Leben Danach

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,,Fuuuuuck yoooouuuu! "

Beinahe mechanisch "singt" Remington die Wörter in die Kamera und setzt dabei sein bestes "böses" Lächeln auf.
Er weiß, die Fans werden es lieben.
Sein Lächeln, seine Gesten, das Video, den neuen Song.
Seit er und seine Brüder angefangen hatten, Teaser zu veröffentlichen, drehten die Soldiers (Name der Fans) beinahe durch vor Theorien und Kunstwerken dazu.

,,Gut gemacht, wir haben alles im Kasten. "
Sein großer Bruder Sebastian knufft ihn in die Seite und lächelt ihn an.
Automatisch lächelt Remington zurück.
Doch innerlich fühlt er sich leer.
Keiner weiß, wie anstrengend es für ihn war, dieses Video zu drehen.
Die Wörter zu singen, die sein Grauen beschreiben.
Aber er würde es wieder tun.
Für Seb und Emerson. Für die Fans.
Für sich selbst.
Für ein normales Leben.
Fast unbewusst streicht er über das schwarze X, das seine Hand ziert.
Lieseil.

,,Woran denkst du? "
Remington hatte ganz vergessen, dass Seb noch da war.
,,Daran, dass niemand die Wahrheit wissen wird."

Niemand würde je erfahren, was Lieseil Inc wirklich war. Was er und seine Brüder durch gemacht hatten.
Dass nichts davon erfunden war.

,,Das ist gut so, Rem. Das haben wir doch besprochen. Jeder wird die neue Ära von Palaye Royale lieben. Wir werden wieder sein wie früher. "
Sebastian klingt fast überzeugend. Das kann er gut. Als ältester musste er seine Geschwister immer trösten.
Besonders in den letzten drei Monaten, in denen sie versucht hatten, wieder Fuß zu fassen.

Remington zwingt sich zu grinsen.
,,Ich weiß doch. Wahrscheinlich bin ich nur zu aufgeregt. "

Seb wuschelt ihn stolz grinsend durch die Haare und lässt ihn dann stehen.
Zu seiner Freundin eilend, die wartend am Rand steht.
Küssend ziehen sich die zwei zurück.
Wo Emerson ist, weiß Remington nicht einmal. Wahrscheinlich bei Shy.
Ganz kurz verspürt er einen kleinen Stich.
Er und Monica hatten sich getrennt.
Einen Monat nachdem die Brüder zurück gewesen waren.
Ihre Beziehung hatte dem Stress nicht stand gehalten.
Traurig schüttelt er den Kopf, um die Gedanken an sie zu vertreiben.
Um ihn herum bauen fremde Leute die Kulissen ab und verwandeln das aufregende Set zurück in eine langweilige Halle.

Remington sieht sich kurz um und verschwindet dann aus einem der Nebenausgänge.
Er zieht sich die Kapuze tief ins Gesicht und schlendert die Straße entlang.
Es ist spät und die Laternen beleuchten nur spärlich den Gehweg.

Seit Lieseil kommt Remington die Dunkelheit wie ein Fluchtweg vor.
Weg vor etwas, das er nicht greifen kann.
Als ein Auto an ihm vorbei fährt, kriecht Gänsehaut seine Arme hoch.
Die roten Rücklichter brennen sich beinahe in seinen Kopf.
Auf einmal kann er kaum noch Atmen und lehnt sich gegen das nächste Haus.
Panisch schnappt er nach Luft.
Sein Herzschlag wummert in seinen Ohren.

Bilder ziehen unscharf an ihm vorbei.
Ein dunkles Zimmer. Darin so etwas wie eine Liege.
Ein Fenster. Mit Gittern.
Plötzlich strahlend helles Licht.

Remington ballt die Hände zu Fäusten und schließt die Augen.
Zählt langsam bis 10. Dann bis 20.
Bis seine Beine aufhören zu zittern.

Er richtet sich auf und geht unsicher weiter
Wie gerne würde er diese Erinnerungen aus seinem Gedächtnis brennen.
Er braucht jetzt Alkohol. Ganz dringend.

//

Die Bar ist klein und dunkel.
Der Hocker, auf dem er sitzt, ist unbequem und quietscht.
In der Luft hängt dick der Rauch.
Remington liebt es hier.
Zwischen all den Leuten fällt er nicht auf.
Er zieht die Kapuze vom Kopf und zupft seine Haare zurecht.

,,Was darf es denn sein? "
Die Bedienung sieht ihn freundlich an.
Sie hat ein herzförmiges Gesicht und ein Grübchen am Kinn.
Ihre kurzen, braunen Haare wellen sich bis kurz über die Schulter.
Sie trägt dunkelroten Lippenstift, was Remington ziemlich gut gefällt.

,,Etwas starkes ", murmelt er.

Sie lacht und mixt etwas.
,,Harter Tag?", sie reicht ihm das Glas.

,,Hartes Leben", erwidert er und trinkt einen Schluck.
Brennend rinnt die Flüssigkeit seinen Hals hinunter.
Er weiß nicht, was sie gemischt hat, aber es schmeckt gut.

,,Es werden bessere Tage kommen, glaub mir. " Sie poliert ein Glas mit einem Lappen und betrachtet es anschließend im schlechten Licht der Bar, ,,du könntest immerhin auf meiner Seite des Tresen stehen."

Rem verzieht das Gesicht zu einem Lächeln und trinkt sein Glas in einem Zug aus.
,,Nur zu gerne. Noch eins, bitte."

,,Ich will mich nicht einmischen, aber das ist ziemlich stark und du hast bereits das Glas in drei Minuten geleert. Mach langsamer. "
Trotzdem stellt sie ihm ein neues, gefülltes Glas hin.

,,Dann misch dich auch nicht ein", murmelt er missmutig und beginnt zu trinken.

//20 Minute und drei weitere Gläser später

,,Nachfüllen, bitte."
Remingtons Stimme ist schleppend.
Er weiß, er sollte aufhören.
Er schadet nur seiner Stimme.
Sich selber.
Doch die Bilder sitzen immer noch zu fest in seinem Kopf.

,,Tut mir leid. Aber nein."
Die Brünette schüttelt den Kopf.
,,Die Verantwortung übernehme ich nicht. Du bist voll."

Remington will protestieren.
Aber sein Gehirn will die Worte nicht finden.
Er will doch nur noch ein Glas.
Er will vergessen.
Wenn auch nur für eine Nacht.

,,Komm schon", bettelt er.

Sie sieht ihn an.
Und er sieht ihre Augen.
Sie sind von einem hellen braun. Bernsteinfarbene Diamanten.
Ihr Mund bewegt sich, aber er hört die Worte nicht.
Sein Blick wandert ihren Hals hinunter.

Ihr Ausschnitt ist tief genug, um ihr Schlüsselbein zu sehen.
In schiefen schwarzen Buchstaben ist dort LIESEIL INC eintattowiert.

Remington blinzelt. Aber das Tattoo bleibt. Seine Gedanken kreisen viel zu schnell in seinem Kopf.

Die Kellnerin nimmt ein Tablett mit Getränken und trägt es an Remington vorbei.

An ihrem Zeigefinger prangt ein X.

Seine Reaktionen sind schwerfällig.
Er sieht sie gehen.
Sieht die Tattoos.
Sein Herz schlägt unerbittlich laut.
Er springt beinahe schon auf, was sein Pegel nicht gut heißt.

Ihm wird schlagartig schlecht und sein Kopf droht zu zerplatzen.

Das letzte was er sieht, ist die Decke der Bar, dann wird alles schwarz.

Fucking With My Head Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt