Rauchfee ; Lilablau

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"Was habt ihr denn da Krasses?", Philipp, notdürftig mit seinem Ersatzshirt getrocknet , und ich, in mein Handtuch eingewickelt, liefen durch unseren Garten zu meinem Haus, als er mein Baumhaus entdeckte. Es war nicht unbedingt baumhausförmig, sondern hing eher wie ein Bienennest mit Löchern zwischen den Zweigen der Linde weiter hinten im Garten und halb verborgen durch das Laub. Ich erklärte Philipp, dass mein Papa es mit mir zusammen gebaut hatte, als ich elf geworden war, und irgendwann hatten nur noch Asma und Elena darin gespielt.
"Wir müssen unbedingt dort rein!", beschloss Philipp und ich zuckte mit den Schultern. Ich schob zwei Tiefkühlpizzen in den Ofen und stopfte Philipps nasse Sachen mit meinem Handtuch in den Trockner, bevor ich schnell im ersten Stock verschwand, um mir etwas Wärmeres anzuziehen. Ich entschied mich für Sweatpants und einen Hoodie und nahm meinen Fön aus dem Bad mit runter und fönte meine Haare ein bisschen, die nass beinah dunkelbraun waren. Philipp kam zurück aus dem Bad im Erdgeschoß, bis auf die Jeans gleich gekleidet, und der Timer am Ofen piepte. Er holte die Pizzen heraus und ich gab Karl ein bisschen Futter, dann kletterten wir einhändig, jeder mit einem Pizzateller in der anderen Hand, in das Baumhaus. Philipp hatte seinen Rucksack mitgenommen und holte eine Flasche Mate heraus. Ich machte meine Playlist an, die ich *gun shots* genannt hatte und hauptsächlich Lieder aus Tarantino-Filmen beinhaltete und wir fingen an zu essen.
Nach einem oder zwei Stücken kletterten wir auf den oberen Teil des Baumhauses, setzten uns so, dass wir das Meer anschauen konnten und ließen die Beine über die Kante baumeln.
Wir schafften jeder nur etwas mehr als die Hälfte unserer Pizza und schwiegen eine Zeit lang einfach nur, während wir die Mate hin- und herreichten. Schließlich holte Philipp eine zerknautschte Zigarettenschachtel aus der Bauchtasche seines Sweaters und holte einen einzelnen mittelmäßig geschickt gedrehten Joint heraus.
"Stört dich das? Also, der Geruch oder so?", fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. "Das habt ihr auf der Abschlussfahrt auch nie gefragt. Buff ruhig."
"Wir können gern teilen.", sagte er und kramte in seinen Hosentaschen.
Ich schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht. Ich hab noch nie gekifft und ihr raucht doch immer nur irgendwelchen chemischen Sondermüll, dachte ich?"
Philipp schüttelte den Kopf. "Das ist Mary Jane aus den Niederlanden. Sauber. Leider sehr teuer, aber jeden Cent Wert."
"Und wenn ich ess nicht vertrage?" Er legte seine Hand auf meine Schulter und drückte sie.
"Dann bin ich immer noch hier und pass auf dich auf. Ich will dich zu nichts überreden, aber ich kann dir versprechen, dass es einfach nur eine sehr angenehme Erfahrung sein wird."
Er klemmte sich den Joint zwischen die Lippen und kramte ein Feuerzeug hervor. Mit einem Klicken erschein eine Flamme zwischen uns und er näherte sie der Papierspitze, bis die Glut sie zerfraß. Als sie das Gras erreichte, inhalierte er einmal genussvoll und reichte mir den Joint.
Etwas unsicher inhalierte ich und musste prompt husten. 
"Du musst vorsichtiger sein.", lachte Philipp, als ich ihm den Joint zurückgab.
"Ja, ich versuchs.", sagte ich. "Nicht jeder kann als Profi geboren werden."
"Schon ok, das sah lustig aus"
Wir zogen abwechselnd am Joint, bis etwa zwei Drittel verraucht waren und Philipp ihn neben sich ausdrückte, mit den Worten, dass wir genug hätten. Ich musste lachen und fragte zwischen zwei Kicheranfällen "Weil ich so sehr lache?", und es gelang mir dabei so übertrieben ernst zu schauen, dass Philipp selbst so sehr lachen musste, dass er fast vom Baumhaus fiel.

"Hilda?", fragte Philipp als wir uns beruhigt hatten und uns auf den Rücken gelegt hatten um den rosafarbenen Abendhimmel bewunderten. Wir knabberten die restlichen kalten Pizzastücke.
"Bitte sprich.", sagte ich huldvoll mit halbvollem Mund und musste nochmal lachen.
"Irgendwie bist du heute so ausgelassen gewesen."
"Hm."
"Du hast dich verändert."
"Schon. Ich versuche rauszugehen, aber es klappt manchmal nicht, und dann bin ich froh, mich wieder normal freuen zu können.", versuchte ich zu erklären.
"Ich verstehe, aber irgendwie verstehe ich nicht." Wir lachten über seinen Satz.
Ich versuchte ihm zu erklären, wie verrückt und wie scheiße ich zu mir selber war, dass ich mich lieber loswerden würde. 
"Zum Beispiel am Montag, da habe ich diesen Typ getroffen, als ich mit Karl in Lübeck war, und ich habe mich den ganzen Dienstag für mich selber geschämt..."
"Frau Philosophiestudentin.", fängt Philipp an, nachdem ich mehr oder weniger und natürlich ohne die Panikattacke die ganze Geschichte erzählt hatte.  "Dieser Typ, dieser Ben, kommt sich sicher irgendwo da draußen wie der letzte Klappspaten vor für diesen Abgang."
"Der könnte sicher jeder haben.", unterbrach ich ihn. "Der ist groß und gutaussehend und hat Tattoos und so, und ist nur mit mir rumgehangen, weil ich so scheißdreist war. Scheiße."
"Das wissen wir doch gar nicht: Hypothese.", hielt Philipp dagegen, "Du musst ihm auf jeden Fall das Bild schicken. Das wollte er sicher eh nur von dir, weil er mit Kontakt mit dir wollte, so sind wir."
"Wir Männer?" Ich musste schon wieder lachen. Oder ich hatte gar nicht aufgehört und sprach immer nur zwischen zwei Lachern.
"Wir Männer. Auch wenn ich keine Tattoos habe und nicht so groß bin. Aber wahrscheinlich wertet mich Fußballspielen wieder auf?", lachte Philipp und legte seinen Arm um meinen Kopf. Ich rutschte näher zu ihm hin. Es war kühl geworden.
"Du solltest dich einfach jetzt gleich melden, wenn du solche Angst davor hast, zu verkacken. Du hast doch gesagt, er ist so ein bisschen drauf wie diese Versagerrapper, lass uns ein Statement drehen.", sagte Philipp, fischte geschickt mein Handy aus der Bauchtasche meines Pullovers und startete die Kamera, bevor ich es verhindern konnte.
"Seh ich gut aus?", frage ich und mache einen Kussmund.
"Hilda, die Baumhausprinzessin.", sagt Philipp. Ich streiche ein paar verirrte Strähnen unter die Kapuze.
"Hallo Ben, hier ist Hildaaaaa.", sage ich und winke übertrieben.
"Äääähm ich bin hier mit Jan-Philipp, der ist Fachschrankeinräumer im Supermarkt und nebenberuflicher Student und Therapeut und Kameramann im weltbesten Baumhaus und das ist 16bars.tv! Wir haben riiiiiiichtig viel Pizza gegessen-", ich unterbreche mich und nehme einen Schluck Mate- "aber eigentlich nicht genug, Pizza reicht nie!" Ich redete übertrieben albern. Philipp stoppte die Aufnahme, startete eine neue und nickte mir zu.
"Ben, lass uns nochmal was machen!"- Ich winkte in die Kamera und grinste. "Ich glaube, du bist ein wirklich nicer guy und tust nicht nur so, es sei denn, du tust doch nur so, in welchem Falle du dich schön selbst ficken kannst.", schimpfe ich gespielt, muss aber noch bei den letzten Worten kichern. "Aber du musst eigentlich schon wieder was gut machen und bist ein ziemlicher Verlierer,", rede ich einfach lachend weiter. "-weil du nichtmal drauf klarkommst, dich zu melden, nachdem du mir so einen schlechten Kuss gegeben hast. Ich warte auf dich im weltbesten Baumhaus der, äh, Welt." Philipp stoppt die Aufnahme und ich kichere ein bisschen.
"Wie scheiße wäre das bitte, wenn dieses peinliche Video jemand sehen würde.", frage ich. "Es ist ja eigentlich schon ein bisschen abgedreht, dass ich hier mit dir bin und so ein Video mache, lass mich mal sehen." Ich lange nach dem Handy, aber Philipp hält es weg von mir, nur so, dass ich es sehen kann. Er öffnet kik und sucht kichernd den neuen Kontakt, "Ben G.". Klickt lachend auf Video versenden. Ich stürze mich auf ihn, aber er schafft es, gleichzeitig mit mir zu rangeln und das Video auszuwählen und auf den Server zu laden, er muss nur noch einmal klicken, und Ben kann es sich ansehen. 
"Bitte mach das nicht, Philipp, ich mein's ernst, das Video ist so richtig scheiße geworden, lieber rede ich nie wieder mit ihm.", flehe ich in unser Gebalge hinein, bis Philipp lachend damit aufhört, sich zu wehren und mir mein Handy zurückgibt und sagt "Eigentlich ist das Video wirklich charmant geworden, aber du musst das wissen.", und ich nehme das Handy und berühre das Display-
 - und das Geräusch, das eine versendete Datei in kik meldet, erklingt.

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Hej, ihr Lieben.

Ich möchte nur mal darauf hinweisen, dass ich mit dieser Episode keinesfalls dazu auffordern möchte, bewusstseinserweiternde Substanzen zu konsumieren. Erst recht keine illegalen. Dass Gras nicht nur nice ist, werdet ihr in späteren Kapiteln sehen!! 
Heute gab es zwei Kapitel, weil ich mir etwas wünsche: vor dem nächsten Kapitel hätte ich gerne drei Kommentar, und das kommt so: ich sehe, dass es einige Leute gibt, die diese Geschichte lesen, aber die Meisten der Leser scheinen sie anscheinend nicht genug zu schätzen, um das zu zeigen. Ich freue mich sehr darüber, dass die Kapitel überhaupt zur Kenntnis gelesen werden, aber es ist ziemlich enttäuschend und anstrengend, täglich für ein nahezu unsichtbares Publikum*  zu arbeiten und Fragen zu stellen, die nie beantwortet werden.
Auf jeden Fall einen schönen Start in die Woche und hoffentlich bis bald!
Yours truly,
F.

P.S.: Habt ihr gemerkt, into my haze?
*@Lieblingsmensch2001 und @Casperfanfiktions sind krass nett zu mir!


Lilablau - Casper

Lights shine into my face,
kaleidoscope colors turn into your face
you're not here, into my haze
kaleidoscope colors turn into your face

Und plötzlich alles lilablau, Tiefenrausch
Dem Fiebertraum wieder gegenüberschau'n - zielgenau
Stroboskopeblitze zeichnen alles kilometerweit-nah
Dichter Nebel greifbar, keine Furcht, alleine durch die Lichterkegel-Streitmacht
Hinten und vorn sich scheinbar gemeinsam im Finden verlor'n
Erblinde sofort, treib' im Gesichtermeer
Ertrink an dem Ort
Und plötzlich alles lilablau

Lights shine into my face,
kaleidoscope colors turn into your face
you're not here, into my haze
kaleidoscope colors turn into your face

Von lilablau zu monochrom im Stroboskop
Von ungewohnt bis unter Strom umgepolt
Sekundenschnelle Bilder flackern, dass sich jede Grenze verschiebt, unendliches Tief
Zu zweit allein in bittersüßen Epilepsien
Weg von dem Beat, nur los von dem Treiben reißen
Schweißgebadet entlang endloser Gänge, Menschengedränge
Hektische Enge
mit den Händen an den Wänden vorbei
Und plötzlich alles lilablau

Lights shine into my face,
kaleidoscope colors turn into your face
you're not here, into my haze
kaleidoscope colors turn into your face

Caspers Küstenaugen (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt