Familie

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"Familie: Wo das Leben seinen Anfang nimmt und die Liebe niemals endet."

Unbekannt

Ich gehe in das Gästezimmer zurück und sehe, dass Lotte unseren Kofferinhalt in den Schrank geräumt. Anscheinend gefällt es ihr hier. Ich habe aber viel zu wenig Zeit mit ihr verbracht. Ich schaue durch den Schrankinhalt und entscheide mich für eine grüne, schöne Bluse und hellblaue enge Hose. Dann drehe ich mich kurz vor dem Spiegel. Auch wenn ich Damien nun nicht ganz so sehr hasse wie gestern und ihm dankbar bin, dass er mir das Rudel so geduldig erklärt hat, heißt das nicht, dass ich jetzt für immer bei ihm sein will. Ich habe immerhin noch ein ganz anderes Leben, in das Lotte und ich auch wieder zurückkehren müssen. Trotzdem möchte ich, dass seine Mutter mich mag, nur für den Fall, dass ich mit dem ganzen Werwolfgedöns weiter mache. Ich weiß nicht ganz wie ich mit dem Wissen das es übernatürliche Wesen gibt umgehen soll. Als kleines Mädchen habe ich es mir immer gewünscht, aber jetzt mit 21 Jahren war ich eigentlich schon in der Realität angekommen. Und anscheinend ist das hier die neue Realität. Lotte kommt zur Tür herein. Sie sieht sofort, dass etwas nicht stimmt. "Was ist los?", fragt sie und kommt schnell auf mich zu. "Nichts. Wieso?" "Amy, Schatz, du siehst aus wie ein verlaufener Welpe." Sie macht Witze und versucht mich so aufzuheitern. Ich setze mich aufs Bett. Vielleicht habe ich doch einen kleinen Nervenzusammenbruch. "Du hast das gerade alles realisiert, oder?", fragt sie und setzt sich neben mich. "Ich hatte das gestern Abend, als du noch nicht da warst. Harry hat mir geholfen. Er hatte das auch." Ich schaue sie an. "Amy, es ist jetzt wie es ist und wir stecken da drinnen. Vor allem du! Diese Werwolf Sache wird nie wieder weggehen und wir müssen das akzeptieren. Du brauchst nur zu wissen, dass jeder hier für dich da sein wird. Sie nehmen sich Zeit für dich, wenn du Hilfe brauchst und werden dich unterstützen." Ich sehe sie an und ziehe meine Augenbrauen hoch. "Aha. Du bist schwer zu überzeugen. Also ich habe das ganze heute gleich mal ausprobiert. James hat mir großzügig das gesamte Dorf gezeigt und Kim hat mir alles erklärt. Dann habe ich Louis gebeten mir den Wald zu zeigen und das war heute früh um 6. Er ist aufgestanden und hat mir den Wald gezeigt. Einfach so. Es war um 6!", sagt sie und gestikuliert wild. Ich grinse. Sie fühlt sich total hier aufgenommen. "Amy, du wirst damit klar kommen. Aber nun zum wichtigen Teil. Was läuft zwischen dir und dem heißen Alphawolf?" Sie legt sich auf unser Bett und ich drehe mich zu ihr um. "Na nichts.", sage ich. "Wie nichts? Du hast doch gestern bei ihm geschlafen, also zumindest hast du nicht bei mir geschlafen." Sie grinst anzüglich. "Du hast ja auch geschnarcht." Sie lacht und will sich verteidigen: "Ich habe eben Allergien!" Ich grinse. Natürlich hat sie die. "Und heute habt ihr so lange geredet und naja, er ist dein Mate!" "Ja und? Das heißt doch nicht, dass ich jetzt auf einmal unsterblich in ihn verliebt bin. Er ist ganz nett und hilfsbereit, aber ich kenne ihn eigentlich nicht. Ich kenne ihn nur als ein riesiges Arschloch." Sie überlegt eine Minute und nickt dann zustimmend. "Ich gehe gleich zum Mittagessen mit seiner Mutter.", fahre ich fort. "Das geht alles schon ein Bisschen schnell." Sie rappelt sich vom Bett auf und umarmt mich. "Es wird alles gut werden. Wenn es dir zu viel wird, dann sind wir ganz schnell hier weg." Ich nicke und stehe dann auf. Ich betrachte mich noch einmal vor dem Spiegel. "Soll ich dir noch die Haare machen?", fragt sie und ich schüttle den Kopf. "Leider ist dazu keine Zeit mehr. Es ist ja schon gleich 12. Ich will pünktlich sein." Sie lacht. "Du und deine Überpünktlichkeit." Ich grinse sie an. "Pünktlichkeit ist eben die Höflichkeit der Könige." "Dann viel Spaß.", ruft sie und ich gehe aus unserem Zimmer.

