Lieseil

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//nächster Tag

Remington streicht mit den Fingerkuppen über ihren Hals.
Ihre bernsteinfarbenen Augen folgen jeder seinen Bewegungen.

,,Woran denkst du, Rem?"

Er sieht sie an. Ihre roten Haare leuchten im Dämmerlicht.
Er schweigt und fährt weiter ihre Konturen nach.

,,Sag es mir",fordert sie, ,,du kannst mir alles erzählen, Rem. Alles. "

Sie legt ihre Hand über seine. Zwingt sie zum Stillstehen.
,,Über Monica, deine Musik, deine Gedanken. Lieseil."
Ihre Stimme ist leiser geworden.

Remington starrt sie an.
Sieht die Tattoos. Das selbe X, wie er es hat. Sie weiß Bescheid.
Und trotzdem tut es ihm weh, dieses Wort aus ihrem Mund zu hören.

Lautlos küsst er sie.

,,Ich bin wie du",flüstert sie, als sich ihre Lippen kurz trennen, ,,ich war in der selben Hölle wie du, Remington. Ich verstehe dich. "

Er küsst sie wieder.
Sie soll aufhören zu reden.
Er will nicht hören, was sie durchleiden musste.
Obwohl er es längst weiß.

,,Warum bist du hier?",haucht er und legt seine Stirn an die ihre.
Seine Hand immer noch mit der ihren verschränkt.

,,Weißt du es immer noch nicht?"
Ihre Augen schimmern feucht.

,,Du gehst wieder zu Lieseil."
Es ist keine Frage.

Eine Träne rollt ihre Wange hinunter.
,,Ja. So wie du, so wie deine Brüder, war ich Patient X. Wie tausende vor uns. Wie tausende nach uns."
Sie küsst ihn.
Remington schmeckt das Salz ihre Tränen.
,,Aber sie wollen dich, Rem. Nur dich. Komm zurück. Komm zurück zu Lieseil."

Er schüttelt den Kopf.
,,X...Ich kann nicht . "

Sie versiegt seine Worte mit einem Kuss.
Den letzten. Er spürt es.
Er schmeckt nach Sehnsucht.
,,Ich weiß", flüstert sie leise, ,,deine Brüder brauchen dich."

Sie streicht mit der Hand über seine Wange.
,,Du musst mich gehen lassen."
Eine Tränenspur zeichnet ihr Gesicht.
,,Ich sollte dich zurück holen."

Sie steht auf und zieht ihren Mantel an.
,,Stattdessen habe ich mich verliebt."
Wieder.
Sie geht zur Tür und öffnet sie.
,,Ich liebe dich, Remington Leigh."
Sie dreht sich nicht um.

Als ihre Schritte verklingen, wird ihm bewusst, dass er ebenfalls weint.

Und plötzlich kommt es über ihn.

Was tut er da?!
Wie kann er sie gehen lassen?

Er springt auf und eilt den Gang entlang.
Als er unten ankommt, ist von X nichts zu sehen.

Er rennt durch den Park, den Parkplatz, die Straße entlang. Bis seine Beine versagen.
Dabei schreit er ihren Namen. Immer und immer wieder, bis sein Hals rau und kratzig ist.
Keine Spur von roten Haaren.
Atemlos bleibt Remington stehen.

Verzweifelt fährt er sich über die Augen.
Wie konnte er so dumm sein?

Er hat sie verloren.

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,,Du hast also versagt?"

Sie nickt. Die Fingernägel fest in die Handfläche gekrallt.
,,Er will nicht. Mein Auftrag war, dass er freiwillig zurück kommt."

Die dunkle Gestalt vor ihr schreitet hin und her.
,,Und du meintest, es wird ein Kinderspiel für dich."

Sie senkte den Kopf.
,,Ich bin selber bestürzt. "
Ihre Hand zitterte kaum merklich.

Zwei andere Mitglieder von Lieseil traten an den Sprechführer heran und flüstern aufgeregt mit ihm.
Schließlich richtet er sich auf.

,,Du verkündest uns hiermit, dass du nutzlos für uns geworden bist, richtig Nummer 747! ?"

Sie hebt den Kopf wieder und hält ihr Kinn tapfer erhoben.
Es schmerzt, ihre Nummer zu hören.
,,Ja."

,, Du weißt, was das bedeutet?"

Sie nickt. Noch immer wendet sie ihre Augen nicht ab. Weigert sich, schwach auszusehen.
,,Ja, dessen bin ich mir bewusst."

,,Und du willst es sicher nicht noch einmal probieren?"

Sie holt tief Luft.
,,Nein, will ich nicht. Ich würde nur wieder versagen. "
Tief in ihrem Inneren weiß sie, dass Remington ihr gefolgt wäre, hätte sie mehr Zeit dafür verwendet. Das hier tut sie für ihn.

Die Gestalt im Mantel vor ihr hebt die Hände.
,,Wie schade, 747. Du warst die beste."

Er winkt den Bewachern an der Tür.
,,Führt sie hinaus."

,,Was soll mit ihr geschehen?", fragt einer der jungen Männer, die ihre Arme gepackt hatten.

,,Was mit allen anderen auch geschieht."

Mit Remingtons Bild fest in ihrem Herzen verschlossen, wird sie fast schon gewaltsam aus dem Raum gezerrt.

Die Berater wenden sich mit gerunzelter Stirn an ihren Anführer.
,,Was sollen wir jetzt tun?", fragt eine Frau, ,,sie war die beste Möglichkeit, diesen Jungen zu bekommen. Wir brauchen ihn. Er ist einzigartig. Er ist Patient X."

,,Vielleicht sollten wir ihr noch eine Chance geben", meldete sich eine andere zu Wort, ,,vielleicht ist nicht sie die schlechte Wahl gewesen, sondern unsre Zielperson."

,,Was ist dein Vorschlag?" Helle Augen bohren sich in jene, die gerade gesprochen hat.
Unter diesem Blick wird sie ganz klein. Dennoch hebt sie herausfordernd den Blick.

,,747 auf Emerson Barrett anzusetzen."

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Es raschelt als Sebastian an sein Handy geht.

,,Remington! Oh Gott Remington!"
Es klingt, als hätte der älteste geweint.
Im Hintergrund sind Stimmen und Geräusche zu hören. Remington ordnet sie Emerson und Daniel zu.
,,Rem, wo bist du? Geht es dir gut?!", schreit Sebastian schon fast.

Remington klammert sich fest an sein Smartphone.
,,Sebastian", krächzt er, ,,bitte hol mich ab. Ich will nach Hause. "

-Ende-

Fucking With My Head Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt