Kapitel achtzehn: Erwischt.

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Ich musste es ihm sagen. Ich wusste nur nicht wie. Schon seit dem Tag, an dem ich es verkackt hatte, dachte ich darüber nach, wie ich es ihm am besten beibringen sollte, ging im Kopf alle möglichen Formulierungen durch, Ansätze, es zu erklären und sonstigen Shit. Sollte ich ihm ein Geschenk kaufen, als Entschuldigung? Ich war mir nicht sicher, denn Tae war nicht besonders materialistisch, entsprechend hatte ich keine Ahnung, über was er sich freuen könnte.

Kam das komisch, wenn ich ihm eins kaufte? Sollte ich vielleicht einfach nur sagen, was passiert war? Was sollte ich sagen, ich konnte nicht mal behaupten, dass ich es bereute, denn dieses ungeklärte Missverständnis war zwar ausgeartet und zu einer beschissenen Lüge geworden, aber ich wusste auch, dass wir uns sonst nie kennengelernt hätten, also wie konnte ich dann bereuen, dass es passiert war?

Ich war zerrissen und als ich mir gerade wieder Gedanken darüber machte, holten mich meine Lügen ein, in Form einer vergessenen Notiz am Kühlschrank.

Ohne weiter darüber nachzudenken, hatte ich meinen Freund mit nach Hause genommen. Er war das erste Mal, dass er mich begleitete und ich hatte ihn auch nur bei mir, weil ich wusste, dass mein Vater nicht da war. Bei meiner Mom wäre das noch relativ egal gewesen, aber auch sie sollte nicht zu Hause sein, denn sie hatte ein großes Shooting anstehen, was ziemlich Cooles sogar. Sie hatte heute eine Band vor der Linse und die Arbeiten konnten bis in die Nacht dauern, denn diese Boyband war nicht gerade klein und man musste ja alle ablichten. Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Jungs fotografierte und sie hatte sich schon drauf gefreut, denn im Gegensatz zu einigen anderen Celebrities waren diese sehr höflich, nett und murrten nicht herum.

Sie würde wohl trotzdem nicht vor Mitternacht zu Hause sein, entsprechend hatte ich ihr heute Essen gemacht, obwohl ich nicht mal dran gewesen war. Doch so hatte sie ein wenig länger schlafen können, wenn sie denn schon einen langen Tag vor sich hatte. Ich war eigentlich lieber bei ihm zu Hause, weil mich alle so nett aufnahmen und es hier eh nicht viel zu sehen gab, außer große, leere Räume. Natürlich war nicht ganz so, wenn meine Mom zu Hause war, aber dennoch war es bei Tae zu Hause einfach wärmer.

Er sah sich zunächst aufmerksam um und bestaunte die Fotografien an den Wänden, die meine Mutter während ihrer Karriere so gemacht hatte und natürlich auch die gefühlt eine Million Bilder, die von mir hier rumhingen. Es war nicht so, als würde ich das mögen, aber ich war nun mal ihr einziges Kind und zumindest meine Mutter liebte es mit mir anzugeben. Tae schien sich alles in Ruhe anschauen zu wollen und ich ließ ihn, denn ich hatte es nicht anders gemacht bei ihm zu Hause, auch wenn da bei Weitem nicht so viele Bilder rum hingen.

Die unzähligen Bilder, auf denen Hoseok mit drauf war, hatte ich alle irgendwann gerettet, als mein Vater auf die Idee gekommen war, dass sie verbrannt gehörten. Er hatte sie abgenommen und irgendwo hingeworfen und ich hatte sie mir wieder geholt. Das war das erste Mal, dass wir so richtig aneinander geraten waren, doch ich hatte mich wenigstens dieses eine Mal durchgesetzt. Hoseok war schon immer mein bester Freund und ich würde nicht zulassen, dass er so respektlos behandelt wurde, auch wenn es 'nur' um eine paar Erinnerungsfotos ging, mir waren sie wichtig.

Ich nahm ihn relativ unbedarft mit in die Küche und war eher damit beschäftigt meine Schüchternheit zu überwinden. Ich wollte, dass es ihm bei mir zu Hause trotzdem gefiel und ich war nicht sicher, wie das wohl alles auf ihn wirkte. Verlegen bot ich ihm was zu trinken an und machte ihm dann einen Tee, so wie er das fröhlich verlangte. Ich hantierte mit dem Wasser umher und entspannte mich allmählich, doch als ich mich umdrehte, merkte ich, dass irgendwas nicht stimmte, doch ich konnte nicht erfassen was.

"Kookie", sprach er mich an und zog meinen Notizblock hervor. "Kannst du mir schnell was aufschreiben, bevor ich den Gedanken vergesse?" Ich blinzelte und nahm den Stift entgegen, den er mir reichte, immer noch nicht schnallend, was er eigentlich von mir wollte. Warum schrieb er es nicht selbst auf? Ich hatte grade die linke Hand frei, also nahm ich den Stift in die Linke und setzte sie auf. "Butter, Eier, Milch, Backnatron", diktierte er und ich schrieb es eben schnell auf. Dann sah ich zu ihm, um ihn stumm zu fragen, ob das alles war, doch sein Blick war auf die Notiz gesenkt und wurde zunehmend misstrauischer. Was ging hier vor sich?

Ich überlegte fieberhaft, was es sein könnte, dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich wollte mich abwenden, um mich erst mal zu sammeln, doch er schnappte sich meine linke Hand und zog mich zurück. "Jetzt noch mal", forderte er, "aber mit der rechten Hand." Meine schlimmsten Befürchtungen wurden war.

Für einen Moment erstarrte ich. Dann wanderte mein Blick zum Kühlschrank.

Essen ist im Kühlschrank. Ich hoffe, dein Tag wird nicht zu stressig! Viel Erfolg mit deinem Shooting, hab dich lieb Mama!
Jungkook

Ich hatte die Notiz am Morgen geschrieben, damit meine Mutter wusste, dass das Essen bereits fertig war. Ohne darüber nachzudenken, hatte ich sie mit rechts geschrieben, mit meiner sauberen Schrift. Vielleicht weil ich gern mit rechts schrieb, vielleicht weil die Schrift meiner rechten Hand so viel besser zu lesen war, vielleicht auch einfach auf Zufall. Doch diese kurze Notiz würde vermutlich jetzt alles zerstören, was ich mir mit ihm aufgebaut und hatte und allein bei dem Gedanken schossen mir Tränen in die Augen. Ich hatte es ihm doch sagen wollen! Dass er es jetzt so erfuhr...

Leer schluckend nahm ich den Stift in die rechte Hand und schrieb die Sachen noch mal darunter. Ich würde einen Teufel tun, ihn anzulügen. Ich hatte ihm Dinge verschwiegen, das war schlimm genug, ich würde jetzt keine fadenscheinige Ausrede suchen, zumal das auch keinen Sinn machen würde, denn er kannte meine Schrift sehr genau.

Sein Blick wurde kalt und verschlossen und ich konnte unmöglich sagen, was in seinem Kopf vorging. Hasste er mich jetzt? Würde er mich gleich anschreien? Mich verlassen? Ich sah ihn traurig an, darauf wartend, dass er irgendwie reagierte. Mit einem zittrigen Ausatmen wendete ich den Blick ab. "Taehyung", stammelte ich los, "ich... ich kann es erklären..." Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie er den Kopf schüttelte und Tränen stiegen mir in die Augen.

"Ich brauche keine Erklärung", sagte er fest und stand von dem Tisch auf, an den er sich zuvor gesetzt hatte. Ich schluckte schwer und versuchte den Kloß in meinem Hals wegzubekommen. Ich folgte ihm und wusste nicht, was ich dazu sagen sollte und wahrscheinlich hatte er recht, wenn er meinte, dass er keine Erklärung mehr brauchte. Es war zu offensichtlich. Ich hatte verkackt und würde jetzt mit den Konsequenzen leben müssen. Ich senkte den Kopf, um meine Tränen zu verstecken, doch plötzlich war er bei mir und drückte ihn wieder hoch.

Ich konnte gar nicht so schnell folgen, wie er mir die Hände an die Wangen legte und die Tränen wegwischte. "Du Idiot", sagte er nur und ich sah ihn verwirrt an. "Wann wolltest du mir das sagen?" Ich war nur noch verwirrter, als ich merkte, dass ein amüsiertes Funkeln in seine Augen getreten war. War er denn nicht sauer? Erleichterung erfasste mich und ich konnte nicht anders, als mich an seinen Hals zu werfen und wirklich loszuheulen.


Picture Me. || Jungkook Version ||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt