telefoniere gerade mit jemandem und ähh, also da muss ich auch gleich schon los.«

Es dauerte einen Moment bis Nora aus ihrer Wolke aus Verwirrung ausbrach und den Arm von Erika ergriff. »Jetzt warte doch. Bitte

Etwas zögernd ließ die Blondine das Telefon sinken und blinzelte Nora wie ein scheues Reh an.

Dann fasste sie auf eine Stelle an ihrem Hals, die mit einem Pflaster bedeckt war und die Worte sprudelten nur so aus ihr wie ein Wasserfall. »Joe meinte ja schon du wärst sehr eifersüchtig, was dieses Thema angeht. Und jetzt bin ausgerechnet ich dir in die Arme gelaufen. Hach, sowas kann auch nur mir passieren. Aber es tut mir soo Leid, das wird nicht nochmal passieren! Ich steh' eh nicht so auf dieses gante Blutsaug-Ding.«

Etwas verdutzt starrte Nora die Blondine vor sich an. Joe? Eifersüchtig? Blutsaug-Ding?

»Warte, warte, warte.« Die Braunhaarige stoppte Erika hier. Dann hielt sie einen Moment inne und Erika sah sie nur an, anscheinend auch auf auf irgendeine Reaktion wartend. »Was?«

Die nächsten dreißig Minuten hörte sich Nora dann Erikas Geschichte and und kam gar nicht darum herum sie dabei ein paar mal zu stoppen, um zu verstehen was ihr da gerade erzählt wurde.

So wie Erika es erzählte war Nora wohl seine Freundin. Oder zumindest seine Partnerin? Die Tatsache, dass er das allen erzählte war ja schon komisch genug für Nora. Aber anscheinend hatte er sehr spezielle Vorlieben im Bett. Er mochte es Blut zu trinken. Was zur Hölle? Der ganzen Geschichte setzte ja nur noch die Krone auf, dass Joseph seinen One-night-stands erzählte, dass sie nicht mehr zur Chapple kommen sollten, weil Nora sonst eifersüchtig werden würde, dass er nicht nur ihr Blut trinkt.

Deswegen kamen diese Mädchen also nie zurück in die Chapple. Und deswegen wollte Erika ihr auch ausweichen. Konnte ja niemand wissen, dass Joseph so komische Kinks hat und, aus einem Nora noch immer nicht ersichtlichen Grund, nicht wollte, dass die Mädchen zurück in die Chapple kommen. Jetzt hatte sie wirklich ein ernstes Wörtchen mit Joe zu reden.

Als sie sich von Erika verabschiedete fiel der 21-Jährigen auch erst auf wie spät es bereits geworden war. In einer Stunde müsste sie bereits bei der Chapple sein. Keine Zeit noch mal nach Hause zu fahren, um die bequemen Klamotten vom shopping gegen arbeitstauglichere, ansehnlichere Dinge einzutauschen. Sie wollte ja nicht zu spät kommen. Da blieben nur noch die neu ergatterten Stücke, die gerade noch in den zwei Tüten verstaut waren.

Warum eigentlich nicht, heute war eh einer der wärmsten Tage seit langem.

Just Joseph [German]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt