7. Offenbarung

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,,Hast du dich verirrt?"

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Erschrocken wirbelte ich zu der Stimme herum und legte mir dabei eine Hand aufs Herz. Vor mir ragte sich eine hochgewachsene Gestalt mit schulterlangem, schwarzen Haar auf. Smaragdgrüne Augen funkelten mich an. Augenblicklich verzog ich das Gesicht. ,,Loki." Der Genannte grinste, ehe er nach meiner Hand griff und einen leichten Kuss hinaufdrückte. Rasch zog ich sie zurück und wischte meine obere Handfläche an meinem Kleid ab, spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss. Loki lachte, indes ich ihn hingegen immer noch perplex ansah. ,,Also sag mir, barn eldr, was bewegt dich dazu, nachts die Bibliothek aufzusuchen? Hattest du einen Alptraum?" Loki lächelte spöttisch und ich konnte nicht anders, als ein sarkastisches Lächeln zu erwidern. ,,Das geht dich nichts an."
,,Nun, da ich diesen Ort mein Eigen nennen darf, geht es mich sehr wohl was an."
Überrascht zog ich die Brauen in die Höhe. ,,Das alles hier ... gehört dir?"
Loki nickte. ,,Es gibt eine weitere, öffentliche Bibliothek. Sie befindet sich allerdings in dem Südflügel des Palastes, also bezweifle ich, dass du dich hierhin verirrt hast ... was tust du hier?"
Für einen Augenblick war ich zu sprachlos, um etwas sinnvolles zu erwidern. Was hätte ich denn auch sagen sollen? Dass ich tatsächlich von etwas geträumt hatte - dass ich von meinem Tod geträumt hatte - und deshalb nicht mehr schlafen konnte und wollte, aus meinem Zimmer geschlichen und zufällig auf die Bibliothek gestoßen bin?
Glücklicherweise ersparte er mir ein peinliches Gestammel mit einer weiteren Frage. ,,Bist du barfuß draußen gewesen?"
Ich runzelte irritiert die Stirn und folgte seinem Blick zu meinen Füßen. Im Kontrast zu den Hausschuhen waren sie dreckig - unzwar nicht ganz leicht. Nein, sie waren mit getrocknetem Schlamm bedeckt und Erde und ich die Tatsache erschreckte mich so sehr, dass ich beinah gegen den Schrank hinter mir geknallte wäre. Mit rudernden Armen suchte ich nach Halt, als Loki auf einmal nach meinem Arm griff und mich vor einem Sturz bewahrte. Mir war ganz verschwommen vor den Augen, aber ich glaubte, dass Loki amüsiert den Kopf schüttelte, ehe er mich auf beide Füße stellen wollte. Zumindest versuchte er es, aber kaum hatte er mich losgelassen, spürte ich, wie ich schwankte.
Mir war als würde ich jeden Moment mein Bewusstsein verlieren und ausnahmsweise war ich erleichtert über Loki's Anwesenheit. Auch wenn das bedeutete, dass ausgerechnet er mich auffangen musste.
,,Hey, ganz langsam, Kleine", sagte er mit erstaunlich sanfter Stimme. Er zog mich näher an sich, um mich vom stürzen zu bewahren und hielt mich an den Schultern fest. Ich wusste nicht, ob es seine eisig kalten Hände waren, die mir eine Gänsehaut bescherten, oder ob es der unter die Haut gehende Duft war, der an ihm haftete. Nein ernsthaft, er roch wirklich gut. Der Geruch an sich war schwer zu beschreiben, aber er erinnerte mich sehr stark an Eternity von Calvin Klein. Irgendwie würzig mit Ambra und Sandelholz. Ob Loki bei seinem gescheiterten Versuch, die Erde zu übernehmen, Parfüm gekauft hatte? Der Gedanke war so urkomisch, dass ich beinah aufgelacht hätte.
Als ich meinem Kopf hob und erkannte, das Loki's Gesicht noch immer ganz verschwommen war, blinzelte ich ein paar Mal. Die Umrisse begannen gerade sich zu verschärfen, da stockte mir der Atem. Aus den Augenwinkeln des Gottes drängten sich Würmer. Nein, nein, nein. Ich dachte, der Traum sei vorbei.

Ich keuchte mit wild pochendem Herzen und schubste mich von ihm weg. Daraufhin runzelte er die Stirn. ,,Was ist? Überwältigt von meinem guten Aussehen?", fragte er mit einem verschmitztem Lächeln. Anstatt etwas zu erwidern, starrte ich nur weiter auf die Würmer, von denen immer mehr aus seinen Augen schlüpften. Die ersten fielen von seinen scharfen Wangenknochen auf den Boden, krochen auf mich zu. Ich wurde panisch und wollte gerade wegrennen, als Loki mich plötzlich am Arm packte und festhielt.
,,Aria, beruhig dich. Was ist los mit dir?", fragte er und klang auf einmal ernster als jemals zuvor. Verzweifelt versuchte ich meinen Arm aus seiner Hand zu befreien - vergebens.
,,Lass mich los!", zischte ich, doch er tat das Gegenteil davon. Er schlang seinen einen Arm um meine Taille, sodass es mir unmöglich war, zu entkommen. Eisblau traf auf Smaragdgrün. Mein gesamter Körper war wie gelähmt.
,,Tut mir leid, Kleine", flüsterte er. Nur wie durch einen Schleier bemerkte ich, wie er meine Stirn kurz mit seiner Hand berührte.
Augenblicklich wurde mir schwarz vor den Augen.

Loki POV:

,,Du hast was?!", fuhr Thor mich an und packte mich am Kragen. Aus irgendeinem Grund schien er es nicht wirklich gut aufzunehmen, dass ich Aria ausgeknockt hatte. ,,Zu meiner Verteidigung", fing ich an und trat einen Schritt rückwärts, hob unschuldig die Hände, ,,Ich musste es tun. Sie ist vollkommen durchgedreht. Vermutlich wird sie wegen dieser Unterwelt-Geschichte von Hallunizationen geplagt."
Fragend schob Thor die Brauen zusammen. ,,Wie meinst du das?"
,,Nun, ich vermute, dass sich durch ihren Besuch in die Totenwelt eine Art Tür für sie geöffnet hat. Scheinbar steckt ihr Geist zwischen den beiden Welten", erklärte ich. Thor schwieg für einen Moment, ehe er seinen Blick von dem Boden nahm und zu mir sah. ,,Und wie schließen wir diese "Tür"?"
,,Gar nicht."
,,Gar nicht? Heißt das, es ist nicht möglich?"
Ich legte den Kopf schief, meine Lippen verzogen sich zu einem spitzbübischen Grinsen. ,,Naja, du könntest sie töten. Dann hätte sie immerhin keinen Zugang zur Welt der Lebenden und die Tür wäre geschlossen", schlug ich vor.
Auch das schien Thor nicht besonders gut aufzunehmen, denn er schob erneut die Brauen zusammen - diesmal vor Wut - und gab ein warnendes ,,Loki" von sich.
Ich verdrehte die Augen. ,,Die andere Option wäre Mutter. Aber bevor wir sie zur Hilfe holen, solltest du vielleicht etwas wissen", sagte ich und wurde zum Ende hin etwas ernster.
,,Sag schon, Loki, was ist es? Ich habe keine Zeit für Spielchen."
Eigentlich Schade, so damit herauszuplatzen, aber wenn es denn unbedingt sein musste ...
,,In der anderen Welt habe ich Arias Mutter gesehen", erzählte ich. ,,Erinnerst du dich an die alten Schriften und Gemälde über Varya die Mächtige?" ,,Ja, warum?"
,,In einen der alten Tagebücher deines Großvaters wird erwähnt, dass Varya ein Synonym für Vanadís war." ,,Vanadís ... so heißt Arias Mutter", erinnerte Thor sich. ,,Aber wenn Vanadís und Varya ein und dieselbe sind ... dann würde das bedeuten ..."
Ich nickte, wissend, was Thor sagen wollte.
,,Aria ist deine Cousine, Thor."

Barn eldr - kleines Feuer

Aria Stark - Awakening of the phoenixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt