Kapitel 3 - Ein holpriger Morgen

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Mirza träumte.

Sie saß an einem prasselnden Lagerfeuer und blickte in die Flammen. Golden, rot, orange und blau züngelten sie an dem dunklen Holz und loderten empor. Mirza fühlte die Wärme des Feuers auf ihrem Körper. Fasziniert starrte sie in die Glut und sah, wie sich aus Asche, glühenden Kohlen und Flammen ein Gesicht formte – das Gesicht des Fremden.

Nein, er ist kein Fremder mehr - er heißt Lex, ging es Mirza durch den Kopf, während sie sein Gesicht aus Feuer betrachtete. Die schwarzen Haare fehlten, ebenso der sehnige Körper. Mirza wurde noch wärmer, als sie daran dachte.

„Verlegen, kleine Undine?", fragte der Lex aus Glut und sah sie an. Mirza nickte – sie konnte nicht lügen. Lex' Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Dieses Mal war es nicht entstellt und Mirza lächelte unwillkürlich zurück.

Langsam streckte das Lagerfeuer seine Finger nach ihr aus. Bereitwillig ließ sie sich von den Flammen einschließen. Ihre Haut verbrannte nicht, sondern prickelte angenehm. Aus Hitze und Licht formte sich auch Lex' Körper und er ging auf Mirza zu. Wie ein Kind kniete er sich vor sie, legte seinen Kopf auf ihren Schoß und schlang seine Arme um ihre Taille.

Mirza fühlte seine ungeheure Hitze und schauderte trotzdem unter diesem seltsamen Gefühl.

„Du riechst nach Flieder", murmelte er in den Stoff ihrer Röcke. Dann schlossen Mirza die Flammen vollkommen ein und sie sah nur noch rot und gelb.

Wie eine Ertrinkende schreckte Mirza aus dem Schlaf hoch und atmete gierig ein. Sie hatte sich so schnell aufgesetzt, dass ihr für einen kurzen Moment schwindlig wurde. Verwirrt sah sie sich um – sie befand sich in ihrer Kammer des Gasthauses.

Wie bin ich denn hier hergekommen?, fragte sie sich und sah an sich herunter. Sie trug immer noch das Kleid vom Vorabend.

Die ersten Sonnenstrahlen erhellten den Himmel, als sie sich aus den Laken schälte und aufstand. So schnell sie konnte schlüpfte sie aus dem schmutzigen Kleid und holte aus ihrem Beutel ein sauberes. Einige Spritzer kaltes Wasser und einem Griff zur Bürste später öffnete sie die Zimmertür und ging auf den Flur hinaus.

Ihr begegnete niemand, als sie zur Treppe und in den Schankraum hinunterging. Zwei vertraute Stimmen drangen aus der hinteren Ecke des großen Raums zu ihr. Mirzas Herz klopfte wie verrückt, als sie zu dem Boten und dem Mann ging, dem sie gestern geholfen hatte. Beide Männer bemerkten sie erst, als sie sich zu ihnen an den Tisch setzte.

„Guten Morgen Miss Mirza", grüßte der Bote und nahm einen Schluck Tee. Mirza nickte nur in seine Richtung. Sie konnte den Blick nicht von Lex wenden. Dieser lächelte sie zaghaft an. Er sah so viel besser aus als noch am Vorabend, dass Mirza sich selbst gern auf die Schulter geklopft hätte. Ihre Ahnin wäre stolz auf sie.

„Guten Morgen die Herren."

„Guten Morgen Mirza. Wie hast du geschlafen?" Lex' Stimme war nicht mehr so rau wie in der Nacht, aber dennoch etwas kratzig und tief.

„Gut, danke. Und selbst?"

Lex zuckte mit den Schultern. „Recht gut. Obwohl ich mir beinah einen Arm ausgerenkt habe, als ich dich rein trug."

„Beschwer dich nicht. Ohne mich würdest du dir die Radieschen von unten ansehen."

Von dem Gespräch vollkommen ungerührt saß der Bote am Tisch. Mirza wunderte das nicht. Es war sicher kein Zufall, dass Lex bei ihm am Tisch saß. Mirza hatte ein seltsames Gefühl, als der Mann den Mund öffnete. „Sie können auf der Reise weiter plaudern. Jetzt müssen wir die Pferde satteln und aufbrechen."

Mirza hob fragend eine Augenbraue. „Er kommt mit?"

Ungerührt erwiderte der Bote ihren Blick. „Ja. Mister Lexlon wird uns begleiten. Er erbat es als Gegenleistung für seinen Gefallen."

Mirza musste sich auf die Lippe beißen, um nicht zu lachen. „Aha. Mister Lexlon."

Besagter jener warf Mirza einen warnenden Blick zu, der seine goldenen Augen flackern ließ. Mirza hingegen berührte es in keiner Weise.

„Und welchen Gefallen fordert er ein?"

„Natürlich Eurer Rettung. Ich war ihm sehr dankbar, als er Euch wiederbrachte." Missbilligung lag in dem Blick des Mannes, als er sie musterte. Mirza kam ein furchtbarer Gedanke.

„Sie glauben doch nicht, dass ich mich aus dem Staub machen wollte?" Empört starrte sie Lex an. Dieser zuckte nur mit den Schultern und sah auf seine Teetasse.

„Verzeihen Sie Miss, aber ich bin nicht dumm. Glauben Sie etwa ich wüsste nicht, dass Sie sich Phönix entziehen wollen?"

Mirza öffnete und schloss mehrmals den Mund und sah dabei aus wie ein Fisch. „Ich wollte nicht weglaufen! Es war so, dass ich d-"

Augenblicklich verstummte Mirza, als Lex gegen ihr Schienbein trat. Als sie ihn anklagend ansah, schüttelte er stumm den Kopf.

Das wirst du mir büßen!, versprach Mirza mit den Augen und Lex nickte. Ihren Ärger hinunterschluckend sah Mirza wieder den Boten an.

„Gut, dann lasst uns aufbrechen." Ohne auf eine Antwort zu warten erhob sie sich und ging ihre Habe holen. Je schneller sie loskamen, desto schneller konnte sie Lex wehtun.

Bravo, dachte sie unzufrieden, erst heile ich ihn und dann will ich ihn wieder verletzen. Mama hatte Recht: Feuer und Wasser sind wie Hund und Katz.

Mirza - Die Nymphen von Mirus (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt