Lippen und Finger; Oceans

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Die Luft wurde zäh wie Honig und die Zeit verlangsamte sich, dick wie eine Wolke Marmorstaub. Ich blickte in Bens Gesicht wie durch einen Schleier, seine Haut war so hell- fast fahl, aber er lächelte mich an. Karl erhob sich von seinem Lager und kam zu uns herüber.
"Hallo, Hilda.", sagte Ben höflich, während er ihn tätschelte und ich trat etwas unsicher ein Stück zur Seite. Mein Mund war so trocken, dass ich mein "Hallo Ben.", wahrscheinlich viel zu leise sagte.
"Komm doch rein.", versuchte ich das mit den Worten noch ein zweites Mal, und der Satz gelang schon etwas besser. Ben machte einen Schritt über die Türschwelle und ich schubste die Tür vorsichtig zu. 
"Ich hab' Sachen mitgebracht.", teilte mir Ben mit und holte die bedruckte Papiertüte eine Bäckerei aus dem Jutebeutel, den er dabei hatte.
"Ich hab angefangen, Espresso zu machen.", sagte ich und ging die paar Schritte vom Eingang zu Küchenecke. Ich stellte die Herdplatte an, auf der die Kanne stand. Ben folgte mir und legte seinen Beutel und die Papiertüte auf die Anrichte.
"Ich kann Milch dazu aufschäumen.", bot ich an und holte das Gerät dafür aus dem Regal.
"Du magst Alt-J.", sagte Ben nur. Karl legte sich in einer Ecke der Küche auf den Boden und beobachtete uns mit nachmittagsträgem Blick.
"Ich höre ziemlich viel Musik, auch Rap und so, aber ja, schon.", redete ich herum, während ich Milch in den Schäumer goß und ihn einsteckte.
"Natürlich.", lachte Ben, und er schien etwas irritiert zu sein. Oder nervös. Nein, ich war doch schon nervös von uns beiden. Ich biss von innen auf meine Lippe für die Erwähnung von Rap. Wahrscheinlich dachte er jetzt, dass ich, was eigentlich, oh nein..
"Magst du Alt-J auch?", fragte ich in die seltsame Pause, bevor ich mich daran hindern konnte.
Ben nickte und wischte mit seinen Händen über die Oberschenkel seiner ausgewaschenen dunkelgrauen Jeans.
"Ja, aber ich habe das neue Album noch nicht gehört, du?"
Ich schüttelte den Kopf. "Ich habe es auch immer wieder vergessen."
"Dann müssen wir uns ja jetzt nicht darüber austauschen, wie wir es jeweils finden.", lachte Ben, "Ist doch nicht schlecht." 
Ich lachte auch und lehnte mich neben ihn an die Anrichte, als die ersten Töne von Something Good zu hören waren.
"Das ist eines meiner Lieblingslieder.", sagte ich. Trommeln, Gitarre, Klavier erklangen und der Gesang setzte ein.
"Du siehst sehr hübsch aus heute.", sagte Ben plötzlich und sah in meine Augen.
Ich sagte irgendsoetwas wie "Findest du?" oder "Naja" oder "Danke, du auch." und bevor ich ein anderes Thema fand, fand Bens warme linke Hand die Finger meiner rechten und er zog mich näher zu sich. Noch einen weiteren kurzen Moment sahen wir uns in die Augen wie eine Überlegung, die durch zwei Köpfe gleichzeitig geht. Ich hob mein Kinn ein wenig und Ben lächelte und beugte sich zu mir; seine Oberlippe streifte kurz meine Unterlippe wie ein verirrter Schmetterling. Ich holte Luft, um zu sagen "Küss mich doch.", aber Bens Lippen lagen auf meinen, bevor ich dazu kam.
Vielleicht haben manche Leute Angst vor dem ersten ersten Kuss, oder jedem ersten Kuss immer wieder. Ich hatte Angst in dem Moment davor, weil ich fest davon überzeugt war, dass nichts passieren würde. Dass Ben nicht wirklich war, nicht die Küche und ich auch nicht; doch als wir uns küssten, glaubte ich, dass ich nie mehr Angst haben würde.
Bens Lippen verzogen sich über meinen zu seinem anziehenden Lächeln und seine Bartstoppeln kitzelten mein Kinn. Ich gab ihm einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze und er schnappte spielerisch nach meinem Kinn, gab mir aber nur einen weiteren kleinen Kuss auf die Unterlippe. Ben ließ meine Hand los, um mein Gesicht mit beiden Händen zu fassen und meine Lippen wieder direkt auf seine zu bringen. Die Espressokanne begann neben uns zu zischen, aber ich suchte nur Bens Schultern mit meinen Händen und legte meine Finger in seinen Nacken, während das kochende Wasser nach oben gepresst wurde. Ich spürte Bens Zunge von unten mit meiner Oberlippe spielen und öffnete meine Lippen für ihn.
Irgendwie war der Espresso fertig und wir lösten uns lang genug voneinander, damit ich das Kännchen vom Herd nehmen und den Kaffee in hohen Gläsern in dem Milchschaum gießen konnte, während Ben mich von hinten in seinen Armen hielt. Er hatte einen Arm um mein Brustbein und den anderen auf meinen Bauch gelegt und fuhr mit dem Daumen die Kante meines Schlüsselbeins und meinen Schulterknochen nach. Unsere Gesichter waren sich immer noch so nah, dass ich die Stoppeln auf seiner Wange immer wieder über den Pfirsichflaum auf meinem eigenen Gesicht streichen spürte.
Ich schlug vor, dass wir mit einer Decke den Café und die Sachen vom Bäcker hinunter an den Strand nehmen könnten und stellte alles auf ein Tablet. Ben klemmte sich die Decke unter den Arm, die ich ihm aus dem Garderobenschrank gab und wir ließen Karl allein im Haus zurück. Ben sagte nichts, als wir am Baumhaus vorbeiliefen, sondern nickte nur anerkennend und legte seinen freien Arm um mich.

In Bens Papiertüte waren kleine Blätterteigteilchen mit und ohne Schokoladenfüllung und kleine Hefebällchen mit Rosinen. Wir setzten uns zusammen auf die Decke und stießen mit den Gläsern an, bevor wir anfingen, zu essen. Ich nahm ein kleines Teilchen, tunkte es in mein Glas, so dass es ein kleines Mützchen aus Milchschaum trug, und hielt es Ben hin, der brav den Mund aufmachte.
Ich lachte und biss den Teil mit dem Milchschaum selbst ab. 
"Du hast doch auch ein Glas."
Ben's gespielt gekränkte Antwort kam prompt. "Da lässt man sich einmal zu etwas kitschig-romantischem herab und man bekommt nichts dafür." Bevor ich etwas machen konnte, hatte er eine Hand in meinem Nacken und zwang mich dazu, ihn wieder zu küssen. Ich legte den Rest des Gebäcks auf das Tablet vor uns und ließ meine Hände Bens T-Shirt hinaufwandern zu seinen Wangen. Unter meinen Fingern spürte ich Bens Kiefer arbeiten, während sich unsere Lippen aufeinander anfühlten, als wäre es ein heißer Sommertag und Küsse eiskalte Limonade.

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Hej, ihr Lieben!
Ich vermisse eure Kommentare, ich antworte euch immer so gern und diskutiere mit euch :* :* :*
Charakterentwicklung ist diesmal ja gar nicht passiert, im nächsten Kapitel kommt dann wieder ein "ernstes" Gespräch vor. Wer ahnt vielleicht schon, was ein Konflikt sein wird? Ich habe übrigens eine vage Idee für eine Kurzgeschichte (1-3 Kapitel), aber überlege noch, ob ich mal über Alligatoah oder Timi Hendrix schreiben soll. Oder jemand ganz anderen. Wen findet ihr anziehend? (Muss niemand aus Musik sein, es interessiert mich nur, wer/was gerade cool ist, haha  (o u o); )

Yours truly,
F.

Oceans (Pearl Jam)

Hold on to the thread
The currents will shift
Glide me towards
You know something's left
And we're all allowed
To dream of the next
Oh, oh the next, time we touch

Uh huh, uh huh
Uh huh, uh huh

You don't have to stray
Tho oceans away
Waves roll in my thoughts
Hold tight the ring
The sea will rise
Please stand by the shore
Oh, oh, oh, I will be
I will be there once more

Uh huh, uh huh
Uh huh, uh huh
Uh huh, uh huh
Uh huh, uh huh
Uh huh, uh huh

Caspers Küstenaugen (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt