3. Odin

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Aria POV:

Fasziniert sah ich mich in dem überdimensionalen, goldenen Raum um. Die Wände waren komplett aus dem edlen Metall gefertigt und teilweise mit großen Teppichen geschmückt, auf denen Figuren eingestickt waren, an der Decke gingen riesige Kronleuchter. Erst nach mehrmaligen Blinzeln erkannte ich, dass die Bilder Geschichten ergaben. Sie erzählten von vergangenen Heldentaten und Unglücken der Götter. Bei Betrachtung der Erzählung lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken. Eine der kunstvollen Arbeiten stellte da, wie Wesen mit weiß geflochtenen Haaren, Masken hinter deren großen, runden Augenlöchern pechschwarze Finsternis lag, und Asen in Gold glänzenden Rüstungen sich gegenseitig abschlachteten.
Ich löste meinen Blick von den Teppichen und holte rasch Thor ein, der bereits weitergegangen war.
Und dann, als ich meinen Blick zum ersten Mal nach vorne richtete, sah ich ihn. Den Thron. Wie so gut wie alles, war er aus purem Gold, vor ihm reihten sich ein Treppenstufen zwei übereinander liegender Podeste ein. Links und rechts des "Sitzplatzes" ragten parallel zueinander zwei hörnerartige Strukturen in die Luft, natürlich waren diese auch golden. Auf jeder Spitze hockte ein Rabe.
,,Thor", begrüßte der Mann auf dem Thron den goldblonden Donnergott. Sein schulterlanges Haar weiß, sowie sein bauschiger Bart, der mich unweigerlich an den Weihnachtsmann erinnerte. Dann erblickte ich das goldene Plättchen über seinem fehlenden Auge und ich strich das mit dem Weihnachtsmann.
Ich kannte diesen Mann, und nach wenigen Herzschlägen wusste ich auch, woher: aus dem damaligen Traum von Loki als blaues Baby.
Odin. Okay, dass war ja offensichtlich, sonst würde er ja nicht auf dem Thron sitzen ...
,,Vater", entgegnete Thor und neigte respektvoll den Kopf. Derweil fühlte ich mich hilflos; unentschlossen, was ich tun sollte. Sollte ich mich verbeugen?
,,Und du musst das Kind sein, das mein Sohn hierher gebracht hat", sprach Odin an mich gerichtet und ich schluckte, ,,Aria Stark." Nach einem bestätigenden Nicken meinerseits, entschied ich mich für die Andeutung einer Verbeugung. Als ich wieder aufsah, sah ich unsicher zu Thor, der mir ein aufmunterndes Lächeln schenkte.
Odin hingegen runzelte die Stirn, was meinen nervösen Zustand nicht gerade besser machte. Es war beinahe derselbe Ausdruck in seinen Augen, den auch Frigga gehabt hatte, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren. Natürlich könnte ich seine Gedanken lesen, aber wenn Loki das schon verhindern konnte, warum dann nicht auch der Allvater?
,,Wie hieß deine Mutter, Kind?"
,,Arnóra Hale", antwortete ich, wobei ich mich fragte, warum er gefragt hatte, wenn meine Mutter vermutlich einen falschen Namen auf der Erde genutzt hatte (wenn sie aus Asgard war).
,,Sagt dir der Name etwas, Vater?", erkundigte sich Thor, dem die Interesse in Stimme und Blick des Allvaters ebenfalls nicht entgangen war.
Entgegen meiner Hoffnung, vollführte Odin eine verneinende Kopfbewegung.
,,Du musst hungrig sein, Stark's Tochter", Odin sah von mir zu Thor, ,,geleite sie zum Speisesaal."
Thor neigte abermals den Kopf, ich deutete abermals eine Verbeugung an. Dann folgte ich Thor zum Speisesaal. Tatsächlich schrie mein Magen vor Hunger.

Aus dem Speisesaal ertönten laute Stimmen, frohes Gelächter. Als Thor und ich eintraten, wusste ich auch, warum:
Fandral, eine fremde Asin mit rabenschwarzen Hafen und silberner Rüstung, ein etwas ... fülligerer Ase mit rotem Vollbart, und noch ein asiatisch aussehender Ase (der deutlich am leisesten war) unterhielten sich und lachten dabei, als wäre der beste Flachwitz der Welt erzählt worden.
Bei dem unbekümmerten Lachen musste ich unwillkürlich an meinen Dad denken. Was er jetzt wohl gerade tat?
,,Seid gegrüßt, meine Freunde!", rief Thor mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Augenblicklich schnellten ihre Köpfe zu uns fielen nach Thor auf mich. ,,Ist das Aria, von der du uns gestern erzählt hast?", fragte die Schwarzhaarige mit gehobenen Brauen und bevor Thor etwas erwidern konnte, warf Fandral grinsend ein: ,,Wir sind schon begegnet, Aria." Er neigte begrüßend seinen Kopf.
,,Aria, darf ich vorstellen, das sind Sif", Thor nickte in die Richtung der Schwarzhaarigen, ,,Hogun", der Asiate neigte wie Fandral den Kopf, ,,Und Volstagg."
Der breitere rothaarige winkte mit vollem Mund, woraufhin Sif die Augen verdrehte, ich hingegen schmunzelte.
,,Komm", Sif winkte mich zu ihnen an den Tisch, ,,Iss mit uns." Dankbar lächelnd setzte ich mich neben sie. Thor hingegen blieb am Eingang stehen. Verwundert blickten die anderen und ich zu ihm. ,,Ist du nicht mit uns?", erkundigte sich Fandral. Thor verneinte. ,,Ich muss mich noch um etwas kümmern, für morgen, wen wir nach Ljossalfheim aufbrechen."
Seine asischen Freunde nickten verständnisvoll.
Sobald er gegangen war, lagen drei Augenpaare auf mir.
,,Ich habe gehört, du seist wegen deiner Mutter hier?" ,,Wie alt bist du?" ,,Hast du schon einmal ein Schert geschwungen?" ,,Besitzt du wirklich besondere Kräfte?" ,,Kannst du meine Gedanken lesen?"
Etwas überfordert sah ich zwischen den dreien hin und her. ,,Ähm ... vielleicht eins nach dem anderen ... bitte?", unterbrach ich ihren Fluss aus Fragen, woraufhin sofort alle verstummten, ehe sie mir die Fragen nochmal stellten, nur langsamer und erst nachdem ich die vorherige beantwortet hatte.

Sichtwechsel

Loki POV:

Die knappen drei Tage, die ich in dieser Zelle verbracht hatte, fühlten sich an wie drei Jahre.
Ich legte das Buch aus meinen Händen, erhob mich von dem "Bett", nur um dann herumzutigern und mich zu fragen, was ich tun könnte.
Die Antwort kannte ich allerdings bereits.
Gar nichts.
Ich konnte gar nichts tun und dieser Gedanke ätzte wie Säure auf meiner Haut.
Mein Blick wanderte durch das magisch geschützte Glas zu den Wachen, die wie Statuen auf ihrer Position standen. Regungslos.
Ich ließ mich genervt, gelangweilt zurück aufs Bett fallen und dachte nach. Ungewollt wanderten meine Gedanken zu Aria. Ob der Zauber der Nachfahren bereits bei ihr durchgeführt worden war? Vermutlich nicht, denn sonst hätte sie Asgard bereits verlassen. Und ich war sicher, dass sie es nicht hatte. Im Gegenteil: Ich spürte ihre Präsenz so stark, als würde sie direkt neben mir stehen.
Seitdem sie in meinen Kopf vorgedrungen war, war etwas anders. Ich konnte nicht sagen was, doch definitiv hatte es etwas bewirkt. Eine Art ... Verbundenheit.
Ich hatte ebenfalls in sie hineinblicken können, und das, was ich gesehen hatte, überstieg jegliche Erwartungen.
Erwartet hätte ich Liebeskummer oder andere Probleme, die Mädchen in ihrem Alter hatten, doch was mich wirklich überrascht hatte, was ich in ihr gespürt hatte, war Macht.
Eine solch dunkle Macht, wie ich sie noch nie zuvor gespürt hatte und ich war mir sicher, dass sie selbst nicht einmal davon wusste. Sie hatte keine Ahnung, wozu sie fähig war. Und sollte sie es erfahren, ihre Kraft rauslassen, wäre es vermutlich das beste - und das sicherste - hier drin zu sein.

Aria Stark - Awakening of the phoenixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt