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Eine Woche verging seit dem Selma das erste Mal Reue verspürte

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Eine Woche verging seit dem Selma das erste Mal Reue verspürte. Es war ein grässliches Gefühl. Ein Kribbeln, welches dich rot werden ließ und Hitzewallungen durch deinen Körper schoss.

Die Hände zitterten und man wollte nur noch weinen.

Das Schlimmste war, man hatte das Bedürfnis, sich verstecken zu müssen. Unter der Bettdecke, im Schrank, unter dem Tisch oder hinter Mutters wallenden Kleid. Ganz egal, man wollte abtauchen und nie wiedergesehen werden.

Der Meilenstein war nur, dass Selma sich schon versteckt hatte. Sie hatte sich schon vor einer Weile verkrochen und das nicht mal aus Reue, sondern vor Verbitterung. Verbitterung über das eigene, schwache Leben, welches lebenswert sein sollte, jedoch nichts an ihm geändert wurde.

Die Blumen, welche sie im Dorf gekauft hatten, waren sogar passend gewesen, außer ein zwei Arten, doch das reichte schon. Sonnenhut und Astern, Anemonen und Rittersporn zierten das Beet, sowie drei weitere Sorten.

Die Zeit verging so langsam und dabei so schnell, dass sie nicht realisierte, dass Amalia nun mehr ein wichtiger Teil ihres Lebens war. Sie verknotete sich in ihr geradliniges Leben und verwirrte alles.

Sie hatte keine Routinen mehr. Ging baden, wann sie Lust hatte und verbrachte manchmal Stunden auf dem Dach. Tage lang las sie kein Buch und plötzlich hatte sie eins in der Hand und ließ es nicht mehr los.

Zeichnen tat Selma jeden einzelnen, verdammten Tag. Und nur ein Motiv. Ein kleines, lockiges, süßes und hypnotisierendes Mädchen.

In jeder möglichen Position und Situation stellte sie Amalia mit allen möglichen Farbstilen dar. Mit Kohlekreiden, mit Bleistift, mit Acryl, mit Ölfarben, mit Buntstiften, mit Kuli und das zu den unpassendsten Zeitpunkten. Auf die Rechnung des Wochenkaufes. In Bücher und Hefte. Auf den Boden und den Tisch. In das Essen mit der Gabel.

Und manchmal aus freien Gedanken. Dann schloss sie die Augen und stellte sich das quirlige Mädchen in einem weißen Kleid auf einem hohen Feld herumspringend vor und schon begann ihre Hand Strich, um Strich zu tanzen. Die Sonne würde in ihrem rosigen Gesicht scheinen.

Es gab keine Routine, keine Ordnung und keine Struktur mehr in ihrem Leben. Und Gott, tat dies gut. Noch nie, noch nie in ihrem gesamten Leben hatte sie sich so frei, wie zu diesem Wimpernschlag gefühlt.

Manchmal erwischte sich Selma dabei, wie sie sich in den Arm zwickte, um aus diesem zu perfekten Traum aufzuwachen, doch es hatte noch nie funktioniert. Jedes Mal, wenn sie wieder die Augen öffnete und noch immer in ihrem Traum wandelte, dann lachte sie hysterisch los.

Denn sie war glücklich.

Selma war glücklich nach Jahren der Unterdrückung ihrer eigenen Gefühle und Gedanken. Nach Gefangenschaft ihrer Schritte und nach großer Verbitterung über ihr Scheitern.

Die Nächte wurden zunehmend schwüler und nahmen die Luft zum Atmen, doch sie hatten das Gefühl, sie bräuchten keinen Sauerstoff, um zu überleben, denn sie hatten sich gegenseitig.

Selma war Amalias Sauerstoff.

Amalia war Selmas Sauerstoff.

Und dann verschwand Selmas Lebenserhalt.

Und sie verlor ihre Luft zum Atmen.

Antonym - Die Philosophie der Gegensätzlichkeit {✓} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt