Sterne.
Sterne sind etwas absolut schönes, etwas unbeschreiblich wunderschönes. Ich wünsche mir so sehr, dass ich einmal einen Stern von nahen sehen könnte. Aber ich weiß natürlich, dass das nicht möglich ist. Zu weit weg, zu heiß und ich würde so oder so einschlafen.
Aber der Traum bleibt bestehen. Träumen darf ich. Ich träume sowieso schon häufiger als andere Menschen, also darf ich auch von unrealistischen Sachen träumen.
Von Teo und mir zum Beispiel, wie wir es tatsächlich schaffen, eine ganze Nacht lang aufzubleiben. Wir sehen mehr Sternschnuppen, als ich zählen kann. Es sind mehr, als ich Wünsche habe. Ich habe nämlich eigentlich nur einen. Und zwar, dass genau das geschieht, von was ich träume. Teo, ich, der Nachthimmel.
Das ist alles, was ich will.
"Milo? Schläfst du schon wieder?", höre ich Óscars Stimme nah an meinem rechten Ohr.
Ich lasse meine Augen langsam aufflattern und drehe meinen Kopf in Óscars Richtung, der neben mir liegt und mich schon anschaut. "No."
Óscar lacht leise. "Du hast geschlafen."
"Nein, hab ich nicht."
"Schwörst du es?"
"Sí."
"Vale." Er lächelt in sich hinein und sagt nichts mehr.
Manchmal, wenn er diesen Ausdruck in seinem Gesicht hat, frage ich mich, was er denkt. Worüber. An wen. Man kann nämlich nicht so schauen, wenn man an nichts denkt.
„Weißt du, was ich jetzt am liebsten tun würde?", sagt er plötzlich in die Stille der Nacht hinein.
Ich habe meine Augen schon wieder geschlossen und mache mir nicht die Mühe, sie zu öffnen, während ich antworte.
„Zeichnen?"
„Sí. You and me and all the stars around us."
Er weiß, dass ich ihn nicht verstehen kann. Ich weiß, dass es Gedanken sind, die ich nicht verstehen soll. Manchmal wünsche ich mir, dass er diese Gedanken zurückhalten würde. Dann müsste ich nicht Stunden darüber nachdenken, was das wohl geheißen haben mag.
Mit Teo war das einfacher.
Im selben Moment, wie ich das denke, bemerke ich mit Schrecken, wie ich in der Vergangenheit darüber denke. Als ob Teo und ich Geschichte sind. Als ob das irgendwelche Kindheitserinnerungen sind, die nur darauf warten, vergessen zu werden.
Ich weiß nicht, was auf einmal mit mir los ist. Warum ich ausgerechnet jetzt, hier, in dieser Nacht, neben Óscar, so viel an Teo denke. Vielleicht liegt es an der Wirkung der Nacht. So still, so dunkel, so geheimnisvoll. Hier kann ich denken, was ich möchte, ohne dass irgendjemand davon Wind bekommt. Und ich habe Zeit, zu denken. Viel Zeit.
Aber dass der Gedanke, dass ich über Teo und mich in der Vergangenheit denke, mir so einen Schrecken eingejagt hat, beweist mir plötzlich, dass ich noch nicht bereit dafür bin, Teo in der Vergangenheit weilen zu lassen.
Er ist noch immer Teil meiner Gegenwart, meiner Zukunft.
Bin ich noch Teil seiner Gegenwart? Seiner Zukunft?
Ich wünsche mir gerade mehr als alles andere, dass Teo hier ist. Ich will ihn fragen, ihn konfrontieren, vor ihm einschlafen und als allererstes sein Gesicht sehen, wenn ich wieder aufwache.
Ich frage mich, wo die Gedanken in den letzten Wochen geblieben sind. War es vielleicht einfach der Schock und Óscars Anwesenheit, die mich meinen Schmerz über Teo vergessen lassen hatte?
Aber ich habe ihn nicht vergessen, fällt mir auf.
Der Schmerz war da, als Teo nicht da war.
Dann kam Teo wieder in mein Leben geschlichen. Seit Tagen sitzt er zuhause in der Küche und gibt meiner Schwester Nachhilfe, wenn ich nach Hause komme.
Vielleicht sind es dann seine Blicke, die mich meinen Schmerz vergessen lassen. Die Befriedigung, ihn jeden Tag zu sehen. Nicht nur in der Schule, an Elenas Seite. Nein, bei mir zuhause, seine Augen auf mir, der Ausdruck in ihnen, der sagt bitte verzeihe mir.
Wieso denke ich erst jetzt darüber nach? Wieso denke ich erst jetzt so richtig darüber nach?
Es ist die Wirkung der Nacht. Es muss die Wirkung der Nacht sein.
Aber als ich meine Augen öffne und versuche, etwas auf meiner Armbanduhr zu erkennen und beide Zeiger auf zehn Minuten nach Zwölf stehen, weiß ich, warum ich an Teo denke.
Es ist sein 17. Geburtstag.
Und ich bin das erste Mal seit sechzehn Jahren nicht dabei.
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One Night Is All He Wanted
Teen FictionMexiko, 1983. Emiliano leidet unter Narkolepsie, im allgemeinen Munde auch als "Schlafkrankheit" bekannt. Er schläft in den ungünstigsten Momenten einfach ein - beim Essen, beim Spielen, beim Einkaufen mit seiner Mamá... Wäre da nicht sein bester Fr...