Damien wartet unten an der Tür und als ich komme, lächelt er. "Du sieht wunderschön aus, meine Sonne." An diesen Spitznamen werde ich mich nie gewöhnen können. "Danke.", sage ich nur. Er sieht natürlich auch nicht schlecht aus. Er leitet mich zu einem Auto in der Auffahrt. Er hält mir, ganz der Gentleman, die Autotür auf. "Wo fahren wir hin?", frage ich als er auch eingestiegen ist und wir losfahren. "Im nächsten Ort meines Rudels stehen einige Einfamilienhäuser, dort sind mein Vater und meine Mutter hingezogen. Dort ist es etwas ruhiger als sie und vor allem kann mein Vater richtig abschalten. Wäre er hier, würde er mir wirklich auf die Nerven gehen." Ich lache auf. "Meine Mutter hat gemeint, dass sie heute ihren weltberühmten Apfelkuchen backt.", sagt er und lächelt erfreut. Ich schaue mir sein Profil an. Ich kann mein jüngeres Ich schon verstehen. Er ist wirklich gut aussehend. Wenn ich mir diesen markanten Kiefer anschaue und seine gerade Nase dazu, dann flattern in meinem Bauch die Schmetterlinge wieder auf. "Was starrst du so?", fragt er auf einmal. "Ach nichts.", sage ich schnell und reiße meinen Blick los. Ich starre stur gerade aus. "Das gehört alles dir.", meint er dann und nimmt meine Hand. Ich erröte und sage: "Hör auf so kitschig zu sein. Das ist ja schlimmer als in einem Liebesroman!" Er lacht rau und mir jagt seine dunkle Stimme einen Schauer über den Rücken. Ich muss wieder die Kontrolle über meine Gefühle und meinen Körper erlangen. Wir fahren in eine Auffahrt und als wir halten, steige ich nervös aus. Damien ist ebenfalls ausgestiegen und als er gerade wieder bei mir ist, fliegt auch schon die Haustür des wunderschönen kleinen Hauses auf. "Da seid ihr ja endlich.", ruft eine Frau und rennt auf uns zu. Sie zieht Damien in ihre Arme und dann schaut sie mich genau an. "Du bist ja eine ganz Süße. Darf ich dich umarmen?", fragt sie und ich nicke. Eine Sekunde später, werde ich schon in ihre Arme gezogen. "Oh, sie riecht ja wirklich nach Rosen, mein Lieber.", sagt sie und Damien errötet leicht. "Mama.", sagt er und sofort ist sie still. Ich kichere. "Das ist ein selber gemachtes Parfum meiner Großeltern. Wenn sie wollen, kann ich Ihnen auch eine Flasche besorgen!" "Das ist sehr lieb von dir.", sagt sie. "Aber mein Mann mag mich lieber ohne Parfum." Sie zwinkert mir zu. "Ach Gottchen. Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Lina, die ehemalige Luna des Red Moon-Rudels." Sie hat es also schon hinter sich. "Ich bin Amy.", sage ich. "Das weiß ich doch." "Irgendwie ist das in dieser Familie die Standard-Antwort wenn ich mich vorstelle. Amalia hat auch so reagiert." "Naja, Damien erzählt schon seit Wochen von dir." Ja, wahrscheinlich seitdem er mich in dem Restaurant gesehen hat. Jetzt verstehe ich, dass sich sein Wolf damals nicht zurück halten konnte. "Mama, ich bitte dich.", knurrt Damien. Er ist leicht rot geworden. "Knurr ich ja nicht an." Sie macht eine abwertende Geste und führt mich dann in ihr Haus. Sie hat den Esstisch schon gedeckt und aus der Küche duftet es köstlich. "So, heute gibt es Lende und Kartoffeln, dazu Bohnen. Zum Nachtisch habe ich Apfelkuchen gebacken." Sie hat sich wirklich Mühe gegeben. "Oh, du hättest dir doch nicht so viel Mühe machen müssen.", sage ich. "Ach, dass war doch keine Mühe. Ich habe mein halbes Leben für ein riesiges Rudel gekocht, da sind drei Portionen nichts." Ich schaue erschrocken. Wird so meine Zukunft aussehen, wenn ich dieses Leben wähle? Kochen, putzen, Kinder bekommen? Lina sieht meinen Gesichtsausdruck und streichelt meinen Arm. "Keine Sorge. Es ist nicht notwendig, dass du für alle kochen musst. Jede Luna macht den Job anders. Meine Schwiegermutter hat sich immer um die Kranken gekümmert. Das hätte ich auch nicht gekonnt. Du wirst deinen Bereich auch finden. Jede Luna macht das." Ich lächle sie leicht an. Wir setzen uns und Lina tut jedem von uns eine Portion auf. Damien nimmt schon den ersten Bissen und ich wünsche ihnen einen 'Guten Appetit'. Seine Mutter erwidert den Wunsch und schweigend essen wir eine Weile. Ich lobe Lina für ihre ausgezeichnete Kochkunst und sie errötet etwas. "Ich überlege ein kleines Café aufzumachen. Es ist doch etwas langweilig in der Rente nur so herumzusitzen." So alt ist sie ja wirklich noch nicht. "Das klingt wundervoll. Hast du denn schon einen Raum in Aussicht?", frage ich begeistert. "Ach, ich weiß nicht. Wir haben die Kinder damals nach Powers geschickt, weil wir wussten, dass es sicherer ist, sie weiter weg von dem Hauptdorf aufwachsen zu lassen, vielleicht gehe ich dort hin. Ich mag die Menschen und sie können genauso viel Kuchen verschlingen wie Werwölfe. Ich habe dort ein paar Kuchenbasare mitgemacht und weiß, dass sie eine wirklich gute Kundschaft sein werden." Ich lache. Kuchen könnte ich wirklich immer essen, genauso wie meine Großeltern, die immer noch in Powers leben. Ich schaue Damien an, wie er immer noch seinen Teller verschlingt. Er wird sich doch hoffentlich nicht verschlucken. Lina sieht meinen Blick und lacht. "Alle Wölfe sind so. Sie verschlingen Portionen für ganze Völker und wollen dann immer noch mehr." Wir kichern. Damien will sich gerade in das Gespräch einbringen, als sich sein Gesichtsausdruck verändert. "Mama, ich muss gehen. Es gibt Probleme im Rudel. Meine Sonne, mach dir keine Sorgen. Ich muss das regeln. Ich hole dich heute Abend hier ab." Ich nicke überrascht. Er lässt mich hier einfach allein? Er steht auf und Lina begleitet ihn zur Tür.

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