Kapitel 11

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♠Lorenzo♠

Die halbe Nacht habe ich nicht geschlafen, weil ich wegen dem Termin heute, so nervös war.
Ich hatte Bauchschmerzen, als ich das Büro betreten habe. Mir ging es hundeelend, weil ich nicht wusste was mich erwarten würde.
Und dann das.

Da saß Bryan, ziemlich unbequem in seinem Schreibtischstuhl und döste vor sich hin.
Ich hatte mich auf die Fensterbank gesetzt und ihn beobachtet. Ich musste es einfach tun und wäre ich ein Mädchen, hätte ich wohl mein Handy gezückt und ein Foto von ihm gemacht. Denn so wie er da saß, sah er schon sehr süß aus. Aber darum ging es gar nicht.

***

Nun stehe ich im Fahrstuhl des imposanten Gebäude, fahre hinunter und bin irritiert. Ich bin froh darüber, das Cordelia gerade nicht am Empfang saß, denn das Letzte was ich wollte, war mit ihr Smalltalk zu halten.

Bryan hat mich behandelt als sei all das gestern nicht passiert, als sind wir Geschäftspartner. Er hat mich behandelt als sei nie etwas zwischen uns gewesen. Gestern nicht und auch vor fünf Jahren nicht.
Wieso kann er das so gut?
Macht ihm das überhaupt nichts aus, was da gestern im Club passiert ist?

Sicherlich war ich Bryan gegenüber eben auch nicht sehr freundlich, war zickig und auch ein wenig gehässig, aber ich war auch nervös und wollte das damit überspielen. Als die Nervosität sich dann gelegt hatte, kamen die Gewissensbisse.

Ich hatte, in seinem Büro, geseufzt und wollte ihm eigentlich noch etwas sagen. Ich wollte ihm sagen, das es mir leid tut, wie ich mich gestern ihm gegenüber verhalten habe, doch dieses; ist noch etwas?, was er von sich gegeben hat, klang so genervt und desinteressiert, da habe ich mir gedacht, dass es wahrscheinlich keinen Sinn machen würde und habe lieber geschwiegen.

Dann die Tatsache, dass Bryan mich an diesen Nepomuk abschiebt.
Nepomuk, was ist das überhaupt für ein Name?
Er ist zwar kein so guter Produzent wie ich, aber für dich reicht er. Auch so ein Satz, den Bryan sich hätte sparen können.
Was sollte das denn bedeuten? Bin ich es nicht wert, einen Produzenten zu bekommen der so gut ist wie Bryan selbst?
Bin ich es einfach nicht wert und nur zweite Wahl?

Ich steige aus dem Fahrstuhl aus, verlasse das Gebäude und mache mich auf den Weg nach Hause.
Unterwegs drehen sich meine Gedanken weiter.

Ich habe gedacht ich würde mit Bryan zusammen arbeiten und ihn jetzt zwei Mal die Woche sehen und dann schiebt er mich ab, an seinen zweitklassigen Produzent.
Ist das seine Rache, weil ich ihm gestern Widerworte gegeben habe?
Wie wird sich die Zusammenarbeit mit diesem Nepomuk entwickeln?
Warum nimmt Bryan mich nicht an die Hand und zieht mich aus diesem Sumpf, in dem ich mich befinde?

Ich bleibe abrupt stehen, bei dem letzten Gedanken den ich habe und schaue zum Himmel empor.
Bryan nimmt mich nicht an die Hand und zieht mich raus, weil ich ihm gestern klipp und klar gesagt habe, dass ich ihn nicht brauche. Ich habe es ihm gesagt und auch das ich ficken kann mit wem ich will. Dabei will mein Herz doch nur ihn. Das ist mir schmerzlich bewusst geworden, als ich ihn nach so langer Zeit wiedergesehen habe, dort in seinem Büro, wo er mich erbarmungslos, auf seinem hochglanzpolierten Schreibtisch genommen hat.

Jede Faser meines Körpers verzehrt sich nach ihm, doch mich Bryan beugen, mich von ihm behandeln zu lassen als sei ich sein Besitz, dass bin ich nicht.

Ich setze meinen Weg nach Hause fort und wünschte mir, ich könnte meine Gedanken stoppen, aber es will mir nicht gelingen.

Ich werde mir den Vertrag durchlesen, ihn unterschreiben und ihn dann Cordelia aushändigen.
Bryan hat mir ja zu verstehen gegeben, dass wir uns nicht wiedersehen, es sei denn ich hätte Fragen zum Vertrag.
Wenn er so ist, wenn er mich nicht mehr sehen will, dann kann er das haben.
Meine Gefühle verschließe ich dann halt wieder, in einer Kiste, die in der letzten Ecke meines Herzen steht und dort bleiben sie dann auch, für immer und ewig.

Ich kann mir nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen was gewesen wäre wenn und ich kann es nicht zulassen, das Bryan ständig in meinem Kopf ist.

Als ich endlich Zuhause bin, setze ich mich auf mein Sofa und lese den Vertrag, gründlich durch.
Mir fällt nichts auf, was ich noch mit Bryan besprechen müsste, also greife ich nach meinem Kugelschreiber, welcher auf dem Wohnzimmertisch liegt, und unterschreibe den Vertrag.

Ich lege ihn zur Seite und nehme mir als nächstes die Songs vor, die Bryan mir mitgegeben hat.
Die meisten gehen um Liebe und um die Angst verlassen zu werden, etwas was schon millionenmal besungen wurde, doch dann fällt mir ein Song in die Hände und mir fällt sofort auf, das er noch nicht fertig ist.

Ob das Lied dort mit dazwischen gerutscht ist?
Es macht auf jedenfall den Eindruck.

Ich lese den Text und mir steigen Tränen in die Augen.
Dieser Song handelt von uns, eindeutig handelt dieses Lied von Bryan und mir.
Er schreibt von der Nacht im Bubble Trouble und auch wie wir unsere Leidenschaft zügellos brennen ließen.
Dann endet der Song, mittendrin.

Das letzte was dort steht ist folgender Satz: I'm sorry I left when you needed me the most, but...

"Es tut mir leid, dass ich gegangen bin, als du mich am dringendsten gebraucht hast, aber...", lese ich die letzte Zeile leise vor und frage mich wie es wohl weiter geht.
Aber was?

Aber es ging nicht anders?
Aber ich konnte dich nicht mehr gebrauchen?
Aber du bist mir egal?

Ich stehe vom Sofa auf, halte die wenigen Textzeilen immer noch in meiner Hand und balle diese zu einer Faust.
Das Papier zerknüllt ein wenig, doch das ist mir egal.
Ich muss zu Bryan, ich muss mit ihm reden, denn ich will wissen, wie es weiter gegangen wäre, denn bis heute weiß ich nicht warum er wirklich gegangen ist.

Bryan beendete unsere Affäre damals nur mit den Worten, dass es so keinen Sinn mehr hat. Er hat mir nie einen Grund genannt und ich hatte damals nicht die Kraft dazu, nachzufragen.
Ich hasse es, wenn die depressiven Episoden mich übermannen, mich lähmen und ich das Gefühl habe, es wäre doch besser einfach zu sterben.

Wer würde mich denn vermissen? Niemand!
Wen würde es denn interessieren, wenn ich nicht mehr da bin? Niemand!

Bis heute leide ich unter den psychischen Folgen meines Sportunfalls und das wird verstärkt, wenn ich das Geld nicht übrig habe um mir meine Medikamente zu kaufen.
Stimmungsaufheller, werden diese liebevoll im Volksmund genannt. Das klingt so, als würde man ein Stück Schokolade essen, die dann Endorphine freisetzt und man ist wieder glücklich. So ein Quatsch.

Ich greife nach meinem Handy, wähle die Nummer von BMK-Records und höre schnell Cordelias Stimme: "BMK-Records, sie sprechen mit Cordelia Dixon, was kann ich für sie tun?"
"Cordelia ich bin es, Lorenzo Beckett. Ich brauche einen Termin bei Bryan.", sage ich ohne Umschweife.
"Du bist doch am Donnerstag wieder hier.", entgegnet sie mir und ich schnaufe ins Telefon, bevor ich antworte: "Das reicht nicht und außerdem bin ich dann bei diesem komischen Nepomuk. Cordelia, bitte ich brauche morgen einen Termin bei Bryan. Es ist wirklich wichtig.

"Meine Güte Lorenzo, das hört sich ja so an als ginge es um Leben und Tod.", sagt sie und ich höre wie die Tastatur ihres PCs klappert, während sie weiter fortfährt: "Nepomuk ist nicht komisch. Kennst du ihn denn schon?"
"Nein.", presse ich zwischen meinen Zähnen hervor, denn ich will mich mit Cordelia gerade nicht über einen fremden Typen unterhalten. Ich will einen Termin bei Bryan, denn ich will endlich wissen, warum der Brünette damals gegangen ist, dort wo ich ihn am dringendsten gebraucht habe. Ich will endlich wissen warum er es getan hat und ich will auch wissen, warum er dann jetzt meint, Besitzansprüche an mich stellen zu können.

"Okay, ich merke schon, du willst nicht plaudern.", meint Cordelia und ich antworte nicht, sondern höre als nächstes, wie sie sagt: "Morgen am späten Nachmittag, siebzehn Uhr dreißig. Ich trag dich da ein Lorenzo."
"Danke.", antworte ich und lege auf. Mir ist jegliche Höflichkeit gerad herzlich egal.
Morgen werde ich also wissen was Bryan damals angetrieben hat, mich zu verlassen und ich werde erfahren warum das im Boys meets Kings so passiert ist, wie es passiert ist.

Dann entscheide ich neu.
Dann entscheide ich ob ich meine Gefühle in die besagte Kiste packe, verschließe und in die hinterste Ecke meines Herzens verstaue oder ob ich sie vielleicht nur anlehne und meine Gefühle zu Bryan ein wenig mitschwingen lasse.

You don't own meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt