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Blinzelnd öffnete Selma die Augen und strich ihre schwarzen Strähnen hinter das Ohr

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Blinzelnd öffnete Selma die Augen und strich ihre schwarzen Strähnen hinter das Ohr. Gähnend streckte sie sich und warf sich zurück auf die Matratze, als sie plötzlich ein leises Schnarchen neben ihr vernahm.

Keuchend fiel sie auf den Boden, doch als die Erinnerungen an die hübsche Amalia eintrafen, beruhigte sie sich wieder. Selma schlich sich zurück in das Bett und betrachtete das Mädchen, welches rechts von ihr lag.

Amalia war eine Schönheit. Ein Kunstwerk. Ihre kleine Nase mit der rötlichen Spitze. Die rosafarbenen Wangen mit den unzählbaren Sommersprossen. Die fülligen Lippen, welche leise Geräusche von sich gaben. Ihr voluminöses, wirres Haar lichtete sich um ihr dünnes Gesicht. Die Schultern lagen frei und offenbarten weitere Sommersprossen.

Sie trug eine kurze Hose und ein weites Shirt von irgendeiner ihr unbekannten Band. Selma schaute auf den Wecker und er zeigte sechs Uhr morgens an. Sie schlief heute eine Stunde länger, als sonst.

Kurz um warf sie noch einen Blick auf Amalia und nahm sich einen Badeanzug aus der Kleiderkiste.

Im Badezimmer zog sie sich den Badeanzug an und warf das weiße Nachthemd auf den kleinen Hocker, welcher nur in dem kleinen Badezimmer stand, um als Kleidungsaufbewahrer zu dienen.

Er war aus dunklem Holz mit violettem Stoff bezogen. Ihr Blick fiel auf den Spiegel und auf das dort sichtbare Gesicht.

Dunkelblaue Augen blickten Selma entgegen. Sie war keine Schönheit, weder ein Kunstwerk. Sie hatte dichte, dunkle Augenbrauen und eine breite Nase. Nicht auffällig breit. Sondern so auffällig, dass es ihr nach langem betrachten auffiel.

Ihre Lippen waren nicht so voll und rot wie Amalias, sondern dürr und rau, in Altrosa getaucht.

Ihre Haut war blass und blaue Augenringe befanden sich unter ihren dunklen Augen. Der Vorteil war daran, dass dadurch ihre Iris betont wurde. Ein kläglicher Aufmunterungsversuch.

Sie hatte viele kleine Muttermale auf ihrer Haut, überall an ihrem Körper, auch auf dem Gesicht. Ihr Pony war ungeschnitten und stand gerne zu allen Seiten ab. Sie hatte eine dürre Gesichtsform.

Ihre Statur war sportlich, manche mögen auch behaupten breit. Sie würde nicht behaupten, dass sie dick war, aber das war jedermanns eigene Meinung.

Schnell wand Selma den Blick ab und nahm sich das große, flauschige Handtuch vom Hacken.

Sie lebte in einer Holzhütte, welche an einem kleinen Abhang auf einem hohen Berg mitten im Westen Islands lag. Das kleine Dorf, welches unten am Fuß des Berges lag, war ein längst vergessenes Kaff mit circa 400 Einwohnern. Alles nette Menschen, die Mehrzahl bestand aus alten Leuten, welche ihre letzten Tage mit ihren jahrelangen Freunden verbrachten.

Ihre Hütte lag fast am Gipfel des Berges. Eine Stunde Fußmarsch bis dorthin. Die Hütte des einsamen und vor allem toten Mannes befand sich 50 Meter über ihrer, also 50 Meter näher am Gipfel. Der kleine See, von dem sie sprach, war versteckt und nur erreichbar durch einen kleinen und engen Pfad rum um den Berg auf der anderen Seite.

Man musste wirklich nicht lange laufen. 5 Minuten. Und es war einer ihrer Lieblingsplätze. Nur der Mann und Selma kannten diesen Ort, denn er zeigte ihn ihr an dem Tag, an dem sie diese Hütte von ihm abkaufte.

Ja, diese war seine und er erbaute sie für seinen Sohn, damit er dort leben könnte, doch so viel sie weiß, kam es nie dazu. Sie glaubte, er war früh im Krieg in Asien gestorben, denn als Selma einmal den alten Mann besuchen kam, sah sie ein Bild von einem jungen, attraktiven Mann in Militärsuniform.

Selma erreichte den See und sogleich stahl sich ein Lächeln auf ihr ernstes Gesicht. Dieser Ort versprühte Magie. Wohin man auch sah, man dachte dieser Platz wäre von der ganzen Revolution verschont worden. Die Pflanzen strahlten in prächtigen Farben und viele Tiere brummten um den See herum. Das Wasser war rein, wie die Seele eines Neugeborenen.

Man sah bis auf den Grund, welcher mit gesunden Algen und anderen Wasserpflanzen überdeckt war. Am Morgen war es hier oftmals warm, denn die Sonne schien morgens besonders stark und man kam auf über 10°C, weswegen Selma auch gleich im Badeanzug hierherkam.

Sie schmiss ihre Klamotten und das Handtuch auf einen Baumstumpf und sprang in das Wasser. Pure Kälte umgab ihren zittrigen Körper. Ein Mensch, welcher das nicht gewohnt war, würde hier nach zehn Minuten restlos erfrieren, doch Selma ging schon seit vier Jahren fast jeden Tag schwimmen, ihr Körper hielt jeder Kälte stand.

Als sie wieder auftauchte inhalierte das schwarzhaarige Mädchen die frische Luft ein. Nirgendswo atmete sie je frischere ein, als hier in Island am abgelegensten Fleck überhaupt.

Weit weg von jeglicher Art an Industrien, Technik und modernen Gerätschaften. Kein Internet, keine unnatürlichen Stoffe, keine Umweltgefährdung.

Nachdem sie einige Runden geschwommen war, hievte sie sich aus dem Wasser und wickelte sich in das gemütliche Handtuch ein. Die Sonne hatte es erwärmt und wohlig stöhnte das zitternde Mädchen auf.

Sekunden hielt sie ihr Gesicht in die prickelnde Sonne und verabschiedete sich dann im Stillen von dem See. Der Rückweg verging viel schneller und sie spürte, wie ihre Muskeln wieder auftauten.

Sie trat ein und angenehme Wärme umhüllte sie. Mittlerweile war Selma trockener und sie klopfte sich die Füße am Teppich ab. Wie immer hingen Erde und Blätter an ihren Sohlen.

"Selma?" Eine weiche Stimme fragte nach ihr und die Angesprochene schaute auf. Amalia, in einer blauen Jeans und grünem Pulli kam aus dem Badezimmer hervor und sah sie prüfend an.

"Wo warst du?"

Überrascht hätte Selma fast ihr Handtuch fallen gelassen, jedoch hatte sie ja sowieso noch ihren Badeanzug an. "You can speak German?"

Amalia drehte ihren Kopf überlegend von einer zur anderen Seite.

"A little bit. Ein bisschen. Aber lange nicht mehr gesprochen. Ich mag es Sprachen zu lernen. And I am good at it! Ich merke sie mir schnell und ich habe ein Wortbuch für Deutsch in deinem Schrank gefunden, jetzt will ich die Sprache very perfect lernen."

Sie legte ihre Hände an die Hüften und sah heroisch auf einen unbestimmten Punkt. Leise lachte Selma über ihren Tatendrang. Doch dann fiel ihr Amalias Wortlaut auf.

"Du willst länger hierbleiben?" Sofort sank sie wieder zu der schüchternen, aber quirligen Person zusammen, welche die Deutsche kennenlernte.

"Wenn ich darf?" Sie sah, die noch immer halbnackte Frau, fragend und ziemlich unsicher an. Diese beantwortete ihre Frage nicht, sondern bat Amalia um Geduld und huschte in das Badezimmer.

Sie würde gerne länger hierbleiben. Bei ihr. Mit ihr. Aber warum? Und woher kam sie? Weswegen war sie hier? Selma beschloss sie erstmal auszufragen, bevor sie eine so große Frage beantwortete.

Zügig schälte sie sich aus dem klitschnassen Anzug, trocknete sich ab, zog ihre gemütlichen Sachen an und richtete sich ihre Haare.

Antonym - Die Philosophie der Gegensätzlichkeit {✓} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt