Kapitel 12

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"Bereust du es?"
Ich sehe Samu an. Er schaut von seinem Frühstücksteller auf und blickt mir fest in die Augen. Sein Blick war fragend und durchbohrte mich förmlich.

"Was?"
Ich wusste, dass er wusste, was ich meinte. Er wollte es aber von mir hören. Er wollte, dass ich es sagte und dazu stand. Ich atmete tief durch. Ich hatte es irgendwie nicht sagen wollen.

"Bereust du, dass du dich für mich von Vivi getrennt hast?"
Sein Blick hielt meinen immer noch gefangen und ich konnte plötzlich nichts mehr in ihm lesen. Er verschloss sich ein wenig und vielleicht wusste er selbst nicht genau, was er fühlte.

"Was glaubst du, warum ich hier sitze, Riku?"
Ich zuckte mit den Schultern und sah weg. Ich konnte seinem Blick nicht mehr standhalten, der anklagend geworden war und mich so sehr traf. Was dachte ich mir denn? Dass er zum Spaß zu mir gekommen war? Dass das mal einfach eine Laune war? Ich war viel zu fixiert auf mich selbst gewesen. Ich hatte ihn doch überhaupt gar nicht mehr gesehen.

"Es tut mir leid."
Ich murmelte nur. Ich fühlte mich schlagartig so schlecht, dass ich mich am liebsten versteckt hätte. Und Samu wusste das ganz genau. Er stand auf und nahm seine Kaffeetasse. Ich wusste, dass er jetzt rauchen gehen würde und entgegen meiner Erwartung, strich er sanft über meine Schulter. Seine Hand blieb kurz auf ihr liegen.

"Schau mich mal an."
Ich drehte meinen Kopf zu ihm und sah gekonnt auf seine Nasenspitze, weil ich es nicht aushielt, in seine Augen zu schauen.

"In die Augen."
Ich nickte schwach, denn er hatte schließlich recht. Ich war gerade viel zu feige. Ich hatte ihn so sehr angemotzt, weil es mir nicht schnell genug ging und habe nicht wertgeschätzt, was er für mich gemacht hat. Eine Welle aus Wut über mich selbst packte mich. Ich musste in Samus Augen schauen.

Er sagte gar nichts mehr und ich wusste nicht, was ich denken sollte. Wir waren gerade so nah und gleichzeitig so weit weg voneinander wie noch nie. Und egal wie sauer ich auf mich selbst war und wie sehr ich versuchte einzusehen, was ich falsch gemacht hatte, es brachte mich nicht näher an Samu. Und das tat irgendwo weh.

"Ich würde es dir so gerne leichter machen, Riku", sagte er leise und konnte schon wieder so viel in mir lesen.

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Ich stand vorm Spiegel und sah mich kritisch an. Ich trug nur meine Boxershorts und ließ meinen Blick schweifen. Samu und ich hatten nicht mehr so viel geredet, uns aber Mühe gegeben, uns halbwegs normal verhalten. Und jetzt hatten wir geplant, in einen Park zu fahren und zu picknicken. Und jetzt wusste ich nicht, was ich anziehen sollte, weil ich schon wieder so unzufrieden war. Warum wollte Samu mich überhaupt? Ich war egoistisch gewesen und ich war nach wie vor ein Spargel.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Samu den Raum betrat und wollte mir so schnell wie möglich ein Shirt überziehen, doch er schnappte es mir weg. Er schmiss es auf das Bett und stellte sich hinter mich.

"Sei nicht so streng mit dir selbst", sagte er und strich zärtlich über meinen Rücken. Ich schloss meine Augen. Um Samu nicht sehen zu müssen, weil ich mich schämte und um seine Hände besser zu spüren.
"Ich glaub, ich bin das einzige Problem, Samu. Ich mach alles so schwierig. Und ich bin nicht muskulös oder so." Ich wusste gar nicht, warum ich so zweifelnd wurde. Eigentlich war ich gar nicht so. Irgendwie wusste ich gar nicht mehr, wer ich war.
"Du bist kein Problem", meinte Samu leise hinter mir und strich über meine Seiten und unter meinen Armen hindurch zu meiner Brust, "Und du bist schön so, wie du hier stehst."
Jetzt öffnete ich meine Augen, weil ich wissen wollte, wie ernst er das meinte, was er sagte. In seinen Augen fand ich die Antwort sofort. Er schrie sie mir mit seinem Blick entgegen und ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie etwas so Ernstes und Liebevolles gesehen. Ich kann nicht anders, als mich mit einer Gänsehaut in seinen Armen zu drehen und ihm direkt in die Augen zu sehen. Nicht durch den blöden Spiegel. Ich war gefesselt und spürte nur noch seinen Blick und seine Hände auf meinem Rücken.
"Küsst du mich?", fragte ich dann heiser und legte eine Hand vorsichtig an seine Wange, als wäre er zerbrechlich. Schwach spürte ich sein Nicken und dann intensiv seine Lippen auf meinen. Leicht tastete ich mich heran und schmiegte mich an ihn. Ich konnte seinen Herzschlag fühlen und seine Hände, die langsam auf meinen Po rutschten, mich näher an ihn zogen und ihn meine Zuneigung spüren ließen. Am liebsten hätte ich ihm alle Kleider vom Leib gerissen, aber er bremste mich. Und es fühlte sich das erste Mal richtig an. Nur ganz behutsam glitten meine Hände unter sein T-Shirt und zogen es ihm aus. Einfach, weil ich Haut auf Haut spüren wollte. "Danke", hauchte ich irgendwann atemlos gegen seine Lippen und sah in seine Augen. Sie raubten mir noch viel mehr den Atem, als sie mich so stechend und begehrend ansahen. Er lächelte und küsste mich noch einmal kurz. "Zieh dir was an, Großer. Ich will picknicken."

"Können wir nochmal von vorne anfangen?", fragte ich Samu. Wir saßen mitten auf einer Wiese. Er sah mich an und strich kurz über mein Bein. "Wie wäre es, wenn wir von vorhin anfangen? Das fand ich nämlcih ganz schön mit dir im Schlafzimmer." Ein Schmunzeln lag auf seinen Lippen und ich wusste, dass ein kleines Stück Normalität eingekehrt war.

Irgendwann ist immer das erste MalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt