Óscar hat mich nach Hause gebracht. Sonst wäre ich wahrscheinlich nicht heile zuhause angekommen. Auf dem Weg hierher mussten wir dreimal anhalten, weil ich eingeschlafen bin. Ich glaube, das ist die Aufregung. Immer wenn ich aufgeregt, gestresst oder nervös bin, werden meine Anfälle häufiger. Das vierte Mal passiert direkt vor meiner Haustür.
Als ich wieder aufwache, erwarte ich Óscars Gesicht über mir zu sehen.
Aber es ist nicht Óscar. Die Augen sind viel dunkler und die Haare länger.
Das ist Teo.
„Wo ist Óscar?", frage ich sofort.
Teo sieht verletzt aus. Aber so hab ich das gar nicht gemeint. Ich bin froh, Teo zu sehen, aber ich frage mich, wo Óscar plötzlich abgeblieben ist. Bevor ich eingeschlafen bin, war er noch da.
„Nach Hause gegangen", murmelt er, als er meine Hand nimmt und mir aufhilft. Er meidet meinem Blick.
„Was? Warum das? Ohne sich von mir zu verabschieden? Ich dachte, er-"
„¡Deja de pensar!", faucht Teo plötzlich und ich schrecke erstaunt zurück. Teos Augen glitzern. Vor Wut? So hat er mich noch nie angeschaut. Hasst er mich? Mein Herz sinkt bis zu meinen Füßen. Aber nicht langsam, sondern ganz plötzlich. So, dass mir schlecht wird.
„Teo?", frage ich vorsichtig. „Was ist los?"
Teo schaut weg. Ich kann die Muskeln in seinem Kiefer arbeiten sehen. Das macht er immer nur dann, wenn er aufgebracht ist. Ich fühle mich noch schlechter. Wie kann es sein, dass ich gerade eben noch so glücklich war, dass ich dachte, ich könnte die Welt erobern und ich mich jetzt auf einmal am liebsten unter einer Decke verstecken und nie wieder auftauchen will?
Liegt das an Teo? Macht er mich unglücklich?
„Wieso bist du einfach weggegangen?", sagt er nach einem Augenblick Stille. Seine Stimme hat einen ganz anderen Ton angenommen. Sie bricht mitten im Satz.
Er schaut mich immer noch nicht an.
Oh, denke ich, als er das sagt. Das ist es?
„Du hast geschlafen, ich wollte dich nicht wecken", antworte ich leise. Hätte ich gewusst, dass er so reagiert, wäre ich nicht einfach so gegangen. „Du lässt mich auch immer schlafen", füge ich hinzu.
„Das ist was völlig anderes, Milo!", ruft er frustriert dazwischen. Seine Augen blitzen.
Ich starre ihn an. Ich erkenne Teo kaum wieder. Wann hat er das letzte Mal so mit mir geredet?
Als er gesagt hat, wir können keine Freunde mehr sein.
Ich bekomme Panik. Will er das wieder?
Ich blinzele gegen die Tränen an, die einfach so kommen. „Willst du nicht mehr mit mir befreundet sein?"
Teos Gesichtsausdruck fällt.
Ich wusste es. Ich wusste es. Ich wusste es.
„Wie kommst du darauf?", fragt er.
„So hast du damals auch mit mir geredet", sage ich und schaue weg. Ich bin froh, dass Óscar nicht mehr hier ist. Er muss das nicht sehen.
„Du verstehst das nicht, Milo", seufzt Teo leise. „Ich werde nicht nochmal gehen. Ich war einfach nur... verwirrt."
„Aber weswegen verwirrt? Ich bin nie verwirrt, wenn es um uns geht."
„Desearía que estuvieras confundido", murmelt Teo und ich bin mir nicht sicher, ob das für meine Ohren bestimmt war.
„Warum sollte ich verwirrt sein?", hake ich nach. Das ist nicht nett. Zweifelt er an unserer Freundschaft? Mir wird kalt, obwohl es so heiß ist.
„Óscar ist nicht hier, weil ich ihm gesagt habe, er soll gehen." Teo tut so, als hätte er meine Frage gar nicht gehört.
Gerade eben war ich traurig, jetzt bin ich wütend. Ich bin überrascht, wie schnell das geht.
„Warum hast du das gesagt? Ich wollte nicht, dass er geht!"
„Dann geh ihm doch hinterher!", feuert er zurück.
„Was ist los mit dir, Teo?", frage ich ihn nochmal.
„Lass mich in Ruhe." Er geht.
Ich hasse es, ihn so zu sehen. Er soll nicht gehen. Aber er soll nicht so sein. Nicht zu mir.
„Ich wollte dir was erzählen, Mateo."
Er wirbelt herum. „Nenn mich nicht so!"
Ich fühle mich ein bisschen schlecht, weil ich wusste, dass er darauf hören würde und ich das ausgenutzt habe. Aber sonst hört er mir nicht zu.
„Soy una mariposa." Ich lächle. Aber mein Lächeln verblasst langsam wieder, als ich sehe, wie sich Teos Augen weiten. So weit, dass ich denke, sie fallen gleich raus.
Weiß er, was ich gesagt habe? Ich hoffe es.
Teo fängt plötzlich an, wild mit dem Kopf zu schütteln. Seine Haare fliegen in alle Richtungen.
„Das ist nicht wahr. Sag das nicht." Er schließt die Augen und hält sich die Ohren zu. Als würden meine Worte ihn aufschneiden, als müsste er sich davor beschützen.
Ich erinnere mich auf einmal daran, was Jaime gesagt hat. Das viele Menschen das nicht mögen.
Mein Herz setzt einen Schlag aus.
Gehört Teo dazu?
Nein, nein, nein. Nicht Teo. No mi Teo.
Er würde mir nicht wehtun wollen. Oder?
Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es nicht.
Ich gehe zu Teo und nehme seine Hände von seinen Ohren. Ich will, dass er mir zuhört. Seine dunklen Augen sind voller Panik.
Bevor ich was sagen kann, öffnet sich sein Mund.
„Woher weißt du das?", wispert er, seine Augen schauen mich an, als befürchte er, ich würde ihn jeden Moment schlagen. Sein Blick verletzt mich mehr, als ich in Worte ausdrücken kann.
„Ich habe mit Óscar geredet. Er ist auch so. Er hat mich geküsst", sage ich ihm die Wahrheit. Denn es gibt keine Person auf der ganzen Welt, dem ich das mehr erzählen will, als ihm.
Nicht Jaime, nicht Mamá, nicht María. Nein, Teo soll es wissen.
Teo wird mit einem Mal so blass, dass ich plötzlich Angst habe, er kippt um. Seine Unterlippe zittert. Er starrt mich an, seine Augen ein dunkler See aus unendlicher Traurigkeit. Und da ist Hass. So viel Hass.
Ich lasse seine Hände langsam los, als er nichts sagt. Mein Herz bleibt stehen.
Er soll was sagen. Er soll endlich was sagen. Er kann mich nicht einfach so hassen, oder?
Ich habe ihm nichts getan.
Aber wenn er solche Menschen nicht mag?
Ich weiß nicht, ob ich damit leben kann.
„Er hat... Du hast...?" Er kann das nicht aussprechen. Er findet das ekelhaft.
Ich hätte nie gedacht, dass ich etwas bereuen würde, was mit Teo zutun hat.
Aber jetzt bereue ich es, ihm davon erzählt zu haben.
„Teo... Ich-"
Er schüttelt den Kopf und geht einen Schritt zurück. Und noch einen. Und dann bewegt er sich so schnell weg, dass er fast stolpert.
„Lo siento, Milo", sagt er heiser, „Ich muss-"
Teo beendet seinen Satz nicht mal. Er rennt einfach weg.
Und ich kann ihm nicht einmal hinterrennen, weil ich im nächsten Moment unglaublich müde werde und zusammensacke.
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One Night Is All He Wanted
Teen FictionMexiko, 1983. Emiliano leidet unter Narkolepsie, im allgemeinen Munde auch als "Schlafkrankheit" bekannt. Er schläft in den ungünstigsten Momenten einfach ein - beim Essen, beim Spielen, beim Einkaufen mit seiner Mamá... Wäre da nicht sein bester Fr...