Als Nora aus der Toilette kam fühlte sie sich nur noch schwummriger als zuvor. An das Telefon konnte sie sich schon gar nicht mehr erinnern, genauso wenig wie an den Grund, warum sie in erster Linie hier her gekommen war.
Ups.
Auf wackeligen Beinen lief sie bis zur Bar zurück, um sich etwas müde auf einem der Hocker nieder zu lassen. Alleine in einen Club zu gehen war nach wie vor einfach scheiße. Gerade wenn man nicht einmal von jemandem angesprochen wurde. Seufzend fuhr sie sich durch ihre Haare. Sie war eindeutig zu alt für sowas.
Demotiviert hopste sie wieder vom Hocker und schlenderte langsam zurück zur Garderobe, wo sie ihren schwarzen Mantel holte, um dann ihren Weg nach draußen zu finden.
Nach dem sie bereits ein paar Meter weiter um eine Straßenecke gegangen war und nun direkt vor den Toren eines Parks stand verharrte sie in ihrer Bewegung und richtete ihren Kopf nach oben, um in das Mondlicht zu schauen. Nora hatte sich noch nicht an das dunkle Licht außerhalb des Clubs gewöhnt und für sie drehte sich immer noch alles. Ohne das konstante Brummen der Lautsprecher fühlte sich auf einmal alles viel zu still an.
Etwas verwirrt und desorientiert senkte Nora ihren Blick wieder und starrte auf die Beschreibung des Parkgeländes.
Erst da rechts und dann an dem Teich da vorbei und dann...äh, ne. Da nochmal um die Ecke?
Kurz verharrte sie noch vor dem großen Holzschild vor sich, dann zuckte sie unentschlossen mit den Schultern und ging einfach gerade aus. Irgendwie würde sie schon nach Hause finden.
Die Stille legte sich wie eine schwere Wolldecke über sie und verstärkte das unerträgliche Brummen noch mehr. Aus Verzweiflung - und weil die Braunhaarige keine Kopfhörer dabei hatte - fing sie an Melodien zu summen, die ihr gerade so in den Kopf kamen.
Wirklich helfen tat es ihr aber auch nicht und vermutlich hörte jeder außer Nora statt einer Melodie nur ein helles, durchgehendes Summen. Aber außer Nora befand sich sicherlich sowieso niemand im Park.
***
Nora wusste nicht seit wie vielen Minuten sie schon auf den dunklen Kieswegen des Parks herumirrte, aber für sie hatte es sich wie Stunden angefühlt. Ihr Kopf pochte und ihre Füße taten weh.
Gerade als sie zum vermutlich fünften Mal an ein und dem selben Teich vorbei lief hatte sie die Nase voll. Seufzend ließ sich das Mädchen mit dem ziemlich hohen Alkoholpegel auf einer Bank unter einer Weide neben dem See nieder und gab einen seltsam genuschelten Ton von sich.
Gerade als sie ihren Kopf in ihren Nacken fallen ließ und erschöpft ihre Augen schloss, hörte sie das immer lauter werdende knirschen von Schuhen auf dem Kiesweg des Parkgeländes. War hier doch noch jemand anderes unterwegs?
Mit einem, für ihren Zustand sehr großen, Kraftaufwand wippte sie mit ihrem Kopf etwas zur Seite und öffnete schwerfällig eines ihrer Augenlieder.
Etwas weiter entfernt vermutete Nora die Silhouette eines Menschen erkennen zu können. Ziemlich breite Schultern, als wahrscheinlich ein Mann. Er trug einen Parker, zumindest sah es für Nora so aus, da seine Hand in einer der Taschen auf höhe seiner Oberschenkel vergraben war.
Kam er auf sie zu?
Mühevoll schwang sie ihre rechte Hand auf den freien Platz der Bank, auf der sie saß, um sich langsam in Richtung der immer näher kommenden Silhouette zu drehen. Angestrengt blinzelte sie ein paar Mal, um in der Dunkelheit der Nacht etwas besser sehen zu können.
»Hallo?«, nuschelte Nora ins Nichts und wartete auf eine Antwort.
Nichts.
Die Silhouette kam immer näher, mittlerweile konnte sie die lockigen Haare erkennen, die unter seiner schwarzen Kapuze hervorragten.
Ein leises Brummen verließ Noras Lippen als sie sich Kraftlos zurück in ihre ursprüngliche Position auf der Bank fallen ließ und die Augen schloss.
Nora bildete sich das sicher nur ein. Sie war eben betrunken - das erste Mal seit längerer Zeit. Und irgendwo war es schon logisch, dass sich ihr Unterbewusstsein ein Beispiel an all den Horrorfilmen nahm, die Nora in so einer Regelmäßigkeit konsumierte.
Sie wurde nur etwas stutzig, als das Knirschen auf dem Kies einfach nicht aufhörte und sogar so schien, als würde es lauter werden.
Gerade als sie ihr Handy aus ihrer Tasche fummeln wollte, um jemanden anzurufen der sie abzuholen könnte, wurde sie von einem fremden Körper in die Bank gedrückt.
Viel zu überrascht und immer noch viel zu benebelt von dem ganzen Alkohol war sie nicht in der Lage irgendwie zu reagieren, geschweige den das Gewicht, dass sie in die Parkbank drückte, von sich zu schubsen.
Sie spürte einen warmen Atmen an ihrem Hals und eine Hand an ihrem Kinn, die sie Zwang nach oben zu schauen und dem Angreifer über ihr so den nötigen Freiraum an ihrem Hals bot. Schwer atmend versuchte sie ihren Kopf nichtsdestotrotz in seine Richtung zu drehen, um sein Gesicht erkennen zu können. Erfolglos.
So schnell wie der Schatten sie übermannt hatte, so schnell hatte er auch wieder von ihr abgelassen. Verwirrt ließ sie ihren Blick über ihre komplette Umgebung schweifen. Niemand.
Das Adrenalin überflutete noch immer nur so ihren Körper und ihr Herz schlug ihr gefühlt bis zum Hals. Das Einzige, das sie davon abhielt das ganze nur als einen Streich, den der Alkohol in ihrem Blut ihr gespielt hatte, abzutun war, dass der markante Geruch einer ganz bestimmten Person sie noch immer wie einen Schleier umgab und ihre Sinne benebelte.
Joseph.
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Just Joseph [German]
VampireWie jede gute Geschichte beginnt Nora Vester's Geschichte mit einer neuen Person, die in ihr Leben tritt - Joseph.