Prolog

516 41 34
                                    

Mein Atem geht rasselnd, als ich über die Strasse renne. Über mir ist nichts weiter, als der rabenschwarze Himmel. Die Hochhäuser Londons ragen in die Nacht hinein, erhellen die Gegend, durch die ich hetze und sehen nicht nur bedrohlich aus, sondern bieten der Zielperson genügend Versteckmöglichkeiten, die ich seit einiger Zeit verfolge.

„Siehst du ihn?", frage ich atemlos und beschleunige das Tempo. Die Glock 19 in meiner Hand fühlt sich schwer an, doch die 15 Patronen wollen unbedingt aus ihrem Gefängnis heraus. Auch wenn ich nicht darauf erpicht bin zu schießen, so habe ich manchmal nicht immer eine Wahl. 

Als MI6 Agentin ist man ständig in Lebensgefahr und da wird die Pistole zum besten Freund, auch wenn es ganz schön abgedroschen klingt.

„Er rennt in Richtung Norden! Ich versuche ihm den Weg abzuschneiden", höre ich Christians Stimme in meinem Ohr. Wieso versucht er immer den Helden zu spielen?

„Kannst du nicht auf mich warten?", frage ich besorgt, denn ich will ihn nicht verlieren. 

Unser Job hat uns zusammengeschweißt, zuerst als Kumpels, dann als Freunde und schließlich als Geliebte. Ich liebe diesen verrückten und gut aussehenden Briten, aber wenn er den Helden spielt – was er zu oft schon getan hat -, dann habe ich Angst ihn zu verlieren.

„Kann ich nicht, tut mir leid, Per", höre ich ihn, dann ist es wieder still.

„Scheisse!", zische ich und biege nach rechts ab, denn ich bin mir sicher, dass unsere Zielperson genau diese Richtung genommen hat. Regen setzt ein, durchnässt mich mit jedem weiteren Tropfen bis auf die Knochen, doch davon lasse ich mich nicht abschrecken. 

Dieser Auftrag begleitet uns bereits einige Wochen, aber erst heute gelang uns der Durchbruch. Wir konnten die Zielperson auf frischer Tat ertappen, doch sie konnte fliehen und nun rennen wir durch ganz London, um sie zu erwischen. 

Seit elf Minuten suchen wir getrennt nach dem Mann und es fühlt sich mit jeder weiteren Sekunde schlimmer an. Wir trennen uns sonst nicht, aber heute wollte er unbedingt, dass wir uns splitten.

„Per, er ist hier, ich kann ihn sehen", höre ich Christians aufgeregte Stimme wieder und frage ihn, wo er sich befindet.

„Richtung Middle Street, Per, beeil dich." Ich nicke, obwohl er es nicht sehen kann und biege rechts ab, um auf die von ihm genannte Strasse zu kommen. Der Regen ist stärker geworden, prasselt nun wie Nadelstiche auf mich ein. 

Doch ich ignoriere die Schmerzen und steigere mein Tempo weiter. Was meiner Lunge nicht sonderlich gefällt, genau, wie meinen Beinen, die langsam zu brennen beginnen. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche meine Atmung gleichmäßig zu halten. 

Ich habe es gleich geschafft, denke ich im Stillen, als ich das Schild sehe.

„Ich bin gleich da. Wo bist du?", frage ich und spüre, wie mein Herz gegen meine Brust pocht. Als würde es wissen, dass etwas nicht stimmt.

„Chris? Wo bist du?", frage ich aufgebracht. 

Was, wenn ihm etwas passiert ist? 

Wir verfolgen keine Kleinkriminellen, leider, sondern gewiefte Gangster, die um keinen Preis der Welt geschnappt werden und in den Bau wollen. Sie tun alles, um sich ihrer Strafe zu entziehen und deshalb würde unser Mann auch auf Christian schießen. Und das muss ich verhindern, denn ich darf ihn nicht verlieren. Nicht diesen einen speziellen Mann, der mich umgehauen hat und immer für mich da ist.

„Hörst du mich? Verdammt!", zische ich und bleibe stehen, als ich die Middle Street erreicht habe. Auch hier ragen Wolkenkratzer in die rabenschwarze Nacht, außer den Verkehrsgeräuschen und meinen abgehackten Atemzüge ist nichts zu hören. Vom Rauschen des Regens mal abgesehen, ist es sonst mucksmäuschenstill. 

Paradis Kill Töten will gelernt seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt