Kapitel vierzehn: Sonne und Mond

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Ich verteilte nochmal etwas Lippenpflege auf meinen Lippen, dann klingelte ich an der Tür. Es dauerte auch nicht lange und Mrs. Kim öffnete diese. Sie lächelte strahlend, als sie mich erkannte und ließ mich rein.

"Guten Tag, Mrs. Kim", begrüßte ich sie freundlich. "Du willst sicher zu Tae", vermutete sie fröhlich und ging zu einer Treppe. Gedehnt rief sie nach ihrem Sohn und ich lachte nur leise. "Taaaaeeeeehyung!" Von oben konnte man nur ein "Ja?" hören, das Tae zurück brüllte. "Hier ist ein wunderschöner, junger Mann an der Tür. Uuuuuunglücklicherweise nicht wegen mir." "HEY!", kam es aus dem Wohnzimmer. Diese Familie konnte einen schwach machen, wie mir schien. "Schick ihn hoch!", kam es von oben und ich winkte kurz um anzudeuten, dass ich hoch gehen wurde.

"Sogar zu faul, um an die Treppe zu kommen", schimpfte Taes Mutter lachend und ging in Richtung, ich vermutete mal, des Wohnzimmers. "Ruf, wenn ihr was braucht, ja Jungkook?" Ich nickte das ab. "Danke Mrs. Kim", damit ging ich die Treppen hoch und rannte fast in Tae, der mir mit einem breiten Grinsen entgegen kam.

"Hat meine Mom dir Angst gemacht?", fragte er hochamüsiert und ich winkte ab. "Sie gehört noch immer zu meinem Harem", erinnerte ich ihn und er hielt mir eine Tür auf, durch die ich nach seiner eleganten Geste, elegant hindurchtrat. Ich sah mich neugierig um. In meinem Buch hatte ich ein Zimmer für meinen Buch-Taehyung beschrieben, wie ich mir eins für ihn vorstellte, doch das war was ganz anderes geworden als das hier. Was jedoch stimmte, war, dass Pokale vom Lacrosse herumstanden und das nicht wenige. Ich ließ den Blick durch den Raum wandern.

"Das ist also dein Haus", murmelte ich, eher um was zu sagen, denn ich wollte nicht wie ein Freak schweigen. "Joaaa, wenn meine Eltern beide tot sind, dann erbe ich es bestimmt", antwortete er darauf und ich riss die Augen auf, weil ich zuvor nicht mal gemerkt hatte, was für Unsinn ich wieder redete.

Er lachte nur über meinen Schock. "Entspann dich, setz dich", wies er mich an und ich setzte mich auf sein Bett. Er setzte sich zu mir und zog eines seiner Beine an. "Was führt dich her?", fragte er locker und ich sah mich noch mal um. "Du hast gesagt, ich soll vorbeikommen, wenn ich Lust habe", antwortete ich mit einem kleinen Schulterzucken," schätze, ich hatte Lust." Ich grinste breit.

"Das ist süß", bestimmte er und ich versuchte cool zubleiben. "Wenn du meinst", murmelte ich nur und mein Blick fiel auf mein Notizbuch, dass immer noch er hatte. Nicht, dass ich das vergessen hätte, aber es war nicht mehr ganz so schlimm für mich, wie zuvor. Ich nahm es in die Hand und wog es nachdenklich.

"Wie weit bist du?", fragte ich und schaute wieder zu ihm auf. "Ich bin durch", meinte er und ich versuchte nicht allzu verlegen zu werden. Er hatte also alles gelesen, huh? "Es macht echt Spaß das zu lesen, des ist wirklich merkwürdig." Ich sagte nichts dazu, was ihn wohl ermutigte, weiter zu reden. "Ich seh das schon lange nicht mehr als dich und mich, weil wir dann doch anders sind. Ich bin Tatsache besser getroffen worden, als du", er lachte leise und ich stimmte mit ein. Der Grund dafür war eben, dass ich ihn als Vorlage verwendet hatte, während ich bei meiner Figur viel abgewandelt hatte. Geschummelt, quasi.

"Am Schluss habe ich es wirklich nur noch als Geschichte gelesen", fuhr er fort, "so wie sie ist und sie ist wirklich gut, vor allem, wenn man auf solchen Kram steht. Weißt schon. Junge mit Junge. Chaeyoung hat es vor mir fertig gelesen und sie liebt es. Das muss was heißen, denn sie ist wählerisch."

Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Wenn Chae es gut fand, musste es was heißen, denn so wie ich sie kennen gelernt hatte, las sie keinen Scheiß. "Freut mich, dass es dir gefällt", murmelte ich und schluckte dann, da mich der Satz verraten könnte, doch Tae schien es nicht zu bemerken. Ich blickte ihn scheu an. War jetzt ein guter Zeitpunkt, die Wahrheit zu sagen?

"Tae ich muss dir was sagen", entkamen die Worte meinen Lippen, bevor ich sie aufhalten konnte. Fragend sah er mich an. Ich wurde nervös und all mein Mut verließ mich vollends. Was wenn er sauer auf mich werden würde? Wir hatten uns eine tolle Freundschaft aufgebaut, ich wollte das nicht wieder hergeben.

Ich biss mir gestresst auf die Lippe.

"Was?", fragte er nach und ein Teil von mir wollte dieses Geheimnis endlich los werden, doch ich bekam keinen Ton heraus. Ich konnte es ihm einfach nicht sagen. Ich würde ihm so viel mehr erzählen müssen, denn das warum interessierte ihn schließlich mir Sicherheit auch. "Ich sag es dir, aber jetzt gerade geht es doch nicht", presste ich hervor. Ich war doch so ein Feigling. Er würde mich irgendwann zurecht von sich weisen. Ich konnte den Gedanken kaum ertragen. "Ich sag es dir, wenn ich kann", setzte ich zerknirscht hinzu. Ich fuhr mit den Händen durch meine frisch gefärbten, roten Haare und versank einen Moment lang in Selbsthass.

Zu meiner Überraschung legte er die Hand an meine Wange und ich blinzelte schockiert. "Es ist okay", versicherte er mir und ich wurde nur noch roter als zuvor schon. Ich nickte überfordert. Er war so sanft und als ich ihm in die Augen sah, meinte ich was liebevolles ausmachen zu können, aber das war sicher Wunschvorstellung. "Willst du es haben, jetzt wo ich fertig bin?"

Ich bekam mein Buch wieder? Ich bekam mein Buch wieder!! Ich nickte und versuchte nicht allzu erleichtert auszusehen. Er nahm es mir wieder ab.

"Manche Sachen hätte ich gern von dir vorgelesen bekommen, einfach fürs Feeling", ein Lachen entkam seiner Brust und er schlug die erste Seite auf, in der ein Post-it steckte, um es zu entfernen. "Lass sie drin, ich finde das interessant", bat ich und er streckte das Post-it wieder rein und überreichte mir feierlich das Buch.

Glücklich nahm ich es an mich. Man sah ihm an, dass es durch mehrere Hände gegangen war, dich es war immer noch in einem guten Zustand und ich war einfach so froh, dass ich es unversehrt zurück hatte. Endlich war meine Story wieder bei mir und nun konnte ich entscheiden, ob ich das fertig machen würde, oder nicht. Zunächst schlug ich jedoch erst mal eine Seite mit Post-it auf, um zu schauen, welche er markiert hatte.

Ich las kurz über die Seite. Fanboying, war klar, das er das mochte. Ich warf Tae einen kurzen Blick zu, dann schaute ich wieder in das Buch.

_"Wir waren wie Sonne und Mond"_, begann ich zu lesen. Kurz schaute ich auf, um zu sehen, wie Tae wohl reagierte, doch er grinste erstmal nur etwas. "Ja zum Beispiel die", bestätigte er mit einem Lächeln. Verlegen ging ich mir durch die Haare.

_"Wir waren wie Sonne und Mond. Er war die Sonne. Hell scheinend, Wärme spendend. Ich war der Mond. Kalt, leer, ohne die Sonne gar nicht zu sehen. Das stimmte so natürlich nicht, denn ich konnte mich über fehlende Aufmerksamkeit nicht beschweren. Eher im Gegenteil, manchmal waren mir die Leute um mich herum zu viel. Sie gaben mir keine wirkliche Aufmerksamkeit, denn sie wollten nur sehen, was ihnen gefiel. Ich gab es ihnen, auch wenn ich manchmal im Stillen dachte, dass ich gar nicht mehr wusste, wer ich wirklich war. Doch Taehyung wusste es. Er kannte mich, wie kein anderer, denn er hatte die hässlichen Seiten aus mir herausgetriggert, als hätte er sie unbedingt sehen wollen. Er hatte den noch so dunkelsten Fleck meines Seins beschienen, nach dem gesucht, was ich sorgfältig versteckte. Er wusste, dass ich Fehler hatte, davon nicht mal wenige... doch liebte er mich."_

Ich gab mir Mühe, so gefühlvoll wie möglich vorzulesen und hoffte, dass das auch bei ihm ankam. Ich traute mich gar nicht aufzusehen, sondern blätterte einfach etwas weiter. "Wieso hast du das markiert?", fragte ich nach und er meinte nur leichthin: "Ich bin die Sonne." Ich lachte leise. "Kleiner Narzisst." Er stimmte in mein Lachen mit ein. "Ich wünsche mir eines Tages eine Liebe wie diese", setzte er dann noch leiser hinzu und ich lächelte ein wenig. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. "Ja, ich auch", meinte ich leise und blätterte weiter.

"Was ich vergessen hatte", begann er dann und ich sah kurz auf, "ich habe mit Hoseok geredet. Vielleicht hat das Mädel ja was mit dir zu tun? Er nennt dich Kookie. Wenn sie das weiß und überträgt, ist sie sicher wer, den du kennst?" Ich schüttelte schnell den Kopf und bekam direkt ein schlechtes Gewissen, aber ich konnte es auch nicht ändern. Genaugenommen konnte ich das schon, aber die Angst war zu groß. "Hoseok ist jetzt nicht gerade diskret, wenn er nach mir brüllt, weißt du?" Das wiederum war die Wahrheit.

"Bist halt sein Prinz", meinte er nur amüsiert und ich schmunzelte. "Und er ist mein König", setzte ich hinzu und ich schlug den nächsten Post-it auf, um zu sehen, was er noch so markiert hatte und ob ich es vorlesen wollte.

Ich überflog die Zeilen.
Wollte ich definitiv nicht.
Hoooohnein!
Hilfe. Warum hatte er
DAS markiert?! 

Das, nope. Nein.

Picture Me. || Jungkook Version ||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt