Wie festgefroren stehe ich in der Eingangshalle der Bibliothek und komme aus dem Staunen nicht heraus. „Das ist-!" Lucius murrt: „Ja, ja, unglaublich. Willkommen in der magischen Bibliothek. Jetzt komm mit! Bevor uns die alte Rosalinde erwischt." Eine hohe pipsige Stimme ist zu hören. „Luci! Bist du das, mein kleiner Putzigu?" Eine alte Dame taucht hinter einem Regal vor und strahlt Lucius an. Dieser stöhnt auf. Die alte Rosalinde kneift ihm in die Wange. „Ich habe dich ja schon ewig nicht mehr gesehen. Kleiner Rabauke! Hattest du nicht versprochen, deine Großtante Rosa mindestens einmal pro Woche zu besuchen? Nicht mal zum Bibliotheksunterricht habe ich dich zu sehen bekommen!" Ich kann nicht anders, ich fange an zu kichern. „Putzigu? Das ist ja viel witziger als Mister Superstar!" Lucius verdreht die Augen. „So sehr mich das Auftauen von Miss Frostig freut, das ist nicht lustig!" Rosalinde setzt ihre Brille auf. „Wer ist das denn? So eine hübsche junge Dame! Honigpups, willst du mir deine kleine Freundin nicht vorstellen?" Ich unterdrücke mit Mühe ein Prusten. Der Junge versucht mich mit Blicken zu töten. „Rosalinde, das ist Sydney, eine neue Schülerin. Sydney, das ist Rosalinde, unsere Bibliothekarin und sowas wie meine Pflegeoma. Mein Onkel hat mich gerne bei ihr abgesetzt, wenn er keinen Bock mehr auf mich hatte." Seine Stimme klingt bitter. „Lucius, das tut mir leid für dich. Mister X hat dir deine Kindheit nicht leicht gemacht." Ich wende mich an Rosalinde. „Ich freue mich Sie kennenzulernen. Ich bin Sydney. Diese Bibliothek ist der Wahnsinn. Die Magie in diesem Raum ist quasi greifbar." Die Bibliothekarin strahlt vor Freude. Dann scheinen meine Worte von davor zu ihr durchzudringen. „Moment, sie weiß davon, dass Mister X dein Onkel ist? Das wissen doch nicht einmal die Lehrer! Warum weiß sie es?" Lucius grinst mich an. „Sagen wir, Sydney ist auf höchst unkonventionelle Art auf dieser Schule gelandet. Sie hat ausversehen eine Bushaltestelle in Brand gesetzt. Mein Onkel und ich waren in der Nähe, weil wir Mister Q's Tochter Yvy nach Hause gefahren haben. Nur durch Zufall haben wir ihre Kräfte bemerkt und haben sie mitgenommen." Rosalinde nickt wissend. „Davon erzählte mir Mister X bereits. Ich wusste nur nicht, wer diese neue Schülerin ist." Sie betrachtet mich stirnrunzelnd. „Du kommst mir so bekannt vor. Diese Gesichtszüge." Ihre Augen fangen an zu leuchten. „Jennifer! Jennifer Thompson. Du bist der langjährigen Freundin von Ale-, ich meine natürlich Mister X wie aus dem Gesicht geschnitten." „Das ist meine Mum.", sage ich verwirrt. „Nein!", ruft Rosalinde aus. „Sie sagte, sie könnte niemanden so lieben wie euren jetzigen Rektor und würde der Liebe für immer versagen. Das ist nun 15 Jahre her, dass sie diesen Fluch auf sich gelegt hat. Eine traurige Geschichte. Die beiden waren so ein hübsches Paar. Nachdem Jennifer die Schule verließ, hat Mister X ihr immer Briefe geschrieben. Und als sie ihm schrieb, dass sie sehr krank sei, kam er sie besuchen. Das dürfte etwas mehr als 14 Jahre her sein. Danach haben sie sich nie wiedergesehen. Und Jennifer sagte, sie würde sich nie wieder auf einen Mann einlassen. Ja, ja. Ihre Beziehung war ein Skandal, doch wahre Liebe kennt keine Verbote." Sie lächelt selig und scheint in Erinnerungen versunken. Ich versuche, zu verarbeiten, was ich gerade gehört habe. Lucius schüttelt den Kopf. „Ich frage mich wirklich, was hinter diesem ganzen Mist steckt." Dann erinnert er sich, warum wir hier sind. „Rosalinde, Sydney und ich brauchen deine Hilfe. Tust du mir einen Gefallen?" „Für mein kleines Schnuffelhäschen mache ich doch alles!", sagt die Bibliothekarin mit einem sanften Blick. Lucius fühlt sich deutlich unbehaglich. „Wir müssen in den verbotenen Teil der Bibliothek." „Wie bitte?", ruft Rosalinde aus. „Auf gar keinen Fall! Das kannst du vergessen, du kleines Schlitzohr! Du machst doch nur Unsinn!" Ich melde mich zaghaft zu Wort. „Es geht nicht um Lucius." Die alte Dame dreht sich zu mir um. „Es geht um mich. Meine Mutter hat mich mein ganzes Leben belogen und ich möchte einfach nur die Wahrheit erfahren, wer ich wirklich bin. Und Lucius glaubt, dass ich in diesem Teil der Bibliothek eine Antwort finde. Ich bin mir sicher, dass das gegen etliche Regeln verstößt, aber solange ich keine Antworten auf meine Fragen bekomme, kann ich meine Kräfte nicht kontrollieren und bringe die ganze Schule in Gefahr. Ich möchte nicht das jemand verletzt wird." Ich sehe zu Lucius. „Ich hätte Lucius beinahe umgebracht, weil meine Gefühle übergekocht sind und ich muss etwas finden, damit das nicht noch einmal passiert und damit ich keine-." Ich stocke und sehe auf den Boden. „Damit ich diese Schuldgefühle nicht mehr habe. Bitte helfen Sie uns, Rosalinde." Die Bibliothekarin streicht mir gerührt über den Arm. „Wie kann ich da nein sagen? Komm mit, Kindchen, ich bringe dich in den verbotenen Teil der Bibliothek." Lucius geht neben mir. „Belastet es dich wirklich so sehr, dass ich beinahe-?" Er beendet den Satz nicht. „Der Blick in deinen Augen – es war nur ein Augenblick – aber diese Panik in deinen Augen." Ich sehe ihn an. „Du sahst so verletzt aus, so panisch und es war meine Schuld. Und dein Onkel hat es nicht ausgesprochen, aber in diesem Moment dachte er, dass ich ein Monster bin. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er wollte nicht mehr, dass ich dir nahekomme, weil ich dir wehgetan habe. Und ich habe deine Schmerzen bei der Absorbierung ja am eigenen Leib gespürt." Lucius nimmt meine Hand. „Du bist kein Monster, Sydney. Im Gegenteil. Und du hast mir das Leben gerettet. Ich kann mich an die Schmerzen nicht erinnern und ich könnte niemals Angst vor dir haben. Ich kenne dich noch nicht besonders lange, aber ich würde dir ohne zu zögern mein Leben anvertrauen. Ich-." Er verstummte. „Okay, lies jetzt einfach nicht, was ich denke. Für so ein Gespräch bin ich noch nicht bereit." Er grinst schief und entlockt mir ein Lächeln. Ich respektiere seine Bitte, auch wenn mich brennend interessiert, was er sagen wollte. Rosalinde bleibt stehen und eine Luftbarriere fällt zu Boden. Dahinter ist eine Wand aus Metall. Die Bibliothekarin legt ihre Hand darauf und das Metall schmilzt. Ich starre auf die Wand. „Sie hat Metall, Luft und Erde. Es ist kaum zu glauben, aber bei Rosalinde wurden Wasser und Feuer einfach übergangen und sie hat trotzdem eines der höheren Elemente bekommen.", antwortet Lucius auf meine unausgesprochene Frage. Rosalinde lächelt. „Nun geht schon. Ich werde euch nicht begleiten. Ihr verlasst diesen Teil der Bibliothek mit diesem Buch." Sie drückt mir ein Buch in die Hand. „Da steht alles genau drin, um wieder herauszukommen." Dann verschwindet sie. Lucius und ich gehen durch das geschmolzene Metall und es setzt sich hinter uns wieder zusammen.
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Elementary *pausiert*
ParanormalPanisch sehe ich um mich. Ich stehe auf einer Lichtung. Die Bäume brennen lichterloh und vom Bach rollt eine riesige Flutwelle auf mich zu. Über mir bündeln sich Feuer, Wasser und Erde in der Luft zu einem Wirbelsturm. Um mich herum stehen gruselig